TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/8 93/08/0110

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Veröffentlicht am 08.03.1994
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §16 Abs1 litg;
AlVG 1977 §16 Abs3;
AlVG 1977 §38;
B-VG Art130 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt, W, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 24. März 1993, Zl. IVb/7022/7100 B, betreffend Nachsicht von Ruhen der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 25. September 1991 gab das Arbeitsamt Versicherungsdienste (Wien) dem Ansuchen des Beschwerdeführers auf Nachsicht von Ruhen der Notstandshilfe wegen Auslandsaufenthaltes in der Zeit vom 8. Februar

bis 12. April 1990 gemäß § 38 iVm § 16 Abs. 1 lit. g und Abs. 3 AlVG mit der Begründung keine Folge, daß der Vermittlungsausschuß des Arbeitsamtes die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Nachsichtsgründe nicht als triftig anerkannt habe.

In der dagegen erhobenen Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, er wisse niemanden, der die für eine Nachsicht vom Ruhen der Notstandshilfe erforderlichen Bedingungen mehr erfüllt habe als er. Er habe in der Bundesrepublik Deutschland Zeit und Geld aufgewendet, um in den Arbeitsprozeß wieder eingegliedert zu werden. Davon habe er das Arbeitsamt auch informiert. Als Beweis dafür berufe er sich auf sein Schreiben vom 18. März 1990 und die angeschlossenen Beilagen. Er habe sich aber auch aus zwingenden familiären Gründen in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten. Sein jüngster Sohn habe nämlich im Jahre 1990 maturiert und nicht nur den finanziellen Beistand seines Vaters bedurft.

In dem bezogenen Schreiben vom 18. März 1990, in dem er sich für die Versäumung einer Kontrollmeldung am 8. Februar 1990 entschuldigt, heißt es, es packe ihn, der am 15. Mai 1931 geboren sei, nach vielen Rückschlägen immer noch die Bewerbungswut, vorwiegend im Frühling und Herbst; er kenne da keine Grenzen. Das sei auch den Mitarbeitern des Arbeitsamtes bekannt. Gegenwärtig liefen ungefähr noch zehn Bewerbungen, in der Bundesrepublik Deutschland sieben, in Österreich in etwa drei. Um sein Vorbringen zu belegen, schließe er ein paar diesbezügliche Auszüge an. Er habe sich zu diesem Zweck sogar einen Schreibautomaten gekauft, auf dem er jetzt die diversen Briefe einfacher und weniger eintönig fertigstellen könne. Diesem Schreiben schloß er sieben Schreiben deutscher Unternehmen, und zwar fünf vom Jänner 1990 und zwei vom März 1990, an. In fünf dieser Schreiben wurde die jeweilige Bewerbung des Beschwerdeführers abgelehnt; auf zwei Schreiben vom Jänner, in denen um eine Kontaktaufnahme ersucht wird, findet sich der handschriftliche Vermerk, daß noch im Jänner eine Absage erteilt worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. Begründend wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe die Kontrollmeldung vom 8. Februar 1990 nicht eingehalten, weshalb der Bezug der Notstandshilfe mit diesem Datum eingestellt worden sei. Am 3. September 1991 habe er dem Arbeitsamt ein mit 18. März 1990 datiertes Schreiben übermittelt, in dem er um Nachsicht von Ruhen ersucht habe, weil er sich zu dieser Zeit im Ausland befunden habe. Dabei habe er sich dort um die Aufnahme von Dienstverhältnissen beworben, was er mit diversen Absagen zu belegen versucht habe. Dies habe er auch in der Berufung wiederholt. Die von ihm vorgelegten Unterlagen, d.h. die Absageschreiben diverser Dienstgeber, seien aber der belangten Behörde als nicht geeignet erschienen, seine Arbeitssuche zu dokumentieren, weil sie in keinem zeitlichen Konnex zum Ruhenszeitraum ab 8. Februar 1990 stünden; sie seien vielmehr alle bereits vorher, nämlich im Jänner 1990, verfaßt worden. Ebenso hätten vom Beschwerdeführer keine zwingenden familiären Gründe geltend gemacht werden können, die einer Nachsichtgewährung Platz geboten hätten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, nach der sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Erteilung der Nachsicht vom Ruhen der Notstandshilfe verletzt erachtet.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 lit. g AlVG in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 416/1992 ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während des Aufenthaltes im Ausland. Nach § 16 Abs. 3 AlVG ist auf Antrag des Arbeitslosen das Ruhen des Arbeitslosengeldes gemäß Abs. 1 lit. g bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände nach Anhörung des Vermittlungsausschusses des Arbeitsamtes bis zu acht Wochen während eines Leistungsanspruches (§ 18) nachzusehen. Berücksichtigungswürdige Umstände sind Umstände, die im Interesse der Beendigung der Arbeitslosigkeit gelegen sind, insbesondere wenn sich der Arbeitslose ins Ausland begibt, um nachweislich einen Arbeitsplatz zu suchen oder um sich nachweislich beim Arbeitgeber vorzustellen oder um sich einer Ausbildung zu unterziehen, oder Umstände, die auf zwingenden familiären Gründen beruhen. In besonders gelagerten Fällen kann aus zwingenden Gründen auch über die acht Wochen hinausgegangen werden.

Nach § 38 AlVG sind, soweit in diesem Abschnitt (über die Notstandshilfe) nichts anderes bestimmt ist, auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 (über das Arbeitslosengeld) sinngemäß anzuwenden.

Der Beschwerdeführer wendet gegen die Abweisung seines Nachsichtansuchens ein, es sei wohl - und gerade bei den Arbeitsämtern - eine allgemein bekannte Tatsache, daß ältere Arbeitslose nur mehr schwer vermittelbar seien und erheblich mehr Anstrengungen unternehmen müßten, um einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden. Derartige Anstrengungen erstreckten sich naturgemäß über einen längeren Zeitraum. Es sei daher lebensfremd, wenn die belangte Behörde allein auf die Daten der Absageschreiben abstelle, die im übrigen zum Teil sehr wohl im Ruhenszeitraum lägen. Die belangte Behörde habe hiebei die eigenen, ihr bekannten Anstrengungen des Beschwerdeführers (Annoncen und Bewerbungen aus eigenem) gar nicht berücksichtigt. Die Unterstützung des jüngsten Sohnes des Beschwerdeführers bei der Absolvierung der Matura und bei dem Beginn des Studiums falle unter den Begriff der zwingenden familiären Gründe im Sinne des § 16 Abs. 3 AlVG. Somit seien die Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt. Sie räume der Behörde kein freies Ermessen ein, sodaß Nachsicht gewährt werden müsse, falls entsprechend berücksichtigswürdige Umstände vorlägen.

Daran ist richtig, daß - im Gegensatz zur Nachsicht nach dem letzten Satz des § 16 Abs. 3 AlVG - für eine Nachsicht nach den beiden ersten Sätzen dieser Bestimmung den Arbeitsämtern kein Ermessen eingeräumt ist. Nachsicht ist vielmehr immer zu gewähren, wenn berücksichtigungswürdige Umstände im Sinne des zweiten Satzes des § 16 Abs. 3 AlVG vorliegen. Solche Umstände hat die belangte Behörde aber mit Recht verneint. Denn was zunächst die Frage betrifft, ob sich der Beschwerdeführer ins Ausland begeben hat, um nachweislich einen Arbeitsplatz zu suchen, ist es nicht unschlüssig, wenn die belangte Behörde die bloße Vorlage von zum größten Teil vor Beginn des Ruhenszeitraumes datierten Antwortschreiben auf schriftliche (im Ausland verfaßte) Bewerbungen des Beschwerdeführers um Arbeitsplätze als nicht geeignet erachtet hat, seine "Arbeitssuche zu dokumentieren", d.h. vor dem Hintergrund des § 16 Abs. 3 AlVG zu erweisen, daß er sich im Interesse einer wirksamen Beendigung der Arbeitslosigkeit ins Ausland begeben und dadurch einen Tatbestand verwirklicht habe, der eine Nachsicht vom sonst (wegen des Ausschlusses oder der Einschränkung seiner Vermittelbarkeit auf dem inländischen Arbeitsmarkt durch die Behörden der Arbeitsmarktverwaltung) eintretenden Ruhen gerechtfertigt hätte. Denn es ist - gerade auch unter Beachtung des Alters des Beschwerdeführers und der dadurch bedingten schwereren Vermittelbarkeit - nicht erkennbar, inwiefern die bloße Verfassung und Absendung derartiger Bewerbungsschreiben im Ausland (und nicht in Österreich) größere Erfolgschancen gehabt haben und dadurch im Interesse einer wirksamen Beendigung der Arbeitslosigkeit gelegen gewesen sein sollte. Weitere Aktivitäten, die einen Auslandsaufenthalt im Zusammenhang mit der behaupteten Arbeitssuche erforderlich gemacht hätten, hat der Beschwerdeführer aber nicht behauptet. Die belangte Behörde hat aber auch mit Recht in der behaupteten, nicht nur finanziellen, im übrigen aber nicht näher definierten "Unterstützung" bzw. im "Beistand" des (nach der Aktenlage im Jahre 1968 geborenen) Sohnes des Beschwerdeführers "bei der Absolvierung der Martura und des Beginns des Studiums" keine "zwingenden familiären Gründe" für den Auslandsaufenthalt des Beschwerdeführers erblickt.

Die Beschwerde war daher - unter Abstandnahme von der bantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 1 Z. 6 VwGG - nach § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991, begrenzt durch das Begehren der belangten Behörde.

Schlagworte

Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993080110.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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