Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §14 Abs2;Betreff
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Spruch
Der Antragstellerin A in L wird hiemit die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der in der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Jänner 1994, VH 93/14/0008-2, gesetzten Frist zur Verbesserung ihres Antrages um Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 15. Oktober 1993, Zl. 85/3-5/Ae-1993, betreffend Jahresausgleich für das Kalenderjahr 1990, durch Vorlage eines Vermögensbekenntnisses, bewilligt.
Hiedurch tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.
Begründung
Die Antragstellerin hatte in der Verbesserungsfrist das Formular über das Vermögensbekenntnis zwar ausgefüllt, aber ohne Unterfertigung (Unterschrift) vorgelegt. Der Antrag um Bewilligung der Verfahrenshilfe wurde daraufhin mit Beschluß vom 24. Jänner 1994, VH 93/14/0008-4, zurückgewiesen, weil ohne Unterschrift kein Vermögensbekenntnis im Sinne des Gesetzes vorliegt. Dieser Beschluß wurde der Antragstellerin am 17. Februar 1994 zugestellt.
In ihrem am 23. Februar 1994 zur Post gegebenen Antrag um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der erwähnten Verbesserungsfrist, mit dem die Antragstellerin ein unterfertigtes Vermögensbekenntnis vorlegt, bringt sie vor, sie habe erst durch die Zustellung des Beschlusses vom 24. Jänner 1994 Kenntnis davon erlangt, daß das ausgefüllte Formular über das Vermögensbekenntnis von ihr nicht unterschrieben worden war. Die Unterfertigung sei nicht vorsätzlich unterblieben, sondern irrtümlich und ungewollt. Innerhalb der Verbesserungsfrist von einer Woche habe sich die Antragstellerin noch die zum Bekenntnis gehörigen Bestätigungen besorgen müssen, als alleinerziehende Mutter ihres Kleinkindes, das zum betreffenden Zeitpunkt erhöhtes Fieber gehabt habe, sei sie überfordert gewesen, weshalb sie die Unterfertigung des von ihr ausgefüllten Formulars übersehen habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag erwogen:
Die Gerichtsbesetzungsvorschriften finden sich in den §§ 11 bis 14 VwGG. Nach diesen trifft gemäß § 14 Abs. 2 VwGG Entscheidungen und Verfügungen, die sich nur auf die Verfahrenshilfe beziehen, der Berichter ohne Senatsbeschluß. Schon wegen der Stellung im System des Gesetzes kann daher - entgegen dem hg. Beschluß vom 15. Oktober 1976, 2267, 2268/76, VwSlg. 9153 A/1976 - § 46 Abs. 4 VwGG nicht als Vorschrift über die Gerichtsbesetzung verstanden werden. Diese Bestimmung sagt daher lediglich, daß nicht nach mündlicher Verhandlung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entscheiden ist. Das Wort "Sitzung" bezieht sich daher nur auf jene Fälle, in denen nicht durch den Einzelrichter über den Antrag zu entscheiden ist. Die qualifizierte Gerichtsbesetzung durch einen Senat nur für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, nicht aber für die Erledigung der Hauptsache (Verfahrenshilfe) vorzusehen, stellte einen Wertungswiderspruch dar, der dem Gesetzgeber ohne deutlichen Hinweis nicht unterstellt werden darf. Einen solchen gibt aus dem genannten Grund auch § 46 Abs. 4 VwGG nicht.
Über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer sich nur auf die Bewilligung der Verfahrenshilfe beziehenden Frist hat der Verwaltungsgerichtshof daher gemäß § 14 Abs. 2 VwGG durch den Berichter als Einzelrichter zu entscheiden.
Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser gemäß § 46 Abs. 1 VwGG auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Der Antrag ist gemäß § 46 Abs. 3 VwGG beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
Durch das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag ist glaubhaft gemacht, daß die Antragstellerin die Unterfertigung des ausgefüllten Formulars über das Vermögensbekenntnis nicht vorsätzlich, sondern aus den von ihr als Mißgeschick bezeichneten Gründen unterlassen hat und sie hierauf erst durch die Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses aufmerksam gemacht wurde.
Die Antragsfrist des § 46 Abs. 3 VwGG ist gewahrt, weil das Hindernis - das Vergessen der Unterschriftsleistung - erst mit 17. Februar 1994 weggefallen ist. Mit dem Antrag hat die Antragstellerin auch bereits die versäumte Handlung im Sinne des § 46 Abs. 3 letzter Satz VwGG nachgeholt.
Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Antragstellerin unter Zeitdruck stand, ihr Kind, für das sie allein zu sorgen hatte, im maßgeblichen Zeitpunkt erhöhtes Fieber aufwies, stellt das Vergessen der Unterfertigung ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar, dem auch nur ein minderer Grad des Versehens zugrunde liegt, weil eine derartige Unachtsamkeit auch sonst sorgfältigen Menschen in vergleichbaren Situationen einmal unterlaufen kann.
Der Antrag war daher mit den sich aus § 46 Abs. 5 VwGG ergebenden, im Spruch wiedergegebenen Rechtsfolgen zu bewilligen.
Gemäß § 33 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 62 Abs. 1 VwGG können grundsätzlich durch Gesetz oder Verordnung festgesetzte Fristen nicht geändert werden. Die Beschwerdefrist ist in § 26 VwGG und damit in einem Gesetz festgesetzt. Eine Ausnahme von der Regel des § 33 Abs. 4 AVG besteht für sie nicht. Das Gesetz kennt daher keine Erstreckung der Beschwerdefrist durch das Gericht. Das im Wiedereinsetzungsantrag gestellte Begehren, die Beschwerdefrist "auf 6 Wochen nach Zustellung des Bescheides über die Wiederaufnahme zu verlängern" ist daher unzulässig. Er hat auch seinerseits keinen Einfluß auf den Lauf der Beschwerdefrist. Die Antragstellerin wird aber hiemit auf § 26 Abs. 3 VwGG hingewiesen, der folgenden Wortlaut hat:
"Hat die Partei innerhalb der Frist zur Erhebung der Beschwerde die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt (§ 61), so beginnt für sie die Frist zur Erhebung der Beschwerde mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes an diesen. Der Bescheid ist durch den Verwaltungsgerichtshof zuzustellen. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen, so beginnt die Frist zur Erhebung der Beschwerde mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei."
Daraus ergibt sich, daß sowohl für den Fall der Bewilligung der Verfahrenshilfe, als auch für den Fall der Abweisung des Verfahrenshilfeantrages (nicht für den Fall seiner Zurückweisung) - unter der Voraussetzung seiner rechtzeitigen Erhebung - ab Erlassung der jeweiligen Entscheidung noch die volle Beschwerdefrist schon kraft Gesetzes zur Verfügung steht.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:VH1994140003.V00Im RIS seit
20.11.2000