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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §33 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, über die Beschwerde der V in G, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 28. November 1990, Zl. B 213-3/90, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Finanzamt hatte die Berufungsfrist gegen den Einkommensteuerbescheid 1983 bescheidmäßig gemäß § 245 Abs. 3 BAO bis zum 31. Mai 1988 (Dienstag) verlängert. Mit der am 1. Juni 1988 zur Post gegebenen Eingabe beantragte die Beschwerdeführerin die weitere Verlängerung der Berufungsfrist bis zum 31. Dezember 1988. Das Finanzamt sprach mit Bescheid vom 1. Juli 1988 antragsgemäß aus, daß die Berufungsfrist bis zum 31. Dezember 1988 verlängert werde. Aufgrund eines vor Ablauf dieser Frist eingereichten neuerlichen Fristerstreckungsersuchens verlängerte das Finanzamt die Frist bescheidmäßig bis zum 31. Dezember 1989. Ein am 29. Dezember 1989 zur Post gegebenes Ersuchen um Verlängerung der Berufungsfrist bis zum 31. Jänner 1990, vor Ablauf welcher Frist die Berufung in der Folge eingebracht wurde, blieb vom Finanzamt unerledigt.
Nachdem das Finanzamt die Berufung mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet abgewiesen und der Beschwerdeführer die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt hatte, wies die belangte Behörde die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 273 Abs. 1 lit. b BAO als verspätet zurück. Zur Begründung führte sie aus, das Finanzamt habe mit Bescheid vom 29. Oktober 1987 die Rechtsmittelfrist bis zum 31. Mai 1988 erstreckt, die mit 31. Mai 1988 datierte Eingabe, mit welcher die Beschwerdeführerin die weitere Verlängerung der Berufungsfrist begehrt habe, sei jedoch erst am 1. Juni 1988 zur Post gegeben worden. Das Finanzamt habe zwar diese Fristverlängerung mit Bescheid vom 1. Juli 1988 antragsgemäß bewilligt, dieser Bescheid habe jedoch keine Wirkung entfalten können und sei somit ins Leere gegangen. Die Berufungsfrist sei nämlich mit 31. Mai 1988 abgelaufen und habe daher dem Grunde nach nicht mehr erstreckt werden können. Für solche Fälle sehe das Abgabenverfahrensrecht - bei Zutreffen der Voraussetzungen - nur die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 245 Abs. 3 BAO kann die Berufungsfrist aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt, verlängert werden. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Lauf der Berufungsfrist gehemmt. Die Hemmung des Fristenlaufes beginnt nach Abs. 4 dieser Gesetzesstelle mit dem Tag der Einbringung des Antrages und endet mit dem Tag, an dem die Entscheidung über den Antrag dem Antragsteller zugestellt wird. Die Hemmung kann jedoch nicht dazu führen, daß die Berufungsfrist erst nach dem Zeitpunkt, bis zu dem letztmalig jene Verlängerung beantragt wurde, abläuft.
Im gegenständlichen Fall ist nach Ablauf der bis zum 31. Mai 1988 verlängerten Berufungsfrist ein (neuerlicher) Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist eingebracht worden. Ein bereits außerhalb der Rechtsmittelfrist gestellter Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist hat keine hemmende Wirkung im Sinn des § 245 Abs. 3 BAO (vgl. hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1989, 89/14/0047). Das Finanzamt war auch - worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zu Recht verweist - nicht berechtigt, eine bereits abgelaufene Berufungsfrist aufgrund eines Antrages nach § 245 Abs. 3 BAO (neuerlich) zu verlängern. Der Bescheid mit dem diese Verlängerung ausgesprochen wurde, ist daher mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Die belangte Behörde verkannte aber, daß auch fehlerhafte Bescheide Wirksamkeit entfalten. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zu der Berufungsfrist des § 63 Abs. 5 AVG, die gemäß § 33 Abs. 4 AVG nicht erstreckbar ist, ausgesprochen, daß eine Berufung als rechtzeitig eingebracht gilt, wenn sie innerhalb der von der Behörde - unzulässigerweise - verlängerten Berufungsfrist eingebracht ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 1963, 998/62, Slg. 6065/A, zu einem Fall, in dem eine Verlängerung der Berufungsfrist erst nach Ablauf der ursprünglichen Berufungsfrist gewährt wurde). Mit Erkenntnis vom 21. September 1988, 87/13/0222, hat der Verwaltungsgerichtshof zur Berufungsfrist des § 245 BAO ausgesprochen, daß ein Fristverlängerungsbescheid mit der Erlassung und Zustellung wirksam wird und somit die in der Fristverlängerung bestehende rechtsgestaltende Bescheidwirkung eintritt, und zwar auch dann, wenn das Finanzamt die Fristverlängerung zu Unrecht ausgesprochen hat. Es kann keine Rede davon sein, daß der Bescheid eines Finanzamtes, welcher eine bereits abgelaufene Berufungsfrist zu Unrecht verlängert und damit im Ergebnis neu eröffnet, mit derart gravierender inhaltlicher Unrichtigkeit belastet wäre, daß er in den Bereich "absoluter Nichtigkeit" (vgl. Adamovich - Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 269) fiele, steht doch dem Finanzamt eine derartige Entscheidung in einem anderen Verfahren, nämlich bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 ff BAO, zu (vgl. § 310 Abs. 1 BAO).
Auch im gegenständlichen Fall entfaltete daher der rechtswidrige Fristverlängerungsbescheid des Finanzamtes vom 1. Juli 1988 die rechtsgestaltende Wirkung, daß die Berufungsfrist wieder offen war.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die mit 30. Jänner 1990 datierte Berufung der Beschwerdeführerin nicht verspätet eingebracht worden ist. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1991140026.X00Im RIS seit
11.01.2002