TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/8 93/05/0276

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Veröffentlicht am 08.03.1994
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L80003 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Niederösterreich;
L80203 Flächenwidmung Bebauungsplan einzelner Gemeinden
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
BauO NÖ 1976 §120 Abs1;
BauO NÖ 1976;
BauRallg;
BebauungsplanNov Mödling 1983;
B-VG Art139 Abs1;
B-VG Art139 Abs6;
B-VG Art140 Abs6;
B-VG Art144;
B-VG Art18 Abs2;
FlWPlNov Mödling 1983;
ROG NÖ 1976 §19 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der I-Gesellschaft m.b.H. in M, vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der NÖ LReg vom 19. Oktober 1993, Zlen. R/1-V-91032, R/1-V-91032/02, R/1-V-91032/05 und R/1-V-91032/08, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mP: 1. EN in M und 2. RN in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Über Ansuchen der Beschwerdeführerin erteilte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Mödling mit Bescheid vom 3. Oktober 1990 die Baubewilligung zur Errichtung von vier Wohnblöcken mit 37 Wohnungen und 44 Pkw-Stellplätzen (in einem Tiefgeschoß). Die Mitbeteiligten sind Nachbarn an der hinteren Grundstücksgrenze; ihre Einwendungen, u.a. betreffend Bebauungshöhe und Bebauungsdichte, wurden als unbegründet abgewiesen. Ihrer Berufung gegen diesen Bescheid gab der Gemeinderat der Stadtgemeinde Mödling mit Bescheid vom 25. Februar 1991 keine Folge. Die belangte Behörde hob über Vorstellung der Mitbeteiligten den Berufungsbescheid mit Bescheid vom 24. Juli 1991 auf. Sie ging von dem damals geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan aus, wonach dieses Grundstück im "Bauland-Kerngebiet" liege und die Bauklasse III sowie eine Bebauungsdichte von 50 % festgelegt seien. Die Vorstellungsbehörde sah das Ermittlungsverfahren als nicht ausreichend an, um insbesondere die Fragen nach der tatsächlich projektierten Gebäudehöhe und dem hinteren Bauwich beantworten zu können.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Mitbeteiligten Beschwerden sowohl an den Verfassungs- (B 1074/91) als auch an den Verwaltungsgerichtshof. Der Verwaltungsgerichtshof wies die an ihn gerichtete Beschwerde, Zl. 91/05/0188, mit Erkenntnis vom 29. Oktober 1991 als unbegründet ab.

Aufgrund der Aufhebung durch die Aufsichtsbehörde erließ der Gemeinderat der Stadtgemeinde am 9. Juni 1992 einen Ersatzbescheid, mit welchem die Berufung der Mitbeteiligten neuerlich als unbegründet abgewiesen wurde.

Der dagegen von der Erstmitbeteiligten erhobenen Vorstellung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 29. Dezember 1992 Folge, hob den Bescheid des Gemeinderates auf und wies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat zurück. Die Vorstellungsbehörde vertrat die Auffassung, daß durch das Projekt die gemäß Bauklasse III in Verbindung mit § 22 Abs. 6 zweiter Satz zulässige Höhe von 11 m überschritten werde. Außerdem seien als "Erker" bezeichnete Gebäudeteile keine "untergeordneten Bauteile" und müßten daher bei der Berechnung der Bebauungsdichte berücksichtigt werden.

Aufgrund dieser aufhebenden Vorstellungsentscheidung erließ der Gemeinderat am 8. März 1993 einen Ersatzbescheid, mit welchem der Berufung der Erstmitbeteiligten abermals keine Folge gegeben wurde.

Die Erstmitbeteiligte erhob gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 29. Dezember 1992 gleichfalls eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde (B 140/93). Der Verfassungsgerichtshof verband beide Beschwerden und faßte am 13. März 1993 den Beschluß, die Gesetzmäßigkeit der Verordnungen des Gemeinderates der Stadtgemeinde Mödling vom 11. November 1983, betreffend Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, von Amts wegen gemäß Art. 139 Abs. 1 B-VG zu prüfen.

Mit Erkenntnis vom 1. Juli 1993, Zl. V 33-36/93, hob der Verfassungsgerichtshof entsprechend dem Prüfungsbeschluß folgende Verordnungen als gesetzwidrig auf:

"I. Die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Mödling vom 11. November 1983, V/204/83, über die Änderung des Flächenwidmungsplanes der Stadtgemeinde Mödling wird, soweit mit ihr für den in Teilblatt Nr. 30 des Flächenwidmungsplanes der Stadtgemeinde Mödling durch rote Umrandung dargestellte Teil des westlich an die Neusiedlerstraße angrenzenden, im Norden von der Bernhardgasse, im Westen von der Scheffergasse und im Süden von der Ludwig-Höflergasse begrenzten Gebietes die Widmung "Bauland-Kerngebiet" festgelegt wird.

II. Die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Mödling vom 11. November 1983, V/966/84, über die Änderung des Bebauungsplanes der Stadtgemeinde Mödling, soweit mit ihr für den im Teilblatt Nr. 30 des Flächenwidmungsplanes der Stadtgemeinde Mödling durch rote Umrandung dargestellten, als "Bauland-Kerngebiet" gewidmeten Teil des westlich an die Neusiedlerstraße angrenzenden, im Norden von der Bernhardgasse, im Westen von der Scheffergasse und im Süden von der Ludwig-Höfler-Gasse begrenzten Gebietes die Bauklasse III und eine Bebauungsdichte von 50 % festgelegt wird."

Mit Erkenntnis vom 1. Juli 1993 hob der Verfassungsgerichtshof die beiden Bescheide der belangten Behörde vom 24. Juli 1991 und vom 29. Dezember 1992 gemäß Art. 144 B-VG auf und sprach aus, daß die Mitbeteiligten durch den Bescheid der belangten Behörde vom 24. Juli 1991 und die Erstmitbeteiligte durch den Bescheid der belangten Behörde vom 29. Dezember 1992 wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden seien.

Der Ersatzbescheid des Gemeinderates vom 8. März 1993 wurde am 23. März 1993 mit Vorstellung der Erstmitbeteiligten bekämpft. Mit Schriftsatz vom 21. September 1993 erhob der Zweitmitbeteiligte Vorstellung gegen die Bescheide des Gemeinderates der Stadtgemeinde sowohl vom 9. Juni 1992 als auch vom 8. März 1993.

Der angefochtene Bescheid vom 19. Oktober 1993 lautet

auszugsweise wie folgt:

"Die Nö Landesregierung entscheidet nunmehr

a)

neuerlich über die Vorstellung des Herrn RN

und der Frau EN gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Mödling 25. Februar 1991, Zl. V/2096/90, und über die Vorstellung der Frau EN gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Mödling vom 9. Juni 1992, Zl. V/1003/92, sowie

b)

erstmalig über die Vorstellung des Herrn RN gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Mödling vom 9. Juni 1992, Zl. 1003/92, sowie über die Vorstellungen des Herrn RN und der Frau EN gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Mödling vom 8. März 1993, Zl. V/11/93, wie folgt:

SPRUCH

1.

Die Vorstellungen der Frau EN gegen die Bescheide des Gemeinderates der Stadtgemeinde Mödling vom 25. Februar 1991, Zl. V/2096/90, und vom 9. Juni 1992, Zl. V/1003/92, werden als unzulässig zurückgewiesen.

2.

Die Vorstellung des Herrn RN gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadgemeinde Mödling vom 25. Februar 1991, Zl. V/2096/90, wird als unzulässig zurückgewiesen.

3.

Der Vorstellung des Herrn RN gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Mödling vom 9. Juni 1992, Zl. V/1003/92, wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid wird aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Stadtgemeinde Mödling zurückverwiesen.

4.

Der Vorstellung der Frau EN gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Mödling vom 8. März 1993, Zl. V/11/93, wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid wird aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Stadtgemeinde Mödling zurückverwiesen.

5.

Die Vorstellung des Herrn RN gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Mödling vom 8. März 1993, Zl. V/11/93, wird als unzulässig zurückgewiesen."

Die Beschwerdeführerin bekämpft nur die Punkte 3 und 4 des Spruches des angefochtenen Bescheides und macht Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend. Sie werde in ihrem Recht auf Nichtbehebung einer in zweiter Instanz erteilten Baubewilligung verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die Mitbeteiligten eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Einleitend sei ein Absatz aus der Begründung des Verfassungsgerichtshoferkenntnisses vom 1. Juli 1993, betreffend die Bescheidbeschwerden, wiedergegeben:

"Die belangte Behörde wird bei der neuerlichen Entscheidung über die Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Mödling vom 25. Februar 1991 zu berücksichtigen haben, daß dieser Bescheid nicht mehr dem Rechtsbestand angehört, daß vielmehr an seine Stelle der (Ersatz-)Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Mödling vom 9. Juni 1992 getreten ist. Dieser (Ersatz-)Bescheid gehört nach der durch das vorliegende Erkenntnis vorgenommenen Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde vom 29. Dezember 1992, mit dem er in Stattgebung der gegen ihn gerichteten Vorstellung aufgehoben worden war, wieder dem Rechtsbestand an und es wird die belangte Behörde auch über die Vorstellung gegen diesen (Ersatz-)Bescheid neuerlich abzusprechen haben."

Dazu ist nun zu ergänzen, daß gegenüber der Erstmitbeteiligten der Bescheid vom 9. Juni 1992 gleichfalls nicht mehr dem Rechtsbestand angehört, weil er durch den Bescheid vom 8. März 1993 ersetzt wurde. Da der Bescheid vom 8. März 1993 gegenüber der Erstmitbeteiligten den Bescheid vom 9. Juni 1992 ersetzte und dessen Aufhebung durch die Vorstellungsbehörde (mit Bescheid vom 29. Dezember 1992) Beschwerdegegenstand der zu B 140/93 beim Verfassungsgerichtshof anhängig gewesenen Beschwerde war, ist auch gegenüber der Erstmitbeteiligten die im Art. 139 Abs. 6 B-VG normierte Anlaßfallwirkung gegeben.

Die Vorstellungsbehörde hatte somit bei Erlassung des angefochtenen Bescheides von der durch die aufhebenden Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes gegebenen Rechtslage auszugehen, wonach es für die zu bebauende Grundflächen die Widmung "Bauland-Kerngebiet" und ein Bebauungsplan mit der Festlegung "Bauklasse III - Bebauungsdichte 50 %" nicht gebe.

Hinsichtlich der Rechtswirkung der Aufhebung der genannten Verordnungen vertritt die belangte Behörde die Auffassung, daß die vor den aufgehobenen Verordnungen in Kraft befindlichen Bestimmungen (also insbesondere die Bebauungsdichte von 25 %, sowie die Bauklasse II) wieder anzuwenden seien. Sie stützt sich dabei auf das hg. Erkenntnis vom 4. März 1986, Zl. 84/05/0020. Damals erfolgte vom Verwaltungsgerichtshof in Behandlung einer Nachbarbeschwerde betreffend Gebäudehöhe die Anfechtung eines Bebauungsplanes, in dem die Bauklasse III festgelegt worden war. Nach Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof stellte der Verwaltungsgerichtshof fest, daß das Bauvorhaben nunmehr nicht bewilligungsfähig sei, weil die in den Plänen ausgewiesene Gebäudehöhe wohl in der Bauklasse III zulässig gewesen wäre, nicht jedoch nach einem früher geltenden Regulierungsplan als zulässig anzusehen wäre. Aus diesem Erkenntnis kann entgegen der Ansicht der belangten Behörde nur der Schluß gezogen werden, daß aufgrund des Wegfalles der im Bebauungsplan enthaltenen Bestimmung über die Bebauungshöhe das Vorhaben nicht mehr bewilligungsfähig war; ein Rechtssatz, daß nach Aufhebung der Verordnung durch den Verfassungsgerichtshof ein Wiederaufleben einer früheren Verordnung eingetreten sei, ist dem in den Entscheidungsgründen mißverständlichen Erkenntnis aber nicht zu entnehmen.

Die Beschwerdeführerin hält der Auffassung der belangten Behörde entgegen, daß im Falle der Aufhebung einer Verordnungsbestimmung frühere Verordnungsbestimmungen NICHT wieder in Kraft treten würden. Gelte aber für den Bereich des Bauvorhabens weder ein rechtswirksamer Flächenwidmungsplan noch ein Bebauungsplan, wäre die Zulässigkeit des zur Genehmigung beantragten Bauvorhabens der Beschwerdeführerin unter Anwendung der Bestimmung des § 120 Abs. 3 der Nö Bauordnung 1976 zu überprüfen gewesen, wobei sich kein auffallender Wiederspruch des zur Genehmigung beantragten Bauvorhabens zur bestehenden Bebauung herausgestellt hätte.

Die Mitbeteiligten teilen die Auffassung der belangten Behörde; sollte tatsächlich die von der Beschwerdeführerin monierte Rechtsfolge der Verordnungsaufhebung eingetreten sein (kein Wiederaufleben), dann wäre aber nicht § 120 Abs. 3 der Nö Bauordnung 1976 anwendbar. Vielmehr ergäbe sich mangels jeglicher Widmung (weder Bauland-Wohngebiet noch Bauland-Kerngebiet), daß gemäß § 19 Abs. 1, 2 und 4 des Nö Raumordnungsgesetzes 1976 keine Baulandwidmung vorliege und daher die Bebauung der Liegenschaft schlechthin untersagt sei.

Der Verfassungsgerichtshof hatte die hier gegebene Problematik im Erkenntnis vom 10. Juni 1983, VfSlg. 9690, betreffend die anläßlich einer Beschwerde gegen einen Ersatzbescheid, zu erörtern; aus Anlaß der Behandlung des Vorbescheides erfolgte von ihm die Aufhebung von Bestimmungen eines Bebauungsplanes. Im genannten Erkenntnis führte er aus, daß durch die seinerzeit erfolgte Aufhebung eines Bebauungsplanes frühere Verordnungsbestimmungen, insbesondere jener Bebauungsplan, der durch den später aufgehobenen Bebauungsplan abgeändert wurde, nicht wieder in Kraft getreten seien. Dies ergebe sich schon daraus, daß Art. 140 Abs. 6 erster Satz B-VG ausdrücklich vorsehe, daß im Falle der Aufhebung eines Gesetzes die gesetzlichen Bestimmungen wieder in Wirksamkeit treten, die durch das vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erkannte Gesetz aufgehoben worden waren, während Art. 139 B-VG, der die Aufhebung gesetzwidriger Verordnungen durch den Verfassungsgerichtshof regle, eine gleichartige Bestimmung nicht enthalte.

Walter-Mayer (Grundriß des Bundesverfassungsrechtes7, Rz. 1133) haben diese Auffassung gebilligt und ausgeführt, die aufgehobene Verordnung sei zwar nicht mehr anzuwenden, dies besage aber nichts über die Anwendbarkeit früherer Verordnungen; es liege ja eine Aufhebung und nicht eine Nichtigerklärung vor. Auch Aichlreiter (Verordnungsrecht II, 1376) verneint das Wiederaufleben: Befremdlich sei, das durch ein Wiederaufleben herbeigeführte Ergebnis, daß eine bereits außer Kraft getretene Verordnung nur für den Bereinigungsstichtag des Anlaßverfahrens wieder in Kraft trete, vorher und nachher jedoch weiterhin außer Kraft sei. Nach seiner Auffassung sei der Anlaßfall so zu entscheiden, als ob die aufgehobene Verordnung am Bereinigungsstichtag nicht mediatisierend zwischen die am Anlaßfall zu treffende Entscheidung und die in diesem Zeitpunkt in Kraft stehenden Rechtsgrundlagen getreten wäre; diese Rechtsgrundlagen seien die bereinigte Rechtslage, die anzuwenden sei. Darunter fielen nicht nur gesetzliche Regelungen, sondern auch - gegenüber der aufgehobenen - ranghöhere Verordnungen, denen die aufgehobenen Verordnung nicht zu derogieren vermochte.

Im Erkenntnis vom 3. Oktober 1986, VfSlg. 11.024, hat der Verfassungsgerichtshof wohl ein Wiederaufleben angenommen, allerdings, wie hervorgehoben wurde, anläßlich der Aufhebung einer Verordnung, die sich allein in der Außerkraftsetzung einer früheren Verordnung erschöpfte. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die wiedergegebenen Lehrmeinungen und die Auffassung des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 10. Juni 1983, VfSlg. 9690, zumal die im Art. 140 Abs. 6 B-VG verfassungsgesetzlich normierten Folgen der Gesetzesaufhebung für die Verordnungsaufhebung nicht gelten. Dazu kommt, daß gemäß Art. 140 Abs. 6 B-VG frühere Gesetze nur dann wieder aufleben, wenn der Verfassungsgerichtshof nichts Gegenteiliges ausspricht.

Somit kann die Aufhebung einer Verordnung durch den Verfassungsgerichtshof keine Rechtswirkungen auf frühere, durch den Normsetzungsgeber außer Kraft gesetzte Verordnungen entfalten, es sei denn, der Verordnung kommt gegenüber der früheren, an sich weiterbestehenden Verordnung eine bloß ergänzende Bedeutung zu, was hier nicht der Fall ist. Es obliegt allein dem Normsetzer, eine der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes entsprechende Verordnung zu erlassen.

Bei der Schußfolgerung der Beschwerdeführerin, mangels Geltung eines Bebauungsplanes komme § 120 Abs. 3 der Nö Bauordnung 1976 (LGBl. 8.200-9; richtig wohl: § 120 Abs. 3 und 4, LGBl. 8.200-6) zur Anwendung, verkennt sie, daß nicht nur davon keine Rede sein kann, es sei im gegebenen Baulandbereich noch kein Bebauungsplan erlassen worden, noch davon, es läge ein vereinfachter Bebauungsplan vor, der keine Regelung der Anordnung oder der Höhe der Gebäude enthalte, wurde doch der Bebauungsplan nur hinsichtlich gewisser Festlegungen aufgehoben; diese Aufhebung machte den Bebauungsplan aber nicht zu einem vereinfachten Bebauungsplan im Sinne des § 120 (1) Nö BauO 1976.

Eine AUSDRÜCKLICHE gesetzliche Regelung, was rechtens sei, wenn ein Flächenwidmungsplan zur Gänze oder teilweise, bzw. ein Bebauungsplan zur Gänze oder teilweise durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben worden ist, kann weder der Nö Bauordnung 1976 noch dem Nö ROG 1976 entnommen werden. Im Entscheidungszeitpunkt der obersten Gemeindebehörde lag somit keine Widmung als Bauland (und auch nicht als Verkehrfläche) vor, sodaß tatsächlich der Auffangtatbestand des § 19 Abs. 1 ROG eingreifen muß. An Hand dieser Bestimmung dürften die mit den Bescheiden des Gemeinderates vom 9. Juni 1992 und vom 18. März 1993 bestätigten Baubewilligungen nicht erteilt werden.

Die belangte Behörde ging bei Prüfung der Rechtmäßigkeit der Bescheides des Gemeinderates der Stadtgemeinde Mödling vom 9. Juni 1992 und vom 8. März 1993 so vor, als ob bei deren Erlassung die aufgehobenen Festlegungen im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan nicht der Rechtsordnung angehört hätten. Sie sprach aber aus, daß aufgrund des früher in Kraft befindlichen Bebauungsplanes Bauklasse II und eine Bebauungsdichte von 25 % gelte und hob DESHALB die bekämpften Berufungsbescheide des Gemeinderates auf. Die Bindungswirkung dieses tragenden Grundes des Aufhebungsbescheides könnte auch eine Änderung der Rechtslage durch einen neuen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan nicht hintanhalten, weil gemäß § 22 (2) ROG bzw. gemäß § 8 Abs. 3 Nö Bauordnung 1976 anhängige Verfahren durch die Änderung nicht berührt werden.

Allein durch die Begründung, daß die früheren Bestimmungen Anwendung fänden, belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, wehalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Gemäß § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG hat der Beschwerdeführer nur Anspruch auf Ersatz jener Stempelgebühren, die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu entrichten waren.

Schlagworte

Planung Widmung BauRallg3 Verhältnis zu anderen Materien und Normen Gemeinderecht Vorstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993050276.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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