Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. August 1993, Zl. 4.317.001/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aufgrund der Beschwerde und der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. August 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines vietnamesischen Staatsangehörigen, der am 15. Mai 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 4. Juni 1991, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigeschaft abgewiesen. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Nach den unbestritten gebliebenen Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides habe der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 29. Mai 1991 im wesentlichen angegeben, seine Großeltern seien nach der kommunistischen Machtübernahme in Vietnam enteignet, zum Tode verurteilt und hingerichtet worden. Als Nachkomme seiner Großeltern habe er keinerlei Rechte gehabt. In Vietnam gebe es keine Freiheit und es könne das kommunistische Regime auch nicht öffentlich kritisiert werden. Im Jahre 1989 hätte der Beschwerdeführer eine Ausreise- und Arbeitsbewilligung für die Tschechoslowakei bekommen. Bereits zu diesem Zeitpunkt habe er den Entschluß gefaßt, von der Tschechoslowakei aus in ein freies Land zu flüchten. Am 28. April 1991 sei seine Arbeitsbewilligung vorzeitig beendet worden. Am 3. Mai 1991 sei ihm zur Vorbereitung seiner Abschiebung nach Vietnam sein Reisepaß abgenommen worden. Von ehemals in der Tschechoslowakei arbeitenden Landsleuten, die nach Vietnam zurückgekehrt wären und mit dem Beschwerdeführer in Briefkontakt gestanden seien, habe er erfahren, daß Heimkehrer einer "politischen Umschulung" unterzogen würden. Heimkehrer wären in ihrer Heimat auch nicht mehr "richtig integriert" worden und hätten auch keinen Arbeitsplatz mehr bekommen. Aus diesen Gründen und aus Angst vor etwaigen Repressalien wolle der Beschwerdeführer nicht mehr nach Vietnam zurückkehren. Da er jedoch in der Tschechoslowakei keinen Arbeitsplatz mehr gehabt habe und auch von der tschechischen Bevölkerung immer mehr "rassistisch" diskriminiert worden sei, habe er sich zur Flucht nach Österreich entschlossen.
In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer die formularmäßige Erledigung kritisiert und sein erstinstanzliches Vorbringen im wesentlichen dahin ergänzt, er müsse aufgrund seiner Familiengeschichte und seiner Flucht nach Österreich "zumindest mit einer Freiheitsstrafe, wenn nicht mit Ärgerem" rechnen.
Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung im wesentlichen damit begründet, daß das durchgeführte Ermittlungsverfahren nicht ergeben habe, daß der Beschwerdeführer "Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes" sei. Die gegen seine Großeltern gesetzten Verfolgungsmaßnahmen lägen zum einen in zeitlicher Hinsicht soweit zurück, daß sie asylrechtlich nicht mehr beachtlich wären und beträfen den Beschwerdeführer zum anderen nicht unmittelbar. Der Umstand, daß es in Vietnam keine Freiheit gebe und das Regime nicht öffentlich kritisiert werden dürfe, sei gleichfalls kein Umstand, der dem Beschwerdeführer Flüchtlingseigenschaft verschaffen könne. Auch die Befürchtung, im Falle der Rückkehr nach Vietnam nicht mehr "richtig integriert" zu werden und keinen Arbeitsplatz zu bekommen, würde die Anerkennung als Flüchtling nicht rechtfertigen. Gleiches gelte für die vorgebrachte "rassistische Diskriminierung" durch die tschechische Bevölkerung sowie für die Furcht des Beschwerdeführers, bei seiner Rückkehr nach Vietnam wegen Übertretung paß- und fremdenpolizeilicher oder sonstiger, den Aufenthalt im Ausland regelnder Vorschriften bestraft zu werden.
Dem hält der Beschwerdeführer im wesentlichen entgegen, die Enteignung und Hinrichtung seiner Großeltern sei zwar zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus Vietnam schon "einige Zeit" zurückgelegen, wäre aber dennoch für seine Ausreise bestimmend gewesen. In Vietnam seien alle Mitglieder einer Familie, die aus politischen Gründen verfolgt werde, ohne Rechte und hätten mit Repressalien zu rechnen. Der Beschwerdeführer habe sich daher in durchaus begründeter Angst vor politischen Übergriffen befunden und habe, indem er sich um die Arbeitserlaubnis für die "damalige CSFR" bemüht habe, die einzige sich ihm bietende Gelegenheit wahrgenommen, um aus Vietnam zu flüchten. Unter anderen politischen Voraussetzungen, d.h. ohne Grund zur Angst, hätte er weder seine Familie noch sein Heimatland verlassen. Müßte er nach Vietnam zurückkehren, so hätte er in verstärktem Maße mit Repressalien zu rechnen.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun:
Voraussetzung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des - im vorliegenden Fall anzuwendenden - § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 ist die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden. Bloß subjektiv empfundene Furcht vor Verfolgung genügt nicht; es müssen vielmehr (allenfalls drohende) Maßnahmen dargetan werden, die sowohl aus objektiver Sicht, als auch unter dem Gesichtspunkt der Schwere des Eingriffes einen weiteren Verbleib im Heimatland unerträglich erscheinen lassen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1993, Zl. 92/01/1057), wobei nur konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlungen in Betracht kommen, nicht aber Maßnahmen, die gegen seine Angehörigen gesetzt werden (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0821).
Gemessen an dieser Rechtslage kann der belangten Behörde zunächst nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die gegen die Großeltern des Beschwerdeführers, nicht aber unmittelbar gegen diesen gerichteten Verfolgungshandlungen nicht als Verfolgung des Beschwerdeführers im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 gewertet hat. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Ablehnung des in seinem Heimatland herrschenden Regimes hat die belangte Behörde ebenfalls zu Recht nicht als Umstand angesehen, aus dem auf individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers aus in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Gründen bzw. auf begründete Furcht vor Verfolgung geschlossen werden könnte. Die innere Abneigung eines Asylwerbers gegen ein herrschendes System oder gegen die allgemein herrschenden politischen Verhältnisse ist nämlich nicht geeignet, Furcht vor Verfolgung objektiv zu begründen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. November 1993, Zl. 93/01/0868). Daß der Beschwerdeführer aber seine Abneigung gegen das Regime in einer der Öffentlichkeit zugänglichen Weise zum Ausdruck gebracht hätte, hat er ebensowenig behauptet wie (allenfalls drohende) konkrete Maßnahmen, denen er aus einem der in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Gründe ausgesetzt gewesen wäre und die ihm einen Aufenthalt in seinem Heimatland unerträglich gemacht hätten. Auch mit der über bloße Vermutungen nicht hinausgehenden Befürchtung, sich nach einer Rückkehr nach Vietnam einer "politischen Umschulung" unterziehen und Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche sowie in der sozialen Integration gewärtigen zu müssen, macht der Beschwerdeführer wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 nicht geltend. Zu Recht hat die belangte Behörde auch die "rassistische Diskriminierung" durch die tschechische Bevölkerung nicht als Asylgrund gewertet, da die Furcht vor Verfolgung in einem Land, das nicht das Heimatland ist, dadurch abgewendet werden kann, daß der Schutz des Heimatlandes in Anspruch genommen wird (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1994, Zl. 93/01/0069).
Da weder dem Berufungs- noch dem Beschwerdevorbringen entnommen werden kann, daß eine offenkundige Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens vorliegt, (die übrigen Gründe des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 kommen im vorliegenden Fall von vorneherein nicht in Betracht), hatte die belangte Behörde ihrer Entscheidung gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen. Da der Beschwerdeführer die Befürchtung, im Falle seiner Rückkehr nach Vietnam wegen seiner Flucht nach Österreich mit Freiheitsstrafe, "wenn nicht mit Ärgerem" rechnen zu müssen, erst in der Berufung vorgebracht hat, wäre die belangte Behörde nicht gehalten gewesen, auf dieses Vorbringen einzugehen. Daß sie sich trotzdem damit auseinandergesetzt hat, belastet den angefochtenen Bescheid aber nicht mit Rechtswidrigkeit, wobei zu bemerken ist, daß die von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang vertretene Auffassung der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entspricht (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 26. November 1993, Zl. 93/01/0868).
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren - und damit auch ohne Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung - in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche EntscheidungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994190784.X00Im RIS seit
20.11.2000