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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ASVG §114;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des N in Wien, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landshauptmannes von Wien vom 29. Juli 1991, Zl. MA 14-Z 26/90, betreffend Beitragshaftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15-19, 1101 Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 27. Juni 1990 sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, daß der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Z. Maschinen GmbH gemäß § 67 Abs. 10 ASVG zur Bezahlung rückständiger Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren in der Höhe von S 955.923,14 zuzüglich Verzugszinsen seit 23. Juni 1990 verpflichtet sei. Nach der Bescheidbegründung habe der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der genannten Gesellschaft die für die Monate August und September 1988 fällig gewordenen Löhne und Gehälter zur Gänze entrichtet, während die gleichzeitig fällig gewordenen Sozialversicherungsbeiträge unbeglichen geblieben und damit gegenüber anderen Verbindlichkeiten benachteiligt worden seien. Die Beitragsschuldnerin habe einen gerichtlichen Ausgleich mit einer Quote von 20 % abgeschlossen; es seien daher die über die Ausgleichsquote hinausgehenden Beiträge samt Nebengebühren im Ausmaß von 80 % uneinbringlich.
Der Beschwerdeführer erhob Einspruch, wobei er im wesentlichen vorbrachte, daß die Zahlungsunfähigkeit der Beitragsschuldnerin spätestens Anfang Oktober 1988 eingetreten sei. Löhne und Gehälter hätten für September 1988 noch zeitgerecht bezahlt werden können. Die im Oktober 1988 vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge seien nach Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit vorgeschrieben worden. Die sofortige Bezahlung dieser Beiträge hätte eine Begünstigung der Gebietskrankenkasse bedeutet. Im übrigen sei darauf zu verweisen, daß die Gebietskrankenkasse im Oktober 1988 die Pfändung und Überweisung eines Guthabens der Beitragsschuldnerin bei der Creditanstalt-Bankverein beantragt habe. Diesem Antrag sei mit Beschluß vom 21. Oktober 1988 entsprochen und der gesamte Betrag an die Gebietskrankenkasse bezahlt worden. Die der Beitragsschuldnerin vorgeschriebenen Beiträge seien daher eingebracht. Der Vollständigkeit halber werde auch vorgebracht, daß der vorgeschriebene Betrag der Höhe nach unrichtig sei. Mit Rückstandsausweis vom 17. Oktober 1988 habe die Gebietskrankenkasse lediglich einen Betrag in der Höhe von S 602.002,39 gefordert; dieser Betrag zuzüglich Exekutionskosten sei auch an die Gebietskrankenkasse bezahlt worden.
Mit Schreiben vom 7. September 1990 forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer auf, in der für 25. September 1990 anberaumten mündlichen Verhandlung u.a. Nachweise hiefür vorzulegen, daß im Haftungszeitraum keine Verbindlichkeiten der Gesellschaft mit einem höheren Prozentsatz befriedigt worden seien als die Sozialversicherungsbeiträge.
Mit Schreiben vom 24. September 1990 beantragte der Beschwerdeführer eine Fristerstreckung für die Vorlage der entsprechenden Buchhaltungsunterlagen bis 31. Dezember 1990, da sich sämtliche Unterlagen in der Verwahrung des Masseverwalters befänden und von diesem nicht herausgegeben werden könnten.
Mit einem weiteren Schreiben vom 21. Dezember 1990 ersuchte der Beschwerdeführer neuerlich um eine Fristerstreckung bis 31. März 1991, da sich eine neuerliche Verzögerung der Übergabe der Buchhaltungsunterlagen ergeben habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch keine Folge gegeben und der Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bestätigt. Nach der Begründung sei die Uneinbringlichkeit der Sozialversicherungsbeiträge dadurch nachgewiesen, daß die Konkursgläubiger nach dem am 20. September 1989 abgeschlossenen Zwangsausgleich lediglich eine 20 %ige Quote erhalten hätten. Der Beschwerdeführer habe im Verfahren vor der belangten Behörde einen Nachweis hiefür, daß er die Sozialversicherungsbeiträge im Haftungszeitraum nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten, nicht erbracht, obwohl ihm dafür ausreichend Gelegenheit gegeben worden sei. Auf seine Ausführungen, daß sämtliche fällige Beiträge aufgrund einer Forderungsexekution infolge eines Beschlusses des Exekutionsgerichtes Wien hereingebracht worden seien, sei zu erwidern, daß die exekutiv eingebrachten Beiträge aufgrund einer Anfechtung durch den Masseverwalter wieder an die Konkursmasse hätten zurückgezahlt werden müssen. Eine Zahlung mit schuldbefreiender Wirkung sei daher nicht zustande gekommen. Im übrigen sei darauf hinzuweisen, daß es sich bei der Beitragsschuldnerin um einen sogenannten "Selbstverrechnungsbetrieb" handle, weshalb die Beiträge daher grundsätzlich am letzten Tag des Kalendermonates fällig würden, in den das Ende des Beitragszeitraumes falle. Dadurch, daß im voliegenden Fall z.B. etwa die Löhne für August und September 1988 zur Gänze entrichtet worden seien, die in diesen Monaten fällig gewordenen Sozialversicherungsbeiträge letztlich jedoch nicht mit schuldbefreiender Wirkung beglichen worden seien, habe mangels Nachweis des Gegenteiles eine Ungleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge angenommen werden müssen. Zum Einwand, daß der dem Beschwerdeführer angelastete Betrag unrichtig sei, da die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse im Rückstandsausweis vom 17. Oktober 1988 (aufgrund dessen Exekution geführt worden sei) lediglich einen Betrag in der Höhe von S 602.002,39 gefordert habe, sei festzuhalten, daß die Forderungsexekution die Beitragsabrechnung August 1988 und somit nur einen Teil der dem Beschwerdeführer nunmehr vorgeschriebenen offenen Sozialversicherungsbeiträge betroffen habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften u.a. die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0045, vom 17. Dezember 1991, Zl. 90/08/0052, und vom 20. April 1993, Zl. 92/08/0250) ist die Haftung des Geschäftsführers einer GmbH nach § 67 Abs. 10 ASVG ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer nur dann und deshalb trifft, wenn und weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehende gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen aus dem von ihm verwalteten Gesellschaftsvermögen (aus Gesellschaftsmitteln) schuldhaft (zumindest mit leichter Fahrlässigkeit) verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung - für deren Beurteilung die von der Rechtsprechung zu den §§ 9 und 80 BAO entwickelten Grundsätze herangezogen werden können - kann darin liegen, daß der Geschäftsführer die Beitragsschulden (ohne rechtliche Grundlage) insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt läßt. Gegen die Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Beitragsverbindlichkeiten mit anderen Schulden verstößt der Geschäftsführer auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichten, er aber (zumindest fahrlässig) diese Mittel auch nicht anteilig für die Behandlung aller (im obigen Sinn gleich zu behandelnden) Verbindlichkeiten verwendet und dadurch die Beitragsschulden im Verhältnis zu anderen Verbindlichkeiten schlechter behandelt hat. Seine im Zusammenhang mit der Beitragsentrichtung bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen verletzt - unabhängig vom Gleichbehandlungsgebot - der Geschäftsführer aber auch dann, wenn er entgegen den Bestimmungen der §§ 60 in Verbindung mit § 114 ASVG einbehaltene Beiträge (Dienstnehmeranteile) nicht der Sozialversicherung abführt, weil dieser Bestimmung ein Gebot der Abfuhr tatsächlich einbehaltener Dienstnehmeranteile zugrunde liegt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es auch Sache des Geschäftsführers einer GmbH, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls von der Behörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG angenommen werden darf (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 19. September 1989, Zl. 88/08/0283). Der Umstand, daß die Löhne der vom Beitragsschuldner beschäftigten Dienstnehmer im Haftungszeitraum zur Gänze beglichen wurden, während die gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehenden Beitragsschulden unberichtigt geblieben sind, reicht jedenfalls zur Annahme eines haftungsbegründenden Verschuldens des Vertreters aus (vgl. das Erkenntnis vom 14. Mai 1991, Zl. 90/08/0202).
Auf dem Boden dieser Rechtslage kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie aufgrund der ihr vorliegenden Ermittlungsergebnisse von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Beschwerdeführers ausgegangen ist. Nach seinem Vorbringen im Einspruch gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse trat die Zahlungsunfähigkeit der Beitragsschuldnerin spätestens Anfang Oktober 1988 ein. Löhne und Gehälter seien nach dem Einspruchsvorbringen für September 1988 noch rechtzeitig bezahlt worden. Dies ergibt sich im übrigen auch aus dem Schreiben des Masseverwalters vom 6. Juni 1990 an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse sowie aus den Angaben der von dieser vernommenen Dienstnehmer. Demgegenüber wurden Ende August und Ende September 1988 keine Beitragszahlungen geleistet. Auf ein entsprechendes Ersuchen der belangten Behörde, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die ihm obliegenden Verpflichtungen (zumindest anteilsmäßig) zu erfüllen, hat der Beschwerdeführer zunächst mit einem Antrag auf Fristerstreckung bis 31. Dezember 1990 reagiert. Da die erforderlichen Geschäftsunterlagen bis zu diesem Zeitpunkt nicht zur Verfügung standen, hat der Beschwerdeführer mit einem weiteren Schriftsatz um Fristerstreckung bis 31. März 1991 ersucht. Da der Beschwerdeführer auch innerhalb dieser Frist kein entsprechendes Vorbringen in der Sache erstattete bzw. einen weiteren - begründeten - Fristerstreckungsantrag gestellt hat, handelte die belangte Behörde nicht rechtswidrig, wenn sie davon ausging, daß der Beschwerdeführer den ihm obliegenden Gegenbeweis nicht erbracht hat, und den mit 29. Juli 1991 datierten angefochtenen Bescheid erließ. Der fruchtlose Ablauf einer von einer Partei sich selbst gesetzten Frist zur Vorlage von Beweismitteln hat zur Folge, daß die Behörde ohne weiteres Zuwarten ihre Entscheidung treffen kann. Dafür ist nicht erforderlich, daß dem Fristerstreckungsantrag zunächst ausdrücklich stattgegeben oder ein neuerlicher Auftrag zur Vorlage von Unterlagen bzw. zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme erteilt wird.
Der Beschwerdeführer bringt ferner vor, der vom Landesgericht für Strafsachen Wien bestellte Sachverständige sei in seinem Gutachten zum Ergebnis gelangt, daß die Zahlungsunfähigkeit der Beitragsschuldnerin spätestens am
4. oder 5. September 1988 eingetreten und erkennbar gewesen sei. Der Beschwerdeführer vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, die Bezahlung der nun vorgeschriebenen Beiträge hätte daher eine unzulässige Begünstigung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bedeutet. Daß er die entsprechenden Zahlungen nicht veranlaßt habe, könne ihm nicht als Verschulden angerechnet werden. Bei diesem Vorbringen handelt es sich allerdings um ein erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstattetes Vorbringen, auf das wegen des bestehenden Neuerungsverbotes (§ 41 VwGG) nicht eingegangen werden konnte. Abgesehen davon stünde auch die Annahme der Zahlungsunfähigkeit mit jener der zumindest teilweisen (anteiligen) Zahlungsmöglichkeit an die Gebietskrankenkasse nach Maßgabe der vorhandenen (wenn auch insgesamt unzureichenden) Mittel nicht notwendigerweise in Widerspruch.
Der Beschwerdeführer vertritt auch die Auffassung, durch die im Oktober 1988 beantragte und bewilligte Forderungsexekution sei die gesamte mit Rückstandsausweis geforderte Beitragssumme für August 1988 eingebracht worden, womit eine allfällige Haftung seiner Person gemäß § 67 Abs. 10 ASVG aufgehoben sei. Daß die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den eingebrachten Betrag infolge einer außergerichtlichen Anfechtung durch den Masseverwalter wieder an die Konkursmasse habe zurückzahlen müssen, sei völlig außerhalb seines Einflußbereiches gelegen.
Auch diese Ausführungen sind nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Anders als in dem dem Erkenntnis vom 25. Jänner 1994, Zl. 93/08/0146, zugrundeliegenden Fall ist im Beschwerdefall nämlich eine Verletzung der dem Beschwerdeführer nach den in den sozialversicherungsrechtlichen Gesetzen auferlegten beitragsrechtlichen Verpflichtungen gegenüber der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zur RECHTZEITIGEN und ordnungsgemäßen Entrichtung bereits fälliger Sozialversicherungsbeiträge, auf deren Verletzung die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG allein beruht, zu Lasten der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse gegeben, weil ihre Forderung - im Gegensatz zu den bestehenden Lohnforderungen - vom Beschwerdeführer eben nicht erfüllt worden ist.
Dem Beschwerdeführer kann im übrigen auch nicht gefolgt werden, daß die Höhe des bestehenden Beitragsrückstandes "völlig ungeklärt" sei. Die Höhe des Beitragsrückstandes ist vielmehr bereits dem Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zu entnehmen. Für die in der Beschwerde - völlig begründungslos - aufgestellte Behauptung, daß "Teile" der ihm vorgeschriebenen Beiträge verjährt sind, fehlt jeder Anhaltspunkt.
Die zur Gänze unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Beweismittel UrkundenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1991080133.X00Im RIS seit
11.07.2001