TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/10 94/19/0806

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Veröffentlicht am 10.03.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. August 1993, Zl. 4.331.686/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der damit vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. August 1993 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin, einer iranischen Staatsangehörigen assyrischer Abstammung und orthodoxen Glaubensbekenntnisses, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 9. März 1992, mit dem festgestellt worden war, bei ihr lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vor, abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides hat die Beschwerdeführerin bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 17. Februar 1992 angegeben, sie habe weder einer Partei noch einer anderen politischen Organisation angehört, sei jedoch Angehörgige der assyrischen Minderheit und orthodoxen Glaubensbekenntnisses. Dadurch hätte sie in ihrem Heimatland als Mensch dritter Klasse gegolten. Beim Einkaufen habe sie sich stets als letzte anstellen müssen und nur nehmen dürfen, was die Moslems ihr ausgehändigt hätten. Bei den Moslems gelte sie als unrein und schmutzig; ihre Religion habe sie nur ausüben können, wenn sie in Kauf genommen habe, von Revolutionswächtern beschimpft, gedemütigt und kontrolliert zu werden. Da ihre Tochter bereits vor etwa fünf Jahren nach Amerika ausgereist sei, habe sie sich entschlossen, zu ihrer Tochter zu fahren. In Begleitung ihres Ehegatten sei sie mit dem Flugzeug von Teheran nach Istanbul gereist und von dort mit Hilfe eines Fluchthelfers nach Österreich gelangt.

In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe die Beschwerdeführerin lediglich ausgeführt, sie habe ihre Heimat aus politischen und religiösen Gründen verlassen und ersuche um neuerliche Überprüfung ihres Asylantrages; falls erforderlich, werde sie ihre bereits angeführten Gründe noch einmal ausführen.

Die belangte Behörde hat das Vorliegen von Gründen im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991 (übereinstimmend mit Artikel 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) unter Hinweis auf die im Iran herrschende verfassungsrechtliche Situation, derzufolge insbesondere die assyrischen und chalädonischen Christen zusammen einen und die armenischen Christen im Süden und Norden des Landes je einen Abgeordneten ins Parlament wählen könnten, zunächst deshalb verneint, weil die Beeinträchtigungen, denen assyrische Christen wegen ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt seien, nicht die Intensität einer asylrechtlich beachtlichen Verfolgung erreichten. Diese Auffassung der belangten Behörde trifft im Beschwerdefall zu, weil die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Benachteiligungen (allgemeine Geringschätzung durch die Bevölkerung, längeres Wartenmüssen bei Einkäufen und ähnlichem) nicht eine derartige Intensität erreichten, daß deshalb ein weiterer Aufenthalt der Beschwerdeführerin in ihrem Heimatland als unerträglich anzusehen wäre (vgl. z.B. auch hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 1993, Zl. 93/01/0872). Soweit in der Beschwerde die allgemeine Lage der assyrisch-christlichen Minderheit im Iran ins Treffen geführt wird, macht die Beschwerdeführerin damit keine konkret gegen sie selbst gerichtete Verfolgung geltend. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt es aber bei der Beurteilung des Vorliegens von Fluchtgründen immer auf die konkrete Situation des jeweiligen Asylwerbers an, was bedeutet, daß konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und auch glaubhaft gemacht werden müssen, aus denen die in § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl. auch hg. Erkenntnisse 20. Jänner 1993, Zl. 92/01/0745 und vom 26. November 1993, Zl. 93/01/0730). Den Angaben der Beschwerdeführerin läßt sich aber nicht entnehmen, daß sie Verfolgungshandlungen durch staatliche Behörden ihres Heimatlandes ausgesetzt gewesen sei, die auf ihre politische Gesinnung oder einen anderen Grund des § 1 Z. 1 AsylG 1991 zurückzuführen gewesen wäre. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist auch die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit allein nicht geeignet, begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 glaubhaft zu machen (vgl. auch hg. Erkenntnisse vom 25. November 1992, Zl. 92/01/0719 und vom 16. Dezember 1993, Zl. 93/01/1024). Insoweit die Beschwerdeführerin Verfahrensverletzungen durch mangelhafte Ermittlungstätigkeit geltend macht, ist sie auf § 20 Abs. 1 AsylG 1991, welches Gesetz die belangte Behörde gemäß § 25 Abs. 2 leg. cit. bereits anzuwenden hatte, zu verweisen, demzufolge diese - außer es lägen die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 vor, was die Beschwerdeführerin auch in ihrer Beschwerde nicht behauptet - ihrer Entscheidung da Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrundezulegen hat. Das dieses "offenkundig" mangelhaft gewesen sei, hat die Beschwerdeführerin aber in ihrer Berufung nicht geltend gemacht. Der Umfang der Ermittlungspflicht der Asylbehörden wird zwar durch § 16 Abs. 1 AsylG 1991 bestimmt, diese Vorschrift bedeutet jedoch nicht, daß dadurch über den Rahmen der Vorschriften der §§ 37 und 39 Abs. 2 AVG hinausgehende Ermittlungspflichten begründet würden. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, daß die Behörden im Rahmen ihrer Ermittlungspflicht allenfalls vorhandene Zweifel über den Inhalt und die Bedeutung des Vorbringens des Asylwerbers durch entsprechende Erhebungen, insbesondere ergänzende Befragung zu beseitigen haben, wenn und nur unter dieser Voraussetzung das Vorbringen eines Asylwerbers einen hinreichend deutlichen Hinweis auf einen Sachverhalt enthält, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991 in Betracht kommt. Hinweise im dargelegten Sinne fehlten jedoch im Beschwerdefall völlig; die belangte Behörde war daher auf Grundlage der Angaben der Beschwerdeführerin nicht zu weiteren Ermittlungen verhalten. Die im § 16 Abs. 1 AsylG 1991 normierte Pflicht der Behörde geht nämlich nicht soweit, daß diese Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht - auch nicht andeutungsweise - behauptet hat, ermitteln müßte (vgl. auch hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0800 bis 0803).

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994190806.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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