Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde der S in U, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Jänner 1993, Zl. 4.327.463/3-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der "früheren SFRJ", hat den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 6. Februar 1992, mit welchem festgestellt worden war, bei ihr lägen die Voraussetzungen für ihre Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 7. Jänner 1993 wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und versagte die Gewährung von Asyl.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichthof erwogen hat:
Die Beschwerdeführerin gab bei ihrer am 20. November 1991 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich erfolgten niederschriftlichen Befragung an, sie stamme aus Mostar und gehöre der römisch-katholischen Kirche an. Sie gehöre in ihrer Heimat keiner politischen oder militärischen Organisation an und habe ihre Religion auch frei ausüben dürfen. Die derzeitige Lage in ihrer Heimat und vor allem in Dubrovnik, wo sie vor ihrer Ausreise gelebt habe, sei der Grund, warum sie ihre Heimat verlassen habe. Der Bürgerkrieg sei vollkommen sinnlos. Es werde nur alles zerstört. Für den Fall der Beruhigung der Lage in ihrer Heimat würde sie wiederum nach Hause gehen. Über ihre Fluchtroute befragt, gab die Beschwerdeführerin an, am 30. September 1991 allein mit dem Zug von Dubrovnik nach Mostar zu ihren Eltern gefahren zu sein, wobei ihr Ehemann mit dem gemeinsamen Kind in Dubrovnik verblieben sei. Am nächsten Tag sei der Bürgerkrieg ausgebrochen und sie habe nicht mehr nach Dubrovnik zurückfahren können. Ihrem Gatten sei es jedoch gelungen, am 18. Oktober 1991 mit einem Fährschiff nach Split zu fahren und sie - noch am selben Tag - mit einem Rotkreuzwagen von Mostar abzuholen. Danach seien sie noch zwei Tage lang in einem Rotkreuzlager in Split geblieben und dann mit dem Zug nach Rijeka zu Verwandten gefahren. Dort hätten sie sich einige Zeit lang aufgehalten. In der Zwischenzeit seien Bekannte von ihr aus Deutschland gekommen und hätten sie in die BRD mitnehmen wollen. Am 14. November 1991 seien sie dann in Rijeka losgefahren und hätten legal noch am selben Tag mit dem PKW die Grenze nach Österreich bei Rosenbach überschritten. Sie hätten auch in Österreich übernachtet. Danach seien sie zur österreichisch-deutschen Grenze weitergefahren, wo man jedoch ihren Gatten nicht habe einreisen lassen, weshalb sie mit ihm und dem Sohn in Österreich zurückgeblieben sei. In der gegen den abweislichen erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, sie sei seit 1986 mit einem Syrer verheiratet und habe mit ihm in Jugoslawien in einer Ortschaft, 12 km von Dubrovnik entfernt, gewohnt. Beide hätten in Dubrovnik studiert. Am 1. Oktober 1991 habe der Bürgerkrieg begonnen, sodaß sie zunächst 9 Tage in einem Bunker hätte verbringen müssen, um nicht durch die serbischen Angriffe getötet zu werden. Danach seien sie in die Stadt (Dubrovnik) geflüchtet und hätten sich dort im Hotel "Liberdas" 10 Tage lang aufgehalten, wobei weder Wasser noch Strom vorhanden gewesen seien. Danach sei sie gemeinsam mit Mann und Kind mit einem Schiff nach Split geflohen und von dort aus nach Mostar zu ihren Eltern weitergereist. In Mostar seien sie in weiterer Folge ungefähr drei Wochen geblieben, wobei jedoch in unmittelbarer Nähe dieser Stadt jeden Tag schwere Kämpfe zwischen Serben und Kroaten stattgefunden hätten und sie dort auch ihres Lebens nicht mehr sicher gewesen seien. Nach drei Wochen seien sie wiederum nach Split und von dort mit dem Bus nach Rijeka zurückgekehrt. Unterwegs seien sie immer wieder bombardiert worden, sie seien nur durch großes Glück dem Tode oder zumindest einer schweren Verletzung entgangen. In Rijeka hätten sie mit deutschen Freunden nach Deutschland reisen wollen, die Reise bis nach Österreich und durch Österreich sei problemlos verlaufen, jedoch sei ihr Ehegatte am 15. November 1991 in Salzburg an der deutsch-österreichischen Grenze zurückgewiesen worden, weil er als Syrer kein Visum in seinem Paß eingetragen gehabt habe. Dies wäre nur bei der Botschaft in Belgrad möglich gewesen, was aber von vornherein chancenlos gewesen sei, weil die Serben prinzipiell gegen die Syrer eingestellt seien, da sie annähmen, die Syrer würden gemeinsam mit den Kroaten im Bürgerkrieg gegen die Serben kämpfen. Überdies laufe ihr Mann auch bei einer Rückkehr nach Jugoslawien Gefahr, allenfalls nach Syrien abgeschoben zu werden. Sie selbst habe vor einer Rückkehr nach Jugoslawien große Angst, einerseits wegen des dort noch immer herrschenden Bürgerkrieges und der unsicheren Gesamtsituation, andererseits auch aus Angst um das Schicksal ihres Mannes.
Die belangte Behörde kam zu dem Schluß, daß das durchgeführte Ermittlungsverfahren, insbesondere die niederschriftliche Einvernahme unter Bezugnahme auch auf die Ausführungen in der Berufung keine Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, daß die Beschwerdeführerin Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1991 sei, wobei sie an der Richtigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin insgesamt erhebliche Zweifel anmeldete, die sie im wesentlichen mit datumsmäßigen Divergenzen begründete. Im weiteren verneinte die belangte Behörde das Vorliegen von Gründen im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 auch deshalb, weil die Tatsache, daß im Heimatland der Beschwerdeführerin Bürgerkrieg herrsche und ihr dadurch die Möglichkeit einer gesicherten Lebensführung fehle, allein schon mangels Vorliegens einer konkreten Verfolgung nicht unter § 1 AsylG 1991 subsumiert werden könne und daher die Gewährung von Asyl nicht rechtfertige. Ihre Betroffenheit von den von ihr angesprochenen Ereignissen sei in typologischer Sicht "eher der Heimsuchung durch eine Naturkatastrophe vergleichbar, denn intentional und gezielt gegen ihre Person gerichteten Repressionshandlungen der Staatsgewalt, welch letztere allein allenfalls Verfolgung zu begründen vermöchten." Das Asylrecht schütze nur Personen, gegen die mit staatlichen Maßnahmen von erheblicher Intensität in Verfolgungsabsicht vorgegangen werde. Diese Verfolgungsmaßnahmen habe die Beschwerdeführerin im erwähnten Sinne nicht dargetan, indem sie ausschließlich angeführt habe, ihr Heimatland ausschließlich wegen der herrschenden Ereignisse verlassen zu haben.
Der Beschwerdeführerin ist - im Rahmen der vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmenden Schlüssigkeitsprüfung (vgl. hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/01/0019) - darin beizupflichten, daß die Erwägungen der belangten Behörde bei Würdigung des Vorbringens der Beschwerdeführerin als unglaubwürdig nicht zu überzeugen vermögen, da allein deshalb, weil die Beschwerdeführerin im Zuge der Kriegswirren ihre Aufenthalte zeitlich unterschiedlich zuordnete, nicht der generelle Schluß auf ihre Unglaubwürdigkeit auch in bezug auf ihre Sachverhaltsdarstellung zu anderen Themenkreisen geschlossen werden kann. Im übrigen ist ihr entgegenzutreten, wenn sie zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der erstinstanzlichen Angaben der Beschwerdeführerin die Ausführungen in der Berufung heranzieht, auf die sie aber gemäß § 20 Abs. 1 des gemäß § 25 Abs. 2 leg. cit. anzuwendenden Asylgesetzes 1991 nicht Bedacht zu nehmen hatte, sofern nicht ein Fall des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 vorliegt. Diese Verfahrensverletzung erscheint jedoch nicht wesentlich, weil der belangten Behörde inhaltlich nicht mit Erfolg entgegengetreten werden kann, wenn sie die Ansicht vertritt, die Beschwerdeführerin habe Asylgründe iSd § 1 Z. 1 AsylG 1991 nicht glaubhaft machen können. Zwar ist der Beschwerdeführerin zuzugestehen, daß nicht erst die "Furcht vor Verfolgung im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991" im Falle BEREITS GESETZTER Verfolgungsmaßnahmen vorliegt, sondern Asyl auch bereits zu gewähren ist, wenn ein Asylwerber "aus wohlbegründeter Furcht" verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Die Beschwerdeführerin macht jedoch als Grund für ihre Flucht ausschließlich die bürgerkriegsähnlichen Verhältnisse in ihrem Heimatland - wobei auf sich beruhen kann, ob dies nunmehr Bosnien-Herzegowina oder Kroatien wäre - geltend, ohne darzutun, daß ihr über jene Unbillen hinaus, die alle von dem Bürgerkrieg betroffenen Personen zu erdulden haben, konkrete, gegen sie gerichtete Verfolgung drohte.
Insoweit sie sich auf eine allenfalls ihren Ehegatten betreffende Verfolgungsgefahr beruft, ist auf § 4 AsylG 1991 zu verweisen, der die Möglichkeit der Ausdehnung der Gewährung von Asyl auch für Familienangehörige vorsieht, ein solcher Antrag war jedoch nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides.
Daß sie auf Grund des Religionsbekenntnisses ihres Ehemannes (laut Beschwerde: Lebensgefährten) selbst konkreten Verfolgungshandlungen ausgesetzt sei, wurde im Verwaltungsverfahren von ihr nie behauptet, sodaß die diesbezüglichen Ausführungen als Neuerungen im Sinne des § 41 VwGG vom Verwaltungsgerichtshof nicht aufgegriffen werden können. Da im Beschwerdefall über die bereits behandelten Angaben hinausgehende, deutliche Hinweise auf das Vorliegen von Gründen im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 im Vorbringen der Beschwerdeführerin vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde, zumal ein offenkundiger Mangel des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz nicht hervorgekommen und von der Beschwerdeführerin weder in ihrer Berufung noch in der Beschwerde geltend gemacht wurde, nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 AsylG 1991 eine Ergänzung oder Wiederholung des Verfahrens anzuordnen.
Die sich daher als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Grundsatz der Unbeschränktheit Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993010293.X00Im RIS seit
20.11.2000