TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/8 93/14/0013

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Veröffentlicht am 08.03.1994
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

FinStrG §114;
FinStrG §82 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 93/14/0068

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden des M in L, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid (Beschwerdeentscheidung) der FLD OÖ als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 27. August 1992, 735/1-2/T-1992, betreffend Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, und gegen den Bescheid des Vorsitzenden des Berufungssenates I bei der FLD OÖ vom 2. November 1992, 735/6-2/T-1992, betreffend Weisung, jeden Wechsel des Aufenthaltsortes anzuzeigen, sowie vorübergehende Abnahme des Reisepasses bis zur rechtskräftigen Beendigung des Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 6.070 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden wurde den Administrativbeschwerden gegen die am 1. Juli 1992 erlassenen Bescheide über die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens und über die Weisung, jeden Wechsel des Aufenthaltsortes anzuzeigen, sowie über die vorübergehende Abnahme des Reisepasses bis zur rechtskräftigen Beendigung des Finanzstrafverfahrens nicht Folge gegeben.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe als faktischer Geschäftsführer der Peep-Show des JM und als Gesellschafter und faktischer Geschäftsführer der W-GmbH, die ebenfalls eine Peep-Show betreibe, (vorsätzlich) als Beitragstäter Abgabenverkürzungen an Umsatz-, Körperschaft-, Einkommen- und Gewerbesteuer sowie an Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe ab dem Jahr 1986 bewirkt. Er habe überdies Gelder dieser Unternehmen selbst vereinnahmt sowie Erlöse aus dem Verkauf von Pornofilmen in der Schweiz erzielt, die er der Abgabenbehörde gegenüber nicht erklärt habe, wodurch er auch als Abgabepflichtiger ab dem Jahr 1986 eine Verkürzung an Einkommensteuer in noch zu bestimmender Höhe bewirkt habe.

Zur Begründung wurde im erstangefochtenen Bescheid ausgeführt, der Beschwerdeführer habe anläßlich einer Einvernahme am 24. April 1992 zugegeben, im Unternehmen des JM mitgearbeitet zu haben, wofür er ein Drittel des Gewinnes erhalten habe. Der Beschwerdeführer sei neben JM an der W-GmbH beteiligt, in der er nach seiner Aussage im Untersuchungsverfahren am 1. Juli 1992 faktischer Geschäftsführer sei. Bei einer am 23. April 1992 in der Wohnung des Beschwerdeführers durchgeführten Hausdurchsuchung seien auch tatsächlich Losungsaufzeichnungen für beide Peep-Shows gefunden worden. Der Beschwerdeführer sei überdies über Sparbücher verfügungsberechtigt gewesen, auf die in den Monaten Februar bis April 1992 bei fast täglichen Einzahlungen von jeweils mehreren tausend Schilling in unrunden Beträgen insgesamt 1,419.805 S geflossen seien.

Auf die Frage, wovon er seit dem Jahr 1986 seinen Lebensunterhalt bestritten habe, habe der Beschwerdeführer ausgeführt, zunächst sei er in der Peep-Show des PS beschäftigt gewesen, später habe er mit "einem S" eine GmbH gegründet, die ebenfalls eine Peep-Show betrieben habe. Die Anteile an dieser GmbH habe er um 200.000 S abgetreten. In der Folge habe er in Italien Pornofilme eingekauft, die er in der Schweiz verkaufe, was er noch immer (April 1992) mache. Mittlerweile habe sein Sohn eine Peep-Show eröffnet. Wegen dessen angespannter finanzieller Lage habe er diese im Jahr 1991 samt den Schulden seines Sohnes übernommen. Ab Anfang des Jahres 1991 habe er für seine Arbeit in der Peep-Show der W-GmbH monatliche Kassenentnahmen zwischen 7.000 S und 15.000 S getätigt. Ende des Jahres 1991 habe er sich mit JM auf eine fixe Anstellung geeinigt und erhalte seither ca 11.000 S netto im Monat.

Im Zug einer abgabenbehördlichen Prüfung im Unternehmen des JM seien beträchtliche Erlösverkürzungen festgestellt worden. Der erklärte Umsatz werde nach der vorläufigen Prognose des Prüfers auf das Drei- bis Vierfache zu erhöhen sein. In der Buchhaltung der W-GmbH seien entgegen den Angaben des Beschwerdeführers nur zwei Kassenentnahmen von je 5.000 S verzeichnet worden. Laut Kassabuch seien Beträge bei einer Bank einbezahlt worden. Auf das entsprechende Bankkonto seien auch Überweisungen von Konten erfolgt, über die der Beschwerdeführer verfügungsberechtigt sei. Bei beiden Unternehmen seien die Gagen der "Tänzerinnen" nicht der Lohnsteuer unterworfen worden.

Der Beschwerdeführer sei erst seit dem Jahr 1991 steuerlich erfaßt. Davor sei er nach seinen Angaben "Privater" gewesen. Es habe daher im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides über die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens der Verdacht bestanden, der Beschwerdeführer habe die ihm vorgeworfenen Finanzvergehen begangen. Da gemäß § 11 FinStrG nicht nur der unmittelbare Täter, sondern jeder ein Finanzvergehen begehe, der sonst zu seiner Ausführung beitrage, sei es nicht wesentlich, ob der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher oder gewerberechtlicher Geschäftsführer der Peep-Shows eingetragen gewesen oder ob ihm eine förmliche Vollmacht für bestimmte Tätigkeiten ausgestellt worden sei. Es genüge bereits, wenn festgestellt werden könne, er habe Kassenentnahmen getätigt und dabei in Kauf genommen, daß diese Beträge nicht mehr buchhalterisch erfaßt werden könnten.

Dem Beschwerdeführer hätte schließlich bekannt sein müssen, daß die Gewinne aus den Verkäufen von Pornofilmen in der Schweiz auf Grund seiner unbeschränkten Steuerpflicht im Inland der Einkommensteuer unterlägen.

Im zweitangefochtenen Bescheid wurde zur Begründung ausgeführt, der Beschwerdeführer verfüge über umfangreiche Auslandskontakte (Ein- und Verkauf von Pornofilmen in Italien bzw der Schweiz; Beteiligung an einer Peep-Show auf Teneriffa) und habe auch angekündigt, ins Ausland reisen zu wollen. Nach seinen Angaben nehme seine Tätigkeit im Ausland für ihn sogar zentrale Bedeutung ein und seien seine wirtschaftlichen Interessen weitgehend im Ausland gelegen. Da der Beschwerdeführer auf Grund des Vorliegens des (vorhin geschilderten) dringenden Tatverdachtes nicht nur mit beträchtlichen Abgabennachzahlungen, sondern auch mit einer schwerwiegenden Bestrafung zu rechnen habe, sei zu befürchten, er werde sich, um dem Finanzstrafverfahren zu entgehen, ins Ausland absetzen. Die Fluchtgefahr habe jedoch durch die Anwendung der in § 88 Abs 1 FinStrG genannten gelinderen Mittel, nämlich der Weisung, jeden Wechsel des Aufenthaltsortes anzuzeigen, sowie der vorübergehenden Abnahme des Reisepasses bis zur rechtskräftigen Beendigung des Finanzstrafverfahrens, abgewendet werden können, weshalb über den Beschwerdeführer keine Untersuchungshaft zu verhängen gewesen sei. Auf die Anwendung der genannten gelinderen Mittel habe jedoch nicht verzichtet werden können.

Gegen diese Bescheide wenden sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerden, in denen im wesentlichen ausgeführt wird, die Finanzstrafbehörde sei mangels eines inländischen Wohnsitzes des Beschwerdeführers nicht berechtigt, ein Finanzstrafverfahren einzuleiten. Es lägen weiters weder genügend Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens vor noch bestehe Fluchtgefahr, weshalb sowohl die Einleitung des Finanzstrafverfahrens als auch die Weisung, jeden Wechsel des Aufenthaltsortes anzuzeigen, sowie die vorübergehende Abnahme des Reisepasses bis zur rechtskräftigen Beendigung des Finanzstrafverfahrens rechtswidrig erfolgt seien.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst an ihn erhobenen Beschwerden mit Beschlüssen vom 16. Dezember 1992, B 1435,1436/92-6, und vom 19. März 1993, B 1856/92-3, ab und trat sie gemäß Art 144 Abs 3 B-VG antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof ab.

Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor und beantragt in ihren Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Behandlung verbundenen Beschwerden erwogen:

Gemäß § 82 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz die ihr gemäß §§ 80 oder 81 leg cit zukommenden Verständigungen und Mitteilungen darauf zu prüfen, ob genügende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind. Das gleiche gilt, wenn sie in anderer Weise, insbesondere aus eigener Wahrnehmung vom Verdacht eines Finanzvergehens Kenntnis erlangt. Die Prüfung ist nach den für die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes im Untersuchungsverfahren geltenden Bestimmungen vorzunehmen. Ergibt sich, daß die Durchführung des Strafverfahrens nicht in die Zuständigkeit des Gerichtes fällt, so hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz das Strafverfahren einzuleiten. Von der Einleitung des Strafverfahrens hat sie unter anderem dann abzusehen, wenn die Tat mangels ausreichender Anhaltspunkte voraussichtlich nicht erwiesen werden kann oder der Verdächtige die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen hat.

Es ist daher zu prüfen, ob die belangte Behörde die auf der Grundlage des § 82 Abs 1 FinStrG sich stellende Rechtsfrage des Vorliegens von genügenden Verdachtsgründen für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens dem Gesetz entsprechend beantwortet hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl beispielsweise das hg Erkenntnis vom 18. Jänner 1994, 93/14/0020, 0060, 0061, mwA), muß im Spruch eines Einleitungsbescheides das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten, das als Finanzvergehen erachtet wird, nur in groben Umrissen beschrieben werden. Die einzelnen Fakten müssen nicht "bestimmt", somit nicht in den für eine Subsumtion relevanten Einzelheiten geschildert werden. In der Begründung des Einleitungsbescheides ist darzulegen, von welchem Sachverhalt die Finanzstrafbehörde ausgegangen ist und welches schuldhafte Verhalten dem Beschuldigten vorgeworfen wird. Der Verdacht muß sich sowohl auf den objektiven als auch auf den subjektiven Tatbestand erstrecken. Für die Einleitung des Finanzstrafverfahrens genügt es somit, wenn gegen den Verdächtigen genügend Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß er als Täter eines Finanzvergehens in Frage kommt. Ein Verdacht kann immer nur auf Grund einer Schlußfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ohne Tatsachen - wie weit sie auch vom (vermuteten) Tatgeschehen entfernt sein mögen - gibt es keinen Verdacht. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen. Verdacht ist mehr als eine bloße Vermutung. Er ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann.

Dem Beschwerdeführer wird zur Last gelegt, einerseits vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht als Beitragstäter Abgaben der Peep-Show des JM sowie der ebenfalls eine Peep-Show betreibenden W-GmbH verkürzt zu haben, anderseits vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eigene Einnahmen und somit Einkommensteuer verkürzt zu haben.

Der erstangefochtene Bescheid spricht nur über die Administrativbeschwerde gegen den Bescheid betreffend Einleitung des Finanzstrafverfahrens ab. Es erübrigte sich daher in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen betreffend die vorübergehende Abnahme des Reisepasses sowie auf die bereffend die im Wohnwagen der Ehegattin des Beschwerdeführers durchgeführte Hausdurchsuchung einzugehen.

Die belangte Behörde ist zunächst zu Recht davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer im Inland einen Wohnsitz hat. Laut Niederschrift vom 24. April 1992 hat der Beschwerdeführer selbst seine Wohnanschrift mit L, F-Straße 26, angegeben. Das Vorliegen eines ausländischen Wohnsitzes wurde im Verwaltungsverfahren nie behauptet. Die regelmäßigen Auslandsaufenthalte ändern am Bestehen des inländischen Wohnsitzes nichts, zumal der Beschwerdeführer in der unter anderem gegen die Einleitung des Finanzstrafverfahrens gerichteten Administrativbeschwerde vom 14. Juli 1992 ausgeführt hat, sich alle zehn bis zwölf Tage für einige Tage in L aufzuhalten. Für das Vorliegen des inländischen Wohnsitzes im maßgebenden Zeitraum spricht schließlich auch die vom Beschwerdeführer geschilderte Tätigkeit für die W-GmbH, die eine regelmäßig wiederkehrende Anwesenheit am Betriebsort erfordert hat. Ob die hauptsächlichen wirtschaftlichen Aktivitäten des Beschwerdeführers im Inland gelegen sind, ist für die Frage des Wohnsitzes nicht relevant.

Für das Vorliegen eines Verdachtes auf eine vorsätzliche Abgabenverkürzung als Beitragstäter ist es entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht erforderlich, daß er Geschäftsführer (im juristischen Sinn) einer der beiden Unternehmen (der Peep-Show des JM oder der ebenfalls eine Peep-Show betreibenden W-GmbH) war, sondern es genügt, wenn er durch sein tatsächliches Verhalten dazu beigetragen hat, Einnahmen und damit in der Folge Abgaben zu verkürzen. Das aber ist unter anderem durch die vom Beschwerdeführer geschilderten Kassenentnahmen bei der W-GmbH geschehen, wodurch er in Kauf genommen hat, daß diese Beträge buchhalterisch nicht erfaßt werden konnten. Der Verdacht der Mitwirkung an der Abgabenverkürzung in der Peep-Show des JM durch den Beschwerdeführer ergab sich vor allem durch den anläßlich einer abgabenbehördlichen Prüfung (vgl die Niederschrift über die Schlußbesprechung vom 30. November 1992) festgestellten Geldfluß zwischen den Konten des Beschwerdeführers und dem betrieblichen Konto des Unternehmens des JM. Bankeinzahlungen laut Kassabuch scheinen in gleicher Höhe auf privaten Konten des Beschwerdeführers auf. Von privaten Konten wurden als jeweilige Tageslosung bezeichnete, jedoch geringere Überweisungen auf das betriebliche Konto durchgeführt.

Auf Vorhalt, woher die fast täglichen Einzahlungen von mehreren tausend Schilling in unrunden Beträgen stammen (in der Zeit von Februar bis April 1992 waren es insgesamt 1,419.805 S), gab der Beschwerdeführer laut Niederschrift vom 6. Mai 1992 an, er habe für den geplanten Kauf eines Lokals einen Kredit benötigt. Er sei der Ansicht gewesen, diesen eher zu erhalten, wenn er auf seinen Konten entsprechende Geldbewegungen nachweisen könne. Er habe daher mehrere Sparbücher eröffnet und einen Grundbetrag aus seinen Ersparnissen eingezahlt. Um regelmäßige Kontenbewegungen nachweisen zu können, habe er in der Folge laufend Beträge von einem Konto behoben und auf ein anderes wieder eingezahlt. Um Tageslosungen aus den Peep-Shows der beiden genannten Unternehmen handle es sich bei diesen Einzahlungen jedenfalls nicht.

Diese Einwendungen waren nicht geeignet, den Verdacht der belangten Behörde auf eine vorsätzliche Abgabenverkürzung sogleich wieder zu zerstreuen, zumal die Sparbücher des Beschwerdeführers anonym waren, wodurch der von ihm behauptete Zweck dieser Transaktionen, ohnedies vereitelt worden wäre.

Bei der Prüfung, ob tatsächlich genügend Verdachtsgründe im Sinn des § 82 Abs 1 FinStrG für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind, geht es nicht darum - wie der Beschwerdeführer meint - schon die Ergebnisse des förmlichen Finanzstrafverfahrens vorweg zu nehmen, sondern lediglich darum, ob die bisher der Finanzstrafbehörde zugekommenen Mitteilungen unter Berücksichtigung der von ihr durchgeführten Vorerhebungen für einen Verdacht ausreichen. Ob der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegten Finanzvergehen tatsächlich begangen hat, ist jedenfalls dem Ergebnis des Untersuchungsverfahrens nach den §§ 114 f FinStrG vorbehalten (vgl das bereits erwähnte hg Erkenntnis vom 18. Jänner 1994).

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage war es für die rechtmäßige Einleitung des Finanzstrafverfahrens nicht mehr relevant, ob der Beschwerdeführer gegenüber "einem S" aus der Veräußerung von Anteilen an einer GmbH einen Betrag zu fordern berechtigt ist.

Gemäß § 86 Abs 1 FinStrG kann die Finanzstrafbehörde die Untersuchungshaft unter anderem wegen Fluchtgefahr verhängen.

Nach § 88 Abs 1 FinStrG darf die Untersuchungshaft nicht verhängt werden, wenn die Haftzwecke durch Anwendung eines oder mehrerer gelinderer Mittel erreicht werden können. Derartig gelindere Mittel sind unter anderem die Weisung, jeden Wechsel des Aufenthaltsortes anzuzeigen sowie die vorübergehende Abnahme der Reisepapiere. Die Anwendung gelinderer Mittel ist aufzuheben, sobald ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.

Es ist daher zu prüfen, ob die belangte Behörde die auf der Grundlage des § 86 Abs 1 in Verbindung mit § 88 Abs 1 FinStrG sich stellende Rechtsfrage, eine mögliche Flucht hintanzuhalten, dem Gesetz entsprechend beantwortet hat.

Die belangte Behörde ging davon aus, es sei zu befürchten, der Beschwerdeführer werde sich, um dem Finanzstrafverfahren zu entgehen, ins Ausland absetzen (Fluchtgefahr).

Der zweitangefochtene Bescheid spricht nur über die Administrativbeschwerde gegen den Bescheid betreffend Weisung, jeden Wechsel des Aufenthaltsortes anzuzeigen sowie vorübergehende Abnahme des Reisepasses bis zur rechtskräftigen Beendigung des Finanzstrafverfahrens ab. Es erübrigte sich daher auf die Ausführungen betreffend die im Wohnwagen der Ehegattin des Beschwerdeführers durchgeführte Hausdurchsuchung, auf die betreffend das Verfahren der Peep-Show des JM sowie auf die betreffend die nach § 89 Abs 1 FinStrG erfolgte Beschlagnahme des Reisepasses als Beweismittel einzugehen. Zum letzten wird allerdings bemerkt, daß der Reisepaß keineswegs beschlagnahmt, sondern nur vorübergehend abgenommen worden ist.

Auf Grund der wirtschaftlichen Aktivitäten des Beschwerdeführers im Ausland und der damit verbundenen regelmäßigen Auslandsaufenthalte war die Gefahr, der Beschwerdeführer werde wegen der Größe der ihm mutmaßlich bevorstehenden Strafe ins Ausland flüchten, nicht von der Hand zu weisen. Hat doch der Beschwerdeführer überdies laut Niederschrift vom 1. Juli 1992 - somit nach Einleitung des Finanzstrafverfahrens - angekündigt, wieder ins Ausland reisen zu wollen.

Bei dieser Sachlage kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie in Anbetracht der bestehenden Fluchtgefahr zwar keine Untersuchungshaft verhängt, jedoch von den gelinderen Mitteln, nämlich der Weisung, jeden Wechsel des Aufenthaltsortes anzuzeigen sowie der vorläufigen Abnahme des Reisepasses bis zur rechtskräftigen Beendigung des Finanzstrafverfahrens, Gebrauch gemacht hat. Hiebei durfte sie noch in Rechnung stellen, daß die wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers nach seinen Angaben im Ausland lägen und es daher für ihn ein leichtes sein könnte, sich im Ausland eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen.

Der Einwand des Beschwerdeführers, Fluchtgefahr bestehe schon deshalb nicht, weil er über einen polizeilichen Personalausweis verfüge, mit dem er jederzeit das Bundesgebiet verlassen könne und es bisher dennoch nicht getan habe, stellt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung im Sinn des § 41 VwGG dar. Abgesehen davon behauptet der Beschwerdeführer - im Gegensatz zu seinem Vorbringen betreffend Nichtvorliegens einer Fluchtgefahr - in der Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid, im Inland keinen Wohnsitz zu haben, zur Zeit jedoch gezwungen zu sein, sich in Österreich aufzuhalten, weil sein Reisepaß rechtswidrig beschlagnahmt worden sei und ihm die Ausfolgung desselben verweigert werde.

Der Beschwerdeführer zeigt somit nicht auf, warum die zu Recht angenommene Fluchtgefahr nicht zumindest bis zur rechtskräftigen Beendigung des Finanzstrafverfahrens bestehen sollte. Auch der Verwaltungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, weswegen nicht bis auf weiteres Fluchtgefahr bestehen sollte. Die Aufrechterhaltung der Weisung, jeden Wechsel des Aufenthaltsortes anzuzeigen, sowie die vorübergehende Abnahme des Reisepasses bis zur Beendigung des Finanzstrafverfahrens entsprechen daher dem Gesetz.

Mit bloßen Hinweisen auf verfahrensrechtliche Bestimmungen in beiden Beschwerden wird keine Verletzung von Verfahrensvorschriften dargetan. Eine derartige Verletzung ist auch vom Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar.

Die Beschwerden erweisen sich somit insgesamt als unbegründet und waren daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993140013.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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