TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/8 93/08/0273

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Veröffentlicht am 08.03.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §56 Abs1;
AlVG 1977 §56 Abs3;
AlVG 1977 §56 Abs8;
AVG §1;
AVG §18 Abs4;
AVG §58 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 93/08/0283 E 25. Oktober 1994

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Müller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der J in L, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. F in L, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Oberösterreich vom 19. Oktober 1993, Zl. IVa-AlV-7022-1-B/2777 260265/Linz, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 14. Juni 1993 gab das Arbeitsamt Linz dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gemäß § 7 Z. 1 in Verbindung mit § 12 AlVG mangels Arbeitslosigkeit keine Folge. Begründet wurde diese Entscheidung damit, daß die Beschwerdeführerin laufend als ordentliche Hörerin an der Universität Linz inskribiert sei, daher gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG nicht als arbeitslos gelte und ihrem Antrag auf Ausnahmegenehmigung nach § 12 Abs. 4 AlVG nicht stattgegeben worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung mit dem Antrag, ihr aus den Gründen des § 12 Abs. 4 AlVG eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen und das Arbeitslosengeld ab Antragstellung zuzuerkennen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab "das Landesarbeitsamt Oberösterreich ... nach Anhörung des gemäß § 56 Abs. 4 (AlVG) bestellten Ausschusses" der Berufung nicht statt und bestätigte den bekämpften Bescheid aus seinen zutreffenden Gründen. In der Bescheidbegründung wird nach Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens und nach Zitierung der anzuwendenden gesetzlichen Vorschriften ausgeführt, die Beschwerdeführerin studiere seit dem Wintersemester 1983/1984 an der Theologischen Hochschule Linz und an der Universität Linz das Lehramtsstudium für die Fächerkombination Theologie und Mathematik. Diese Ausbildung erfülle expressis verbis die Voraussetzung des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG. Es sei daher zu prüfen, ob berücksichtigungswürdige Umstände vorlägen, welche die Zulassung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 12 Abs. 4 AlVG rechtfertigten. Das Landesarbeitsamt Oberösterreich habe die Berufung der Beschwerdeführerin am 18. Oktober 1993 dem gemäß § 56 Abs. 4 AlVG bestellten Unterausschuß des Verwaltungsausschusses vorgelegt. Trotz gegenteiliger Ansicht des Arbeitnehmer- und des Arbeitgebervertreters habe der Vorsitzende des Unterausschusses für das Landesarbeitsamt entschieden, der Berufung keine Folge zu geben. Im Anschluß daran werden die näheren Gründe hiefür dargelegt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend macht, daß der angefochtene Bescheid - entgegen dem § 56 AlVG - nicht auf einem Beschluß des Unterausschusses des beim Landesarbeitsamt Oberösterreich eingerichteten Verwaltungsausschusses beruhe, sondern vom Vorsitzenden dieses Unterausschusses allein erlassen worden sei. Sollte der angefochtene Bescheid aber so zu interpretieren sein, daß es sich ohnedies um einen Bescheid des Unterausschusses handle, der Bescheid aber entgegen dem Beschluß des Unterausschusses nach der Minderheitsmeinung des Vorsitzenden ausgefertigt worden sei, so werde dies unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Im übrigen sei der angefochtene Bescheid aber auch inhaltlich rechtswidrig, weil die Voraussetzungen einer Entscheidung nach § 12 Abs. 4 AlVG vorgelegen seien.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie zu den beiden erstgenannten Beschwerdegründen Nachstehendes ausführte:

Auch der zur Entscheidung über Berufungen nach § 56 Abs. 3 AlVG zuständige Unterausschuß des zuständigen Verwaltungsausschusses unterliege gemäß Art. 20 Abs. 1 B-VG den Weisungen des Bundesministers für Arbeit und Soziales. Gemäß § 68 Abs. 2 AVG habe dieser Bundesminister unter anderem das Recht, als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen sei, von Amts wegen aufzuheben oder abzuändern. Darunter seien aber ausschließlich Bescheide zu verstehen, in denen der Berufung des jeweiligen Berufungswerbers im Verfahren vor den Landesarbeitsämtern, d.h. im Unterausschuß des zuständigen Verwaltungsausschusses, keine Folge gegeben worden sei. Um jedoch auch für den Fall eines stattgebenden Bescheides die entsprechende Dienstaufsicht ausüben zu können, habe der Unterausschuß dem Weisungsrecht des Bundesministers zu unterliegen. Die belangte Behörde habe daher entsprechend dem gesetzlichen Auftrag des § 56 Abs. 3 AlVG ihre Entscheidung im Unterausschuß des Verwaltungsausschusses getroffen, um dem Sinn der Norm des § 56 AlVG entsprechend gemäß Art. 20 Abs. 1 B-VG dem ihr vorgesetzten Organ, nämlich dem Bundesminister für Arbeit und Soziales, für ihre amtliche Tätigkeit verantwortlich zu bleiben. In der vorliegenden Angelegenheit wäre es daher in keinem Fall zu einer anderen Entscheidung gekommen. Selbst wenn man nämlich die Meinung vertrete, daß der mehrheitliche Beschluß des Unterausschusses für die Entscheidung des Landesarbeitsamtes bindend sei, könne den Mitgliedern des Unterausschusses durch Weisung eines Vorgesetzten (des Leiters des Arbeitsamtes bzw. des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales) das Votum vorgegeben werden. Nachdem der Vorsitzende des Unterausschusses aber im Sinne der bestehenden Weisungen votiert habe, hätte die Entscheidung des Landesarbeitsamtes Oberösterreich keinesfalls anders ausfallen können und sei die Beschwerdeführerin daher durch die Einzelentscheidung des Vorsitzenden nicht beschwert. Die belangte Behörde habe daher durch die Art ihrer Entscheidungsfindung weder Verfahrensvorschriften verletzt noch leide der angefochtene Bescheid an Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde. Aus näher angeführten Gründen liege aber auch keine inhaltliche Rechtswidrigkeit vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Die relevanten Bestimmungen des § 56 AlVG lauten:

"(1) Gegen Bescheide des Arbeitsamtes in Angelegenheiten des Arbeitslosengeldes ist die Berufung an das Landesarbeitsamt zulässig. Gegen die Entscheidung des Landesarbeitsamtes ist eine weitere Berufung unzulässig.

...

(3) Das Landesarbeitsamt trifft die Entscheidung in einem Unterausschuß des zuständigen Verwaltungsausschusses.

...

(5) Der Unterausschuß besteht aus folgenden drei Mitgliedern:

1.

dem Vorsitzenden,

2.

einem Arbeitnehmervertreter und

3.

einem Arbeitgebervertreter.

(6) Den Vorsitz des Unterausschusses hat der Leiter des Landesarbeitsamtes oder ein von ihm damit betrauter Beamter des Landesarbeitsamtes zu führen.

...

(8) Stimmberechtigt sind die Mitglieder (Stellvertreter) des Unterausschusses. Der Unterausschuß ist beschlußfähig, wenn alle drei Mitglieder anwesend sind. Der Unterausschuß faßt seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen."

Entsprechend diesen Bestimmungen hatte über die Berufung der Beschwerdeführerin das Landesarbeitsamt Oberösterreich nicht monokratisch durch seinen Leiter oder den Vorsitzenden des Unterausschusses des Verwaltungsausschusses, wenn auch nach Anhörung des Unterausschusses, sondern kollegial im Unterausschuß unter Bedachtnahme auf die Beschlußerfordernisse des § 56 Abs. 8 AlVG zu entscheiden. Letzteres ist - entgegen dem Vorbringen der belangten Behörde in der Gegenschrift, sie habe "ihre Entscheidung im Unterausschuß ... getroffen" - nach dem oben wiedergegebenen, eindeutigen Wortlaut des angefochtenen Bescheides nicht erfolgt. Es handelt sich vielmehr, wie die belangte Behörde in einem späteren Teil ihrer Gegenschrift im Widerspruch zur eben wiedergegebenen Wendung einräumt, um eine "Einzelentscheidung" des Vorsitzenden des Unterausschusses. Der angefochtene Bescheid ist daher mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde behaftet. Das wäre im übrigen auch dann der Fall, wenn der angefochtene Bescheid zwar nach seinem Wortlaut intendiert hätte, dem zuständigen Kollegialorgan zugerechnet zu werden, ihm aber - so wie im Beschwerdefall - kein entsprechender Beschluß dieses Organs zugrunde gelegen wäre (vgl. dazu u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Oktober 1982, Zl. 82/08/0043, Slg. Nr. 10846/A).

Dieser Aufhebungstatbestand führt aber - anders als bei jenem der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nach § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG - unabhängig davon zur Aufhebung, ob die zuständige Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Es braucht daher auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen nicht näher eingegangen zu werden. Unrichtig ist daran jedenfalls, daß es zufolge der Bindung des zur Entscheidung berufenen Unterausschusses des beim Landesarbeitsamt Oberösterreich eingerichteten Verwaltungsausschusses an die behaupteten Weisungen des Bundesministers für Arbeit und Soziales (vgl. zur Bindung auch von Kollegialbehörden an Weisungen und zum Spannungsverhältnis dieser Weisungsbindung mit dem Zweck der Einrichtung kollegialer Entscheidungsfindung u.a. Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht2, 320, Adamovich-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 323) "in keinem Fall zu einer anderen Entscheidung gekommen" wäre bzw. die Entscheidung "keinesfalls (hätte) anders ausfallen können", weil die belangte Behörde bei ihren diesbezüglichen Ausführungen zu Unrecht die Weisungsbindung einer Kollegialbehörde im Innenverhältnis mit dem im Bescheid allein zum Ausdruck kommenden Entscheidungswillen dieser Behörde gleichsetzt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Behördenbezeichnung Behördenorganisation Zurechnung von Organhandlungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993080273.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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