Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
StVO 1960 §20 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des Dipl. Ing. M in T, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 3. August 1993, Zl. 17/105-2/1993, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug schuldig erkannt, er habe am 27. November 1992 um
13.26 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten PKWs auf der Inntalautobahn bei Kilometer 111,0 im Gemeindegebiet von Stams in Richtung Westen fahrend die auf Autobahnen gesetzlich zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130km/h um 83km/h überschritten. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 begangen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
Der Beschwerdeführer habe in der Berufung gegen das Straferkenntnis vorgebracht, er habe sich geschäftlich in Italien aufgehalten, als er am Morgen des 27. November 1992 von seiner Gattin telefonisch verständigt worden sei, daß es seiner Mutter gesundheitlich sehr schlecht gehe, sie im Koma liege und sich daher in Lebensgefahr befinde. Der Beschwerdeführer habe seine Mutter noch einmal sehen wollen und sei der Auffassung gewesen, daß es auch in Österreich zulässig sei, in einem solchen Fall die ansonsten zulässige Höchstgeschwindigkeit zu überschreiten. Zudem habe die Mutter des Beschwerdeführers keine anderen Angehörigen, sodaß nur er die Zustimmung zu einer lebensrettenden Operation geben hätte können. Nach Ansicht der belangten Behörde liege Notstand im Sinne des § 6 VStG nicht vor, weil die ärztliche Hilfestellung nicht von der Anwesenheit des Beschwerdeführers abhängig gewesen sei. Das Unerlaubte seines Verhaltens habe der Beschwerdeführer auch ohne Kenntnis des Notstandsbegriffes erkennen können. Der Beschwerdeführer habe daher vorsätzlich die strafbare Handlung begangen. Die geschilderte Situation werde aber als Strafmilderungsgrund berücksichtigt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer behauptet, daß der Schuldausschließungsgrund des Notstandes gegeben sei. Für seine Mutter hätte unmittelbar drohende Lebensgefahr bestanden, die erforderliche Sofortbehandlung durch die Ärzte sei aber von seiner Zustimmung abhängig gewesen. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß eine Zustimmung auch ohne persönliche Anwesenheit, insbesondere auf telefonischem Wege, erteilt werden kann. Wie im angefochtenen Bescheid unbestritten ausgeführt wird, war die Anwesenheit des Beschwerdeführers im Krankenhaus nicht für den ärztlichen Eingriff erforderlich. Bei dieser Sachlage wäre von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen zu erwarten gewesen, daß er einen anderen Weg der Übermittlung der Zustimmungserklärung wählt, als sich selber durch eine rechtswidrige Fahrweise möglichst rasch zum Krankenhaus zu begeben.
Eventualiter behauptet der Beschwerdeführer das Vorliegen eines Rechtsirrtums, weil er geglaubt habe, die Verpflichtung, möglichst rasch in das Krankenhaus zu kommen, um den Ärzten die geforderte Zustimmung zur Operation zu geben bzw. die Mutter noch lebend zu sehen, sei als Notstand zu werten. Gemäß § 5 Abs. 2 VStG entschuldigt Rechtsunkenntnis nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Nach dem Vorbringen im Verwaltungsstrafverfahren habe sich der Irrtum des Beschwerdeführers darauf bezogen, daß es straflos sei, eine Geschwindigkeitsüberschreitung zu begehen, um einen in Lebensgefahr schwebenden nahen Angehörigen noch einmal zu sehen. Der belangten Behörde kann im Hinblick auf die durch eine Geschwindigkeitsüberschreitung verursachte Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer nicht entgegengetreten werden, wenn sie ausführt, der Beschwerdeführer habe das Unerlaubte seines Verhaltens auch ohne entsprechende Rechtskenntnis einsehen können. Wenn darüberhinaus vorgebracht wird, die rechtsirrtümliche Annahme habe darin bestanden, daß eine Geschwindigkeitsüberschreitung erlaubt sei, um in Zeitnot die Zustimmung zur Operation eines Angehörigen zu erteilen, so ist darauf zu verweisen, daß dieser Rechtsirrtum nicht erwiesenermaßen unverschuldet ist. Der Beschwerdeführer hat die ihm zumutbare Sorgfaltspflicht verletzt, wenn er die auch ausländische KFZ-Lenker betreffende Verpflichtung, sich über die in Österreich geltenden, den Straßenverkehr betreffenden Vorschriften - einschließlich der die Strafbarkeit von rechtswidrigem Verhalten ausschließenden einschlägigen Schuldausschließungsgründe - ausreichend zu unterrichten, nicht nachgekommen ist (vgl. die bei Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, auf den Seiten 729 ff zitierten hg. Erkenntnisse).
Nicht stichhältig ist die Verfahrensrüge, die belangte Behörde hätte durch weitere Einvernahmen feststellen müssen, daß die Ärzte nur bei Vorliegen seiner Zustimmung zur Operation bereit gewesen wären. Die belangte Behörde stellt diese in der Berufung vorgetragene Behauptung nämlich gar nicht in Zweifel. Es sei aber darauf hingewiesen, daß sich aus dieser Behauptung nicht ergibt, es wäre das persönliche Erscheinen des Beschwerdeführers im Krankenhaus erforderlich gewesen.
Aktenwidrig ist die Beschwerdebehauptung, der Beschwerdeführer habe keine Gelegenheit zur Äußerung zu den Aussagen der Meldungsleger gehabt. Die Einvernahme der beiden Gendarmeriebeamten erfolgte nämlich im erstinstanzlichen Verfahren am 15. und 17. Februar 1993. Am 8. März 1993 wurde sodann dem Vertreter des Beschwerdeführers Akteneinsicht gewährt. Ab diesem Zeitpunkt stand auch die Möglichkeit zur Stellungnahme offen.
Der Beschwerdeführer rügt schließlich, er sei nicht vor der belangten Behörde in einer mündlichen Verhandlung gehört worden. Damit zeigt er eine Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Es lag im gegenständlichen Fall keine der in § 51 e Abs. 2 und 3 VStG genannten Ausnahmen von der Verpflichtung zur Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor, weil der Beschwerdeführer in seiner Berufung auch neues Sachverhaltsvorbringen (Behauptung der Notwendigkeit seiner Zustimmung zur Operation) erstattete. Der Beschwerdeführer hat auf eine Verhandlung auch nicht verzichtet. Der Beschwerdeführer konnte aber im gegenständlichen Fall nicht die Wesentlichkeit dieses Verfahrensfehlers dartun, weil die belangte Behörde seinem Sachverhaltsvorbringen nicht entgegengetreten, sondern dieses stillschweigend übernommen hat, und nicht erkennbar ist, an welchem weiteren Vorbringen er durch das Unterbleiben der Verhandlung gehindert worden wäre (vgl. hg. Erkenntnis vom 24. Dezember 1993, Zl. 93/02/0150).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Überschreiten der GeschwindigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993030218.X00Im RIS seit
12.06.2001