Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des U in W, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Juli 1993, Zl. 4.324.953/3-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, der am 27. Juli 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 9. Jänner 1992, mit dem festgestellt worden war, bei ihm lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 7. Juli 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Nach den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist, habe er bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien am 23. Dezember 1991 angegeben, sein Vater sei Inhaber eines Betriebes und gleichzeitig (christlicher) Priester gewesen. In der kirchlichen Organisation in Bauchi State habe dieser die Funktion des Sekretärs innegehabt. Nach einem Treffen kirchlicher Geschäftsträger am 15. März 1991 habe sein Vater seine Mitgliedschaft zurücklegen wollen, weil er von den Leuten abgelehnt worden sei. Bei einem weiteren Treffen am 28. März 1991 sei es unter den Mitgliedern zu kämpferischen Auseinandersetzungen gekommen, wobei sein Vater getötet worden sei. Der Beschwerdeführer habe, weil die Polizei gegen die Mörder seines Vaters keinerlei Maßnahmen gesetzt habe, mit einigen Gleichgesinnten den Sohn des Widersachers seines Vaters "gekidnappt". Letzterer habe daraufhin den Beschwerdeführer bei der Polizei angezeigt, die ihn daraufhin am 2. April 1991 verhaftet habe. Dem Beschwerdeführer sei es mit Hilfe eines befreundeten Polizisten gelungen zu entkommen. Er habe sich dann in Lagos im Untergrund aufgehalten und sei am 16. April 1991 von dort nach Bukarest geflogen.
In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides kritisiert und auf seine erstinstanzlichen Angaben verwiesen.
Die belangte Behörde hat der Berufung des Beschwerdeführers zunächst deshalb keine Folge gegeben, weil es sich bei den Vorgängen, bei denen sein Vater getötet worden sei, lediglich um eine "Eskalation von organisationsinternen Meinungsverschiedenheiten" und nicht um konkrete, gegen den Beschwerdeführer gerichtete, von staatlichen Stellen ausgehende oder von diesen geduldete Verfolgung gehandelt habe. Auf Grund der unwidersprochen gebliebenen Darstellung des Vorbringens des Beschwerdeführers ist diese Beurteilung des Sachverhaltes durch die belangte Behörde nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Die Verhaftung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde darauf zurückgeführt, daß er im Verdacht gestanden sei, an strafrechtlich zu ahndenden Handlungen beteiligt gewesen zu sein. Auch dieser Argumentation der belangten Behörde ist beizupflichten, weil die vom Beschwerdeführer selbst zugestandene Teilnahme an der Entführung des Sohnes des Widersachers seines Vaters durchaus der allgemeinen Kriminalität zuzurechnen ist, und diese Tat nicht in einem derartigen Naheverhältnis zu einer politischen Tätigkeit oder politischen Meinung bzw. religiösen Gesinnung steht, welches es rechtfertigen würde, die wegen dieser Tat drohende Strafverfolgung als Verfolgung wegen politischer oder religiöser Gesinnung (oder aus einem der anderen in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 angeführten Gründe) anzusehen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1992, Zl. 92/01/0086). Der Beschwerdeführer wäre daher - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - gehalten gewesen, sich dem gegen ihn erhobenen Vorwurf der von ihm gar nicht bestrittenen Teilnahme an der Entführungsaktion einem ordentlichen Gerichtsverfahren zu stellen.
Soweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, die belangte Behörde sei nicht berechtigt gewesen, vom Beschwerdeführer die Glaubhaftmachung (offenbar des Vorliegens seiner Flüchtlingseigenschaft) zu verlangen, sondern sie habe "selbst darüber abzusprechen gehabt, ob es glaubhaft ist, daß der Beschwerdeführer Flüchtling ist", ist ihm entgegenzuhalten, daß es Aufgabe des Asylwerbers ist, alles vorzubringen, was für das Vorliegen seiner Flüchtlingeigenschaft spricht. Die Beurteilung der Frage, ob dieses Vorbringen glaubhaft ist und ob daraus die Flüchtlingseigenschaft abgeleiteet werden kann, ist alleinige Aufgabe der Asylbehörden, der diese im Beschwerdefall auch nachgekommen sind. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang der belangten Behörde vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) im Vorbringen des Beschwerdeführer vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde, da ein offenkundiger Mangel des Ermittlungsverfahren der Behörde erster Instanz nicht hervorgekommen ist, nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen.
Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres n und somit auch ohne Durchführung der beantragten Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994190593.X00Im RIS seit
20.11.2000