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43 WehrrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht wegen Versagung der Wohnkostenbeihilfe gemäß HeeresgebührenG; keine sachliche Rechtfertigung der Unterscheidung zwischen Darlehen zur Errichtung und Darlehen zum Erwerb von WohnraumSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Vertreters die mit 15.000 S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer leistete in der Zeit vom 2. Oktober 1989 bis zum 31. Mai 1990 gemäß §7 des Zivildienstgesetzes 1986 - ZDG, BGBl. 679, idF der Gesetze BGBl. 336/1987 und 598/1988, Grundzivildienst. Mit Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes für den 2. Wiener Bezirk vom 15. Dezember 1989 wurde ihm der Anspruch auf Wohnkostenbeihilfe unter Berufung auf §34 Abs1 ZDG iVm §§25 und 30 Abs3 des Heeresgebührengesetzes 1985 - HGG, BGBl. 87, idF der Gesetze BGBl. 266/1985, 328/1986, 337/1987, 342/1988 und 362/1989, antragsgemäß zuerkannt, sein Antrag auf Abgeltung der 3.500 S betragenden Rückzahlung des für den Kauf seiner Wohnung aufgenommenen Darlehens jedoch unter Berufung auf §34 Abs1 ZDG iVm §30 Abs4 HGG abgewiesen.
Der Beschwerdeführer brachte gegen diesen Bescheid, soweit mit ihm sein Antrag abgewiesen wurde, Berufung ein, der der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 30. Jänner 1990 keine Folge gab.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.
3. Der Landeshauptmann von Wien als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1. Der angefochtene Bescheid unterliegt, da die belangte Behörde (gemäß §34 Abs2 ZDG iVm §33 Abs3 HGG) als Rechtsmittelbehörde entschieden hat und durch Bundesgesetz nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, gemäß Art103 Abs4 erster Halbsatz B-VG (idF des ArtI Z32 der Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1974, BGBl. 444) keinem (weiteren) administrativen Instanzenzug. Der Instanzenzug ist somit ausgeschöpft. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist die Beschwerde zulässig.
2. Die belangte Behörde hat, indem sie der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gab, einen mit dem erstinstanzlichen Bescheid - soweit angefochten - übereinstimmenden neuen Bescheid erlassen (s. zB die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 5970/1969, 6016/1969, 8084/1977), mit dem sie den Antrag des Beschwerdeführers auf Abgeltung der Rückzahlung des Darlehens, das er für den Kauf seiner Wohnung aufgenommen hatte, abwies.
Davon ausgehend, daß der Beschwerdeführer als Zivildienstleistender auf Grund des §34 Abs1 ZDG für die Dauer der Zivildienstleistung Anspruch auf Wohnkostenbeihilfe nach dem HGG habe, stützte die belangte Behörde ihre abweisende Entscheidung - kurz zusammengefaßt - im wesentlichen auf die Rechtsansicht, daß die nach §30 Abs4 HGG mit der Wohnkostenbeihilfe (teilweise) abzugeltenden Kosten für die erforderliche Beibehaltung der notwendigen Wohnung nur die in §30 Abs5 Z1 bis 4 HGG taxativ aufgezählten Kosten umfaßten, unter die zwar gemäß Z3 Rückzahlungen von Darlehen fielen, die zur Schaffung (iS von Errichtung) des jeweiligen Wohnraumes aufgenommen wurden, zu denen aber nicht auch Rückzahlungen von Darlehen gehörten, die zum Kauf des jeweiligen Wohnraumes - im vorliegenden Fall einer Eigentumswohnung - aufgenommen wurden.
3. a) Nach §34 Abs1 Z2 ZDG hat der Zivildienstpflichtige, der - wie der Beschwerdeführer - einen Grundzivildienst in der Dauer von acht Monaten leistet, Anspruch auf Familienunterhalt und Wohnkostenbeihilfe, wie er einem Wehrpflichtigen nach den §§25 und 30 HGG zusteht.
Die Wohnkostenbeihilfe ist in §30 HGG geregelt (diese Bestimmung hatte vor der Wiederverlautbarung des HGG durch die Kundmachung BGBl. 87/1985 die Paragraphenbezeichnung "21"). Der im vorliegenden Fall insbesondere bedeutsame Abs4 dieses Paragraphen (in der hier maßgeblichen Fassung des ArtI Z27 des Wehrrechts-Änderungsgesetzes 1983, BGBl. 577) hat folgenden Wortlaut:
"(4) Mit der Wohnkostenbeihilfe nach den Abs1 und 3 sind den Wehrpflichtigen die ihnen nachweislich während des Präsenzdienstes für die erforderliche Beibehaltung der notwendigen Wohnung entstehenden Kosten so weit abzugelten, als ein allenfalls während des Präsenzdienstes verbleibendes Einkommen diese Kosten nicht deckt. Dies gilt auch für jene Fälle, in denen der Erwerb der Wohnung zwar erst nach dem Antritt des Präsenzdienstes vollzogen, aber bereits vor der Zustellung des Einberufungsbefehles hinsichtlich einer bestimmten Wohnung nachweislich eingeleitet worden ist."
§30 Abs5 Z3 HGG (in der hier maßgeblichen Fassung des ArtI Z17 der Heeresgebührengesetz-Novelle 1982, BGBl. 285) lautet:
"3. Rückzahlungen von Darlehen, die zur Schaffung des jeweiligen Wohnraumes aufgenommen wurden, sowie . . . ".
b) §30 Abs5 Z3 HGG entspricht dem letzten Halbsatz des §21 Abs5 HGG in jener Fassung, den diese Bestimmung durch ArtI Z3 der Novelle BGBl. 105/1979 zum HGG erhalten hatte ("ferner die Rückzahlungen von Darlehen, die zur Schaffung des jeweiligen Wohnraumes aufgenommen wurden."). Mit dieser Novelle sollte insbesondere der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes Rechnung getragen werden, der mit dem Erkenntnis VfSlg. 8417/1978 den §21 Abs1 HGG (idF des Gesetzes BGBl. 413/1974) wegen Widerspruches zum Gleichheitsgebot als verfassungswidrig aufgehoben hatte.
Der Verfassungsgerichtshof erblickte die Verfassungswidrigkeit der aufgehobenen - als untrennbar erachteten - Vorschrift des §21 Abs1 HGG im wesentlichen darin, daß dem Mietzins lediglich Rückzahlungen für Wohnbauförderungskredite gleichzuhalten waren, nicht aber auch Rückzahlungen für sonstige Kredite, deren sich der Wehrpflichtige zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses bediente, obwohl in beiden Fällen ein wesentlicher Teil der Kreditrückzahlungen "in Ansehung eines angemessenen Wohnbedarfes dieselbe wirtschaftliche Funktion erfüllt".
Der Verfassungsgerichtshof hatte in jenem Gesetzesprüfungsverfahren angesichts der Konstellation des der Einleitung dieses Verfahrens zugrundeliegenden Falles und des Wortlautes der zu prüfenden Gesetzesbestimmung keinen Anlaß zur Erörterung der Frage, ob es aus der Sicht des Gleichheitssatzes geboten ist, auch Rückzahlungen von Darlehen, die nicht zur Errichtung, sondern zum Erwerb einer der Befriedigung des Wohnbedürfnisses des Wehrpflichtigen dienenden Wohnung aufgenommen wurden, zu den mit der Wohnkostenbeihilfe (teilweise) abzugeltenden Kosten zu zählen.
Dies gilt im Ergebnis auch für das Erkenntnis VfSlg. 7245/1973,
in dem der Verfassungsgerichtshof die Auffassung vertrat, unter
Berücksichtigung des - auch den Gesetzgeber bindenden -
Gleichheitsgebotes sei dem (damaligen) §21 Abs2 HGG der Inhalt
beizumessen, daß zu den "Kosten für die . . . Beibehaltung der
. . . Wohnung" auch "Raten zur Tilgung der als Darlehen
aufgenommenen Errichtungskosten gehören."
In dem Beschluß über die Einleitung des mit dem Erkenntnis VfSlg. 8417/1978 abgeschlossenen Gesetzesprüfungsverfahrens hatte der Verfassungsgerichtshof - wie in der Begründung des Erkenntnisses wiedergegeben - ua. das Bedenken geäußert, daß die in Prüfung gezogene Vorschrift dem Gleichheitsgebot widerspreche, weil kein Grund ersichtlich sei, warum dem Wehrpflichtigen Anspruch auf Mietzinsbeihilfe (nunmehr: Wohnkostenbeihilfe) nur dann zustehen solle, "wenn von diesem zur Erhaltung der Wohnung Mietzins zu zahlen ist, demgegenüber aber kein Anspruch auf Mietzinsbeihilfe zustehen soll, wenn die Zahlungen zur Erhaltung der Wohnung auf einem anderen Rechtstitel basieren, wie beispielsweise Nutzungsgebühren für Genossenschaftswohnungen oder Zahlungen für Eigentumswohnungen (Hervorhebung nicht im Original), soweit es sich nicht um dem Mietzins gleichgestellte Rückzahlungen für Wohnbauförderungskredite handelt."
c) Die Novelle BGBl. 105/1979 zum HGG verfolgte ua. erklärtermaßen das Ziel, dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 8417/1978 Rechnung zu tragen (s. die Begründung des Initiativantrages II-4656 BlgNR 14. GP, 1; ferner den Bericht des Landesverteidigungsausschusses 1177 BlgNR 14. GP, 1). Mit der seit dem Inkrafttreten dieser Novelle (1. Juli 1979) als "Wohnkostenbeihilfe" bezeichneten Zuwendung sollten die dem Wehrpflichtigen nachweislich während des Präsenzdienstes für die erforderliche Beibehaltung der notwendigen Wohnung entstehenden Kosten insoweit (teilweise) abgegolten werden, als ein allenfalls während des Präsenzdienstes verbleibendes Einkommen diese Kosten nicht deckt. Eine Erweiterung gegenüber der früheren Rechtslage wurde hinsichtlich jener Fälle vorgesehen, "in denen der Wohnungserwerb erst nach dem Eintritt des Präsenzdienstes realisiert wird, obwohl er schon vor der Einberufung eingeleitet wurde" (1177 BlgNR 14. GP, 2). Unter den nunmehr in §21 Abs5 HGG angeführten "Rückzahlungen von Darlehen, die zur Schaffung des jeweiligen Wohnraumes aufgenommen wurden", führt der Ausschußbericht beispielhaft die Fälle von "Genossenschaftswohnungen, Wohnungseigentum oder Eigenheim" an (1177 BlgNR 14. GP, 2).
d) Aus dem Wortlaut des hier maßgeblichen §30 Abs4 HGG ergibt sich ebenso wie aus der den Gesetzesmaterialien zu entnehmenden Absicht des Gesetzgebers unzweifelhaft, daß den Wehrpflichtigen mit der Wohnkostenbeihilfe jene Kosten in einem bestimmten Ausmaß zu ersetzen sind, die sie aufwenden müssen, um die Beibehaltung der notwendigen Wohnung während der Dauer des Präsenzdienstes zu sichern: Die Wehrpflichtigen sollen in die Lage versetzt werden, ihre vor dem Eintritt des Präsenzdienstes bestandene Wohnmöglichkeit auch während der Zeit der Präsenzdienstleistung, in der sie wegen des dadurch bedingten Einkommensverlustes die Mittel zur Erhaltung der Wohnmöglichkeit nicht aufzubringen vermögen, für die Zeit nach der Ableistung des Präsenzdienstes zu erhalten. Sie sollen ihre notwendige Wohnung nicht dadurch verlieren, daß sie durch die Leistung des Präsenzdienstes einen Einkommensverlust erleiden (vgl. dazu etwa auch VwGH 27.10.1987, 87/11/0080). Nach dem zweiten Satz des §30 Abs4 HGG gilt dies auch für jene Fälle, in denen der Erwerb der Wohnung zwar erst nach dem Antritt des Präsenzdienstes vollzogen, aber bereits vor der Zustellung des Einberufungsbefehles hinsichtlich einer bestimmten Wohnung nachweislich eingeleitet worden ist.
Der aus dem Wortlaut des §30 Abs4 HGG und den Materialien des Gesetzes eindeutig ersichtliche Zweck der Regelung erfordert es, unter der in §30 Abs5 Z3 HGG erwähnten "Schaffung des jeweiligen Wohnraumes" nicht allein dessen Errichtung, sondern auch dessen Erwerb durch den Wehrpflichtigen zu verstehen.
Der Wortlaut des §30 Abs5 Z3 HGG steht dieser Auslegung keineswegs entgegen, nach der es allein darauf ankommt, daß der Wehrpflichtige sich die Mittel zur Erlangung der "notwendigen Wohnung" (deren Beibehaltung mit der Wohnkostenbeihilfe gesichert werden soll) durch Darlehensaufnahme besorgt, nicht aber darauf, daß die Darlehensaufnahme der Errichtung neuen, bisher nicht vorhandenen Wohnraumes zur Deckung seines Wohnbedarfes gedient hat (dies zum Unterschied von dem dem Erkenntnis VfSlg. 9792/1983 zugrundeliegenden Fall, in dem es um die steuerliche Begünstigung (lediglich) der Schaffung von neuem, bisher nicht vorhandenem Wohnraum ging).
Gestattet nun der Wortsinn des §30 Abs5 Z3 HGG die Auslegung, daß unter "Schaffung" nicht nur die Errichtung, sondern auch der Erwerb von (bereits errichtetem) Wohnraum zu verstehen ist, so ist diese Auslegung verfassungsrechtlich geboten: Eine Interpretation, die in diesem Sinn zwischen Darlehen zur Errichtung und Darlehen zum Erwerb von Wohnraum unterschiede, würde nämlich dieser Vorschrift einen gegen das Gleichheitsgebot verstoßenden Inhalt unterstellen. Es läßt sich keine sachliche Begründung dafür finden, Wehrpflichtige (und, wie hier, Zivildienstpflichtige), die zur Deckung eines angemessenen Wohnbedarfes einen Kredit aufgenommen haben, allein deswegen von der Gewährung der Wohnkostenbeihilfe auszuschließen, weil der Kredit nicht der Errichtung, sondern (bloß) dem Erwerb einer bereits errichteten Wohnung dienen soll. In beiden Fällen erfüllt nämlich die Kreditrückzahlung, was die Deckung eines angemessenen Wohnbedarfes betrifft, dieselbe wirtschaftliche Funktion.
Die belangte Behörde hat, indem sie diese aus der Sicht des Gleichheitssatzes gebotene Auslegung des §30 Abs5 Z3 HGG verkannt hat, dieser Vorschrift einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt und dadurch ihren Bescheid mit Gleichheitswidrigkeit belastet (vgl. dazu etwa VfSlg. 9743/1983, 9979/1984, 10072/1984, 11293/1987).
4. Der Beschwerdeführer ist somit durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
6. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG; vom zugesprochenen Kostenbetrag entfallen 2.500 S auf die Umsatzsteuer.
Schlagworte
Zivildienst, Wohnungseigentum, Militärrecht, HeeresgebührenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:B444.1990Dokumentnummer
JFT_10088996_90B00444_00