TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/16 93/01/0724

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Veröffentlicht am 16.03.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 93/01/0725

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerden

1. des L und 2. der M, beide vertreten durch Dr. E, RA in W, gegen die Bescheide des BMI jeweils vom 2. Juni 1993, Zl. 4.295.774/2-III/13/90 und Zl. 4.295.625/2-III/13/90, beide betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Beide Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheiden der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. Juli 1990 wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführer - rumänische Staatsangehörige, die am 27. Dezember 1989 in das Bundesgebiet eingereist sind und am darauffolgenden Tag Asylanträge gestellt haben - nicht Flüchtlinge im Sinne des Asylgesetzes (1968) seien. Die dagegen erhobenen Berufungen der Beschwerdeführer wurden jeweils mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. Juni 1993 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, vom jeweiligen Beschwerdeführer in Ansehung des ihn betreffenden Bescheides erhobenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges - erwogen hat:

Der Erstbeschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 9. März 1990 hinsichtlich seiner Fluchtgründe angegeben, daß er im September 1989, als er bei seiner Freundin (seiner nunmehrigen Gattin, der Zweitbeschwerdeführerin) zu Besuch gewesen sei, gemeinsam mit anderen Personen ungarischer Abstammung ungarische Lieder gesungen habe, woraufhin auch er von der Miliz festgenommen worden sei. Beim anschließenden Verhör durch die Securitate sei er geschlagen worden, jedoch habe er keine Verletzungen erlitten. Man habe ihn zwei Tage in Haft behalten. Nach seiner Entlassung sei er nach Satu Mare gebracht und dort, als er sich gemeldet habe, von der Securitate ebenfalls geschlagen worden. Danach sei bei ihm eine Hausdurchsuchung vorgenommen worden, wobei verschiedene ungarische Zeitschriften und Bücher sowie ein Adressbuch beschlagnahmt worden seien. Er sei in der Folge unter der Kontrolle der Securitate gestanden und habe sich täglich melden und eine sogenannte Anwesenheitsliste unterschreiben müssen. Sonstige Probleme mit den Behörden oder wegen seiner ungarischen Volkszugehörigkeit habe er nie gehabt.

Die Zweitbeschwerdeführerin, die gleichfalls am 9. März 1990 niederschriftlich vernommen wurde, hat das Verlassen ihres Heimatlandes damit begründet, daß ihr schon während ihrer Schulzeit und auch schon später am Arbeitsplatz verboten worden sei, ungarisch zu sprechen, und sie seitens der Bevölkerung wegen ihrer ungarischen Herkunft laufend diskrimiert worden sei. Anläßlich ihrer Geburtstagsfeier im September 1989 habe sie mit Freunden ungarische Lieder gesungen, und es seien in der Folge alle Beteiligten festgenommen worden. Sie sei einen Tag festgehalten und beim Verhör "von den Securitate-Leuten" zugeschlagen, jedoch nicht verletzt worden. Nach ihrer Entlassung seien bei ihr eine Hausdurchsuchung vorgenommen und dabei verschiedene ungarische Bücher und Musikkassetten beschlagnahmt worden. Nachher habe sie sich täglich bei der Securitate melden und dort eine Anwesenheitsliste unterschreiben müssen, wodurch sie gezwungen gewesen sei, in ihrer Ortschaft zu bleiben. Da sie unter diesen Voraussetzungen nicht mehr in Rumänien habe leben wollen, habe sie sich entschlossen, zusammen mit ihrem Freund (dem jetzigen Erstbeschwerdeführer) zu flüchten, um in einem freien Land leben zu können. Von seiten ihres Arbeitgebers sei ihr auch verboten worden, in die Kirche zu gehen, und sie habe an Sonntagen immer an ihrem Arbeitsplatz erscheinen müssen.

Diese Angaben stellten jeweils das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz dar, das die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ihrer Entscheidung zugrunde zu legen hatte, es sei denn, daß einer der im § 20 Abs. 2 leg. cit. angeführten Fälle vorgelegen wäre, aufgrund dessen die belangte Behörde eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen gehabt hätte. Die Beschwerdeführer haben zwar in ihren Berufungen Mängel bei ihrer (jeweils unter Beiziehung eines Dolmetsch der rumänischen Sprache durchgeführten) Vernehmung geltend gemacht, die aber an Hand der betreffenden Niederschriften nicht aktenkundig sind und im übrigen in ihren Beschwerden nicht mehr gerügt werden. Wenn die Beschwerdeführer der belangten Behörde zum Vorwurf machen, sie hätte die Vornahme weiterer Ermittlungen, insbesondere hinsichtlich der Situation der ungarischen Minderheit in Siebenbürgen, veranlassen müssen, so übersehen sie, daß eine dahingehende Verpflichtung nur dann bestanden hätte, wenn die erstinstanzlichen Angaben einen deutlichen Hinweis auf eine den Beschwerdeführern in ihrem Heimatland drohende asylrechtlich relevante Verfolgung enthalten hätten, wovon jedoch im Hinblick auf den von ihnen bei ihrer Vernehmung geschilderten, konkret sie betreffenden Sachverhalt keine Rede sein kann. Es muß daher auch davon ausgegangen werden, daß die Ermittlungsverfahren erster Instanz nicht im Sinne der zuletzt genannten Gesetzesstelle offenkundig mangelhaft waren, weshalb die belangte Behörde auf das ergänzende Berufungsvorbringen nicht hätte Bedacht nehmen dürfen. Dadurch, daß sie dessen ungeachtet auch darauf eingegangen ist, wurden die Beschwerdeführer nicht in ihren Rechten verletzt. Die Beschwerdeausführungen sind überdies insofern verfehlt, als der von den Beschwerdeführern zusätzlich behauptete Sachverhalt, der sich über das Berufungsvorbringen hinaus auf die allgemeine Lage der ungarischen Minderheit in Rumänien bezieht, gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt.

Auf dem Boden dieser Sachverhaltsgrundlage ist für den Standpunkt der Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Die Beschwerdeführer waren zwar aufgrund ihrer (durch ihr Verhalten zum Ausdruck gebrachten) Nationalität Verfolgungsmaßnahmen in ihrem Heimatstaat ausgesetzt, die aber - soweit sie von der Intensität des Eingriffes her in diesem Zusammenhang von Bedeutung sein könnten - nicht bis zu ihrer Ausreise angedauert haben. Anhaltend waren lediglich die (aufrechterhaltene) Beschlagnahme diverser Gegenstände und die (ihnen im Rahmen ihrer Kontrolle auferlegte) tägliche Meldepflicht, die aber keine solchen Eingriffe darstellten, daß aus objektiver Sicht gesagt werden müßte, daß der Verbleib in ihrem Heimatland für die Beschwerdeführer unerträglich gewesen wäre. Auf letzteres bezogen kann dies schon deshalb nicht angenommen werden, weil die Beschwerdeführer nicht dargetan haben, daß es sich hiebei nicht um eine bloß vorübergehende Maßnahme gehandelt habe. Ein Anhaltspunkt dafür, daß die Beschwerdeführer dann, wenn und solange sie dieser Meldepflicht entsprochen hätten, bzw. nach deren Wegfall darüber hinausgehende Maßnahmen, insbesondere eine neuerliche Anhaltung und Mißhandlung, zu befürchten gehabt hätten, besteht nicht. Schließlich reichen auch die zusätzlich von der Zweitbeschwerdeführerin behaupteten Beschränkungen bei ihrer Religionsausübung für die Bejahung der Flüchtlingseigenschaft nicht aus (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/01/0285, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Da sich somit beide Beschwerden als unbegründet erweisen, waren sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993010724.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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