TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/14 92/10/0129

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Veröffentlicht am 14.03.1994
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Index

10/10 Grundrechte;
19/05 Menschenrechte;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

ABGB §364 Abs1;
AVG §8;
LMG 1975 §20;
LMG 1975 §22 Abs1;
MRKZP 01te Art1;
StGG Art5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde 1. des W und

2. der L-Gesellschaft m.b.H., beide in S, beide vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom 30. April 1992, Zl. 31.940/11-III/B/12a/91, betreffend Parteistellung in einem Verfahren nach den §§ 20, 22 LMG 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem gegenüber der L-Gesellschaft m.b.H. in S erlassenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 4. Oktober 1990 wurden gemäß § 22 Abs. 1 LMG 1975 zur Verhinderung einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen im Bäckereibetrieb der Gesellschaft verschiedene Vorkehrungen und Maßnahmen verfügt. Punkt 2. der Vorschreibungen lautet:

"Sämtliche nicht mehr in Betrieb befindlichen Maschinenteile, Geräte udgl. sind aus der Betriebshalle zu entfernen."

Begründend wurde dargelegt, die Vorschreibungen seien zur Beseitigung der bei einer Überprüfung vorgefundenen krassen hygienischen Mängel erforderlich.

Mit Eingabe vom 13. Jänner 1991 beantragte der Erstbeschwerdeführer "für mich sowie gegebenenfalls wenn zweckdienlich für die L-Gesellschaft m.b.H." bezüglich jenes Teiles des erwähnten Bescheides, der die Entfernung von Maschinenteilen, Geräten udgl. aus der Betriebshalle vorschreibt, Parteistellung und Zustellung des Bescheides "bzw. wenn dies nicht mehr möglich sein sollte, Wiederaufnahme des Verfahrens". Er führte aus, die auf Grund des Bescheides vom 4. Oktober 1990 von der Gesellschaft "zur Entfernung und eventuell sogar zur Verschrottung geplante Industrieanlage" (Formenentlade- und Entdeckelungsanlage) sei seit 1983 Eigentum der L-Gesellschaft m.b.H., deren Geschäftsführer er sei. Ebenfalls seit 1983 sei er selbst "Nutzungsberechtigter" der Betriebsanlage; er habe diese seit September 1983 an die Gesellschaft verpachtet.

Mit Bescheid vom 11. April 1993 sprach der Landeshauptmann aus, daß dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 8 AVG in Verbindung mit den §§ 20 und 22 LMG 1975 die Parteistellung im Verfahren nach dem LMG 1975 betreffend die L-Gesellschaft m.b.H. nicht zuerkannt werde. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens werde als verspätet zurückgewiesen. Begründend wurde dargelegt, § 20 LMG 1975 richte sich ausschließlich an jene Personen, die Lebensmittel, Verzehrprodukte oder andere Zusatzstoffe in Verkehr bringen. Der bekämpfte Bescheid beziehe sich ausschließlich auf die Vermeidung einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen in lebensmittelhygienischer Sicht. Die Antragsteller seien nicht Adressat des Bescheides, da sie nicht selbst Brot erzeugten und in den Verkehr brächten. Der Wiederaufnahmsantrag vom 13. Jänner 1991 sei verspätet, da die Antragsteller - wie sich aus einem Schriftsatz des Erstbeschwerdeführers ergebe - bereits am 14. Dezember 1990 vom angeblichen Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hätten.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachten die Beschwerdeführer vor, die "Ablehnung der Parteistellung" sei im Hinblick auf die aus dem Pachtvertrag vom 7. September 1983 resultierenden Rechte und Pflichten zu Unrecht erfolgt. Der Wiederaufnahmsantrag sei nicht verspätet eingebracht worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage vertrat die belangte Behörde begründend die Auffassung, § 20 LMG beziehe sich ausschließlich auf die Vermeidung einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen in lebensmittelhygienischer Sicht. Die Vorschrift richte sich ausschließlich an jene Personen, die Lebensmittel, Verzehrprodukte oder andere Zusatzstoffe in Verkehr brächten. Andere Interessen lägen außerhalb des normativen Gehaltes der Vorschrift; die Frage des Eigentums bzw. des Nutzungsrechtes an bestimmten Geräten sei daher nicht zu prüfen gewesen. Den Beschwerdeführern käme daher nicht Parteistellung zu. Die Zurückweisung des Wiederaufnahmsantrages entspreche schon deshalb dem Gesetz, weil nur einer Partei des abgeschlossenen Verfahrens das Recht zukäme, die Wiederaufnahme zu beantragen.

Die vorliegende Beschwerde richtet sich - wie aus dem Beschwerdepunkt, wonach sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Parteistellung gemäß § 8 AVG verletzt erachtet, folgt - nur gegen jenen Teil des angefochtenen Bescheides, mit dem die Parteistellung der Beschwerdeführer verneint wurde. Der Ausspruch betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens wird nicht wirksam bekämpft; die in einem nach Ablauf der Beschwerdefrist vom Erstbeschwerdeführer erstatteten Schriftsatz enthaltenen Darlegungen zur Frage der Versäumung der Wiederaufnahmsfrist sind durch den Beschwerdepunkt nicht gedeckt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde vertritt die Auffassung, den Beschwerdeführern käme als Eigentümer bzw. Verpächter jener Gegenstände, deren Entfernung verfügt worden sei, Parteistellung im Verfahren nach den §§ 20, 22 LMG 1975 zu.

Gemäß § 8 AVG kommt Parteistellung demjenigen zu, der an der Sache zufolge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Frage, wer in einem konkreten Verwaltungsverfahren die Rechtsstellung einer Partei besitzt, nicht anhand des AVG allein gelöst werden; sie muß vielmehr auf Grund der im jeweiligen Fall anzuwendenden Verwaltungsvorschrift beantwortet werden. Der Rechtsanspruch oder das rechtliche Interesse im Sinne des § 8 AVG kann sohin nur aus der Wirksamkeit erschlossen werden, den die den Einzelfall regelnde materiell-rechtliche Norm auf den interessierten Personenkreis entfaltet, es sei denn, daß der Gesetzgeber die Parteistellung autoritativ bestimmt.

Die Parteistellung in einer Verwaltungsangelegenheit bestimmt sich demnach nach dem normativen Gehalt der in der Rechtssache anzuwendenden Vorschriften. Hiefür kommen in der Hauptsache Normen des materiellen Verwaltungsrechtes, aber auch Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechtes in Betracht. Schließlich kann die Parteistellung auch gegeben sein, wenn die durch die Sache berührte Rechtssphäre die privatrechtliche ist. Maßgebend ist, daß die Sachentscheidung in die Rechtssphäre des Betreffenden bestimmend eingreift und weiters, daß darin eine unmittelbare und nicht bloß abgeleitete und mittelbare Wirkung zum Ausdruck kommt (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Juni 1981, Slg. 10494/A; Mannlicher-Quell, Das Verwaltungsverfahren I8 § 8 AVG, Anm. 2).

Die in Rede stehenden, gegenüber der L-Gesellschaft m.b.H. ergangenen Vorschreibungen beruhen auf den §§ 20 und 22 LMG 1975.

Nach § 20 LMG 1975 hat, wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe in Verkehr bringt, vorzusorgen, daß sie nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt werden, soweit das nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar ist.

Nach § 22 Abs. 1 LMG 1975 hat der Landeshauptmann, soweit eine nachteilige Beeinflussung von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen in hygienischer Hinsicht durch Außerachtlassung der im § 20 gebotenen Sorgfalt zu besorgen ist, auch wenn Bestimmungen im Sinne des § 21 nicht erlassen sind, Maßnahmen und Vorkehrungen im Einzelfall mit Bescheid zu verfügen.

Gestützt auf diese Vorschriften wurde der L-Gesellschaft m.b.H. aufgetragen, (u.a.) die in Rede stehende Toastbrotanlage aus der Betriebshalle zu entfernen. Dieses Gebot bezweckte ausschließlich, die Einhaltung der Hygienevorschriften durch denjenigen, der Lebensmittel in Verkehr bringt, zu gewährleisten. In Anbetracht der für die Erlassung des Gebotes allein maßgebenden öffentlichen Interessen - jene der Sicherheit des Verkehrs mit Lebensmitteln - begründet weder das Eigentum noch eine sonstige privatrechtliche Beziehung zu Gegenständen, auf die sich nach den §§ 20 und 22 LMG 1975 erlassene Anordnungen beziehen, eine Position, in der ein Rechtsanspruch oder rechtliches Interesse am Unterbleiben der betreffenden Anordnung bestünde. Aus dem angefochtenen Bescheid sind nur dem Bescheidadressaten, nicht aber Dritten Verpflichtungen entstanden; insbesondere wird dem Beschwerdeführer dadurch auch keine Duldungsverpflichtung auferlegt. Allfällige Auswirkungen auf die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen dem Bescheidadressaten und Dritten sind bloß abgeleitete, mittelbare Wirkungen. Den Beschwerdeführern, die sich insoweit ausschließlich auf das Eigentum bzw. eine nicht näher konkretisierte "Nutzungsberechtigung" an bestimmten Gegenständen sowie (in der Beschwerde) auf die Stellung als Verpächter des Unternehmens berufen haben, kam im vorliegenden, auf den §§ 20 und 22 LMG 1975 beruhenden Verfahren somit keine Parteistellung zu. Die geltend gemachte Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt daher nicht vor.

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992100129.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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