TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/10 94/19/0198

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Veröffentlicht am 10.03.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des S in G, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. August 1993, Zl. 4.270.878/2-III/13/89, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Iran; er reiste am 26. Dezember 1988 in das Bundesgebiet ein und stellte am 27. Dezember 1988 den Antrag, ihm Asyl zu gewähren. Anläßlich seiner Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 7. Jänner 1989 gab der Beschwerdeführer im wesentlichen an, daß er im Iran keiner politischen Partei, jedoch der armenischen Minderheit und der gregorianischen Religionsgemeinschaft angehört habe. Wenn er im Iran eine Familie hätte gründen wollen, hätte er nicht die Möglichkeit gehabt, seine Kinder im christlichen Glauben zu erziehen. Im Frühjahr 1988 sei wegen eines Deliktes, das von einem der Nachbarn begangen worden sei, auch beim Beschwerdeführer bzw. dessen Eltern eine Hausdurchsuchung durchgeführt worden. Dabei seien sein Vater und er von den Revolutionswächtern zusammengeschlagen worden, wobei der Beschwerdeführer keinerlei sichtbare Verletzungen erlitten habe.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 13. März 1989 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) sei.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer ergänzend aus, daß die Armenier durch das Regime Khomeinis im Iran viele Schwierigkeiten bekommen hätten; so hätten sie nicht die armenische Sprache studieren dürfen und statt der "armenischen" Religion den Koran lernen müssen. Alle armenischen Lehrer seien entlassen worden. Der Beschwerdeführer sei Mitglied der armenischen Partei "Daschnak" gewesen. Diese Partei habe jedes Jahr am 24. April zur Erinnerung an den Tag demonstriert, an dem 1,5 Mio Armenier durch Türken getötet worden seien. Auch am 24. April 1988 habe eine Demonstration stattgefunden, an der der Beschwerdeführer teilgenommen habe; er habe von dieser Demonstration Fotos aufgenommen. Die Demonstration sei durch Pasdaran mit Gewalt gestört worden. Acht weitere Fotografen und der Beschwerdeführer hätten sich in der Kirche versteckt, seien jedoch von den Pasdaran entdeckt und verhaftet worden. Nach fünf Tagen Haft sei der Beschwerdeführer durch Vermittlung seiner Kirche unter der Bedingung freigelassen worden, daß er nie wieder Demonstrationen fotografiere. Auch in der Folge sei die Familie des Beschwerdeführers und er selbst immer wieder von Pasdaran verhört und gefoltert worden, wobei Grund der Folterungen die regelmäßigen Besuche des Beschwerdeführers "in unserer Kirche und unserem Stadion" gewesen seien. Die "Agenten" seien jeden Tag in das Haus gekommen und hätten Fotoapparat, Filme sowie Fotos gefordert. Wenn sich der Beschwerdeführer dem unerlaubten Eintritt widersetzt habe, sei er beschimpft und geschlagen worden. Um sich vor den Soldaten zu retten, habe er den Iran verlassen müssen.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 4. August 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei allein die Zugehörigkeit zu einer bestimmten religiösen Minderheit noch kein Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Damit eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung angenommen werden könne, müßten die Zustände im Heimatland des Asylwerbers auch aus objektiver Sicht betrachtet so sein, daß ein weiterer Verbleib des Asylwerbers dort unerträglich sei. Vom Bestehen des islamisch-fundamentalistischen Regimes im Iran würden alle Bürger ebenso wie der Beschwerdeführer betroffen, sodaß daraus kein Fluchtgrund abgeleitet werden könne. Die Mißhandlungen am Vater des Beschwerdeführers seien keine Nachteile, die den Asylwerber selbst betreffen würden. Auch müsse davon ausgegangen werden, daß die iranischen Behörden kein besonderes Interesse an der Person des Beschwerdeführers gezeigt hätten, da dieser mit Wissen und Erlaubnis der iranischen Behörden ausgereist sei und ihm auch ein Reisepaß ausgestellt worden sei. Den Angaben des Beschwerdeführers könne - unter Einschluß derjenigen im Berufungsverfahren - nicht Glauben geschenkt werden, da die Verfassung der islamischen Republik Iran u.a. den armenischen Christen wie auch anderen christlichen Minderheiten Religionsfreiheit und auch eine Vertretung im Parlament zusichere.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Über diese hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt der Beschwerdeführer vor, daß die belangte Behörde seine Angaben im erstinstanzlichen Verfahren nicht jenen im Berufungsvorbringen hätte gegenüberstellen dürfen, ohne ihm Gelegenheit zu geben, zu den vermeintlichen Widersprüchen eine Stellungnahme abzugeben.

Es kann nun dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer damit zutreffend einen Verfahrensmangel aufzeigt, da dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen kann; Voraussetzung für die Relevanz einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften ist die Möglichkeit, daß die belangte Behörde bei Vermeidung des Verfahrensfehlers zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Dies trifft aber im Beschwerdefall nicht zu. Nach den Angaben des Beschwerdeführers anläßlich seiner Ersteinvernahme von denen die belangte Behörde - die gemäß § 25 Abs. 2 erster Satz AsylG 1991 auf das bei ihr anhängige Verfahren die Bestimmungen dieses Gesetzes anzuwenden hatte - gemäß § 20 Abs. 1 des zitierten Gesetzes auszugehen hatte, befindet sich die belangte Behörde im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung im Einklang mit der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach allgemeine Benachteiligungen auf Grund der Religionszugehörigkeit nur dann als konkrete, gegen den Asylwerber gerichtete Verfolgungshandlungen gewertet werden können, wenn sie dessen Lebensgrundlage massiv bedrohen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1993, Zlen. 92/01/0924, 0925, 0926 sowie das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 1989, Zl. 89/01/0161). Eine massive Bedrohung der Lebensgrundlage kann den Angaben des Beschwerdeführers jedoch nicht entnommen werden.

Abgesehen von den Angaben über die Möglichkeit einer christlichen Kindererziehung in einer vom unverheirateten Beschwerdeführer allenfalls eingegangenen Ehe, die bloßen Vermutungscharakter haben, hat der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren weiter kein asylrechtlich relevantes Vorbringen erstattet. Er hat allein von Übergriffen anläßlich einer Hausdurchsuchung berichtet, wobei die Hausdurchsuchung jedoch nach den Angaben des Beschwerdeführers selbst im Rahmen der Verfolgung eines Deliktes eines Nachbarn durchgeführt worden sei.

Soweit der Beschwerdeführer in seiner Berufung weitere Angaben gemacht hat, ist er auf § 20 AsylG 1991 zu verweisen, dessen Absatz zwei normiert, daß der Bundesminister eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens nur anzuordnen hat, wenn dieses OFFENKUNDIG mangelhaft war, der Asylwerber Bescheinigungsmittel vorlegt, die im Verfahren erster Instanz nicht zugänglich waren oder wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung erster Instanz zugrundegelegt wurde, in der Zwischenzeit geändert hat. Der Beschwerdeführer hat jedoch nie behauptet, daß einer dieser Gründe für eine Ergänzung oder Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens vorgelegen sei; ein solcher Grund ist auch nach den Akten des Verwaltungsverfahrens nicht erkennbar. Der belangten Behörde ist daher, wenn sie bei ihrer Entscheidung vom Ergebnis des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 ausgegangen ist, in diesem Punkt kein wesentlicher Verfahrensfehler unterlaufen.

Die belangte Behörde hat daher im Ergebnis zutreffend das Vorliegen von Asylgründen im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 verneint, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr.104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994190198.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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