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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 93/01/0997Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden 1. des B in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, und 2. der V in W, mit ihren mj. Kindern X und R, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres jeweils vom 7. Juni 1993, Zl. 4.331.335/7-III/13/93 (hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers hg. Zl. 93/01/0982, hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin hg. Zl. 93/01/0997), beide betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Beide Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den jeweils im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen beiden Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 7. Juni 1993 wurde ausgesprochen, daß Österreich den Beschwerdeführern - albanischen Staatsangehörigen, die am 23. September 1991 in das Bundesgebiet eingereist sind und am darauffolgenden Tag Asylanträge gestellt haben - kein Asyl gewähre.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, vom jeweiligen Beschwerdeführer in Ansehung des ihn betreffenden Bescheides erhobenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges - erwogen hat:
1. Der ERSTBESCHWERDEFÜHRER hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 18. Dezember 1991 hinsichtlich seiner Fluchtgründe angegeben, daß seine Familie seit dem Zeitpunkt, als sein Onkel die Tochter des (von den kommunistischen Machthabern zu 17 Jahren Haft verurteilten) stellvertretenden Direktors der amerikanischen Schule geheiratet habe, diskriminiert worden sei. Seit Beginn der Demokratisierungsbewegung habe er mit der demokratischen Partei sympathisiert. Gemeinsam mit einigen Arbeitskollegen habe er versucht, auf Versammlungen für ihre Rechte einzutreten, indem sie Lohnerhöhungen, bessere Arbeitsbedingungen und "daß man im Falle eines Defektes nicht gratis die ganze Nacht in der Fabrik bleiben muß", gefordert hätten. Es sei ihm mit der Entlassung gedroht worden, da die Fabrik - nach Punkt 12. der Niederschrift handelte es sich um eine Brotfabrik in Tirana - von der kommunistischen Partei geführt worden sei, und ihm vorgeworfen worden, selbst Defekte verursacht zu haben. Auch seine Mutter und seine Kinder seien bedroht worden, und es sei ihm gesagt worden, er solle von seiner politischen Tätigkeit ablassen. Nach dem Wahlsieg der kommunistischen Partei sei der Druck gegen ihn "derart stark" und er schließlich am 15. Juli 1991 entlassen worden. Am 6. August 1991 sei es auch zur Entlassung seiner Frau (der Zweitbeschwerdeführerin) gekommen. Er sei völlig eingeschüchtert gewesen und habe sogar Angst gehabt, auf die Straße zu gehen, "da es bei Demonstrationen z.B. immer wieder zu angeblichen Unfällen kam". Im Zusammenhang mit der Flucht seines Cousins I sei er auch einmal zur Polizei vorgeladen und verhört worden.
Diese Angaben stellten das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz dar, das die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ihrer Entscheidung zugrunde zu legen hatte, es sei denn, daß einer der im § 20 Abs. 2 leg. cit. angeführten Fälle vorgelegen wäre, auf Grund dessen die belangte Behörde eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen gehabt hätte. Der Erstbeschwerdeführer macht zwar geltend, daß seine "Aussage in der Niederschrift stark gekürzt" worden und sein Vorbringen "wesentlich umfassender und daher ausreichend" gewesen sei. Ihm ist aber entgegenzuhalten, daß er nach seiner (unter Beiziehung eines Dolmetsch durchgeführten) Vernehmung die betreffende Niederschrift unterfertigt hat, ohne dagegen Einwendungen wegen behaupteter Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Niederschrift gemäß § 14 Abs. 4 AVG zu erheben, und überdies in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. Dezember 1991 ausdrücklich betont wurde, daß "das Vorbringen beim Erstinterview", auf das der Erstbeschwerdeführer zur Begründung seiner Flüchtlingseigenschaft verweise, "im wesentlichen richtig und vollständig protokolliert wurde". Wenn der Erstbeschwerdeführer weiters rügt, daß er hinsichtlich der von der belangten Behörde teilweise vermißten Konkretisierung seiner Angaben hätte ergänzend befragt werden müssen, so übersieht er, daß die belangte Behörde dazu nur dann verpflichtet gewesen wäre, wenn seine erstinstanzlichen Angaben einen deutlichen Hinweis darauf enthalten hätten, daß er in seinem Heimatland eine asylrechtlich relevante Verfolgung zu befürchten gehabt habe, wovon aber nicht die Rede sein kann. Es steht zwar nicht fest, welcher Art die Diskriminierungen gewesen seien, denen auch der Erstbeschwerdeführer nach der Heirat seines Onkels ausgesetzt gewesen sei; doch kommt es darauf nicht entscheidend an, weil der Erstbeschwerdeführer seinen Angaben zufolge diese (schon seit längerem bestehenden) Beeinträchtigungen nicht zum Anlaß für das Verlassen seines Heimatlandes genommen hat und demnach davon ausgegangen werden muß, daß sie nicht eine solche Intensität erreicht haben, daß schon dadurch der weitere Verbleib in seinem Heimatland für ihn unerträglich gewesen wäre. Auch die Drohungen seiner Mutter und seinen Kindern gegenüber waren für den Erstbeschwerdeführer - auch wenn er daraus für sich selbst Furcht vor Verfolgung hätte ableiten können, weil auch diese Aktivitäten ihre Ursache in seinem eigenen Verhalten gehabt hätten und man ihn damit hätte treffen wollen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/01/0285) - noch nicht ausschlaggebend, aus Albanien auszureisen, weshalb es einer (von der belangten Behörde herbeizuführenden) Konkretisierung dieser Drohungen nicht bedurfte. Für den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht erkennbar, daß das Ermittlungsverfahren erster Instanz gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 offenkundig mangelhaft war. Auf den in der Beschwerde zusätzlich behaupteten Sachverhalt kann im Hinblick darauf, daß dieses Vorbringen dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG unterliegt, nicht Bedacht genommen werden.
Auf dem Boden dieser Sachverhaltsgrundlage ist für den Standpunkt des Erstbeschwerdeführers nichts zu gewinnen. Die für ihn maßgeblichen Probleme begannen damit, daß er in dem Betrieb, in dem er beschäftigt war, für bestimmte Rechte der Arbeiter eingetreten ist, und gipfelten darin, daß er und - was von ihm damit in Zusammenhang gebracht wurde - schließlich auch seine Gattin entlassen worden sind. Wenn auch mit Rücksicht auf das vom Erstbeschwerdeführer angesprochene, damals herrschende politische System in seinem Heimatland die Annahme gerechtfertigt sein könnte, daß sein Verhalten von den staatlichen Behörden seines Heimatlandes als Ausdruck seiner (im übrigen offenbar bekannten) politischen Gesinnung verstanden wurde und die darauf gegen ihn gerichteten Maßnahmen ihnen zuzurechnen waren, so würde dies nicht zwingend bedeuten, daß er sich aus wohlbegründeter Furcht, aus diesem im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) angeführten Grund verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befinde. Den Angaben des Erstbeschwerdeführers ließ sich nämlich - entsprechend der Begründung des angefochtenen Bescheides - nicht entnehmen, daß ihm durch den Verlust seines Arbeitsplatzes und des seiner Gattin jegliche Lebensgrundlage entzogen worden wäre (vgl. unter anderem die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0486, und vom 29. Oktober 1993, Zl. 93/01/0733). Die Auffassung des Erstbeschwerdeführers, er "glaube, daß es ausreicht, wenn beide Elternteile einer Familie entlassen werden und keine Chance haben wieder Arbeit zu finden, um den Verlust der Existenzgrundlage ausreichend darzulegen", kann nicht geteilt werden, weil es durchaus auch noch andere Möglichkeiten der Existenzsicherung gibt, wie gerade das Beispiel zeigt, daß bekanntermaßen in Albanien weiterhin Menschen leben, die - zumindest vorwiegend aus wirtschaftlichen Gründen - von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Erstbeschwerdeführer befindet sich demgegenüber - ungeachtet dessen, daß seine Arbeitslosigkeit und die seiner Gattin auf seine politische Gesinnung zurückzuführen waren - faktisch nicht in einer anderen Situation, zumal objektiv kein Anhaltspunkt dafür besteht, daß er darüber hinaus noch irgendwelche Verfolgungen zu erwarten gehabt hätte (vgl. dazu außer dem bereits zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zur Zl. 93/01/0285 jenes vom 2. Februar 1994, Zl. 93/01/0511). Die im Hinblick darauf, daß er bei seiner Vernehmung nicht einmal andeutungsweise auf ihm gegenüber gemachte Drohungen in dieser Richtung hingewiesen hat, von ihm bloß subjektiv empfundene Angst, "auf die Straße zu gehen", genügt für die Annahme weiterer individueller Verfolgung nicht. Auch die Flucht seines Cousins zog keine, die normale behördliche Ermittlungstätigkeit übersteigenden Folgen nach sich.
Richtig ist, daß der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 31. März 1993, Zlen. 92/01/1039, 1040, den in derselben Angelegenheit erlassenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. Juli 1992, in dem sie sich ausschließlich auf die ihrer Meinung nach in der Zwischenzeit eingetretene wesentliche Änderung der politischen Verhältnisse in Albanien gestützt hat, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben hat. Dem Umstand, daß die belangte Behörde das gleiche Argument, wenn auch mit anderen Worten, bei Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides neuerlich herangezogen hat, kommt aber nach dem bisher Gesagten, auf Grund dessen der Erstbeschwerdeführer jedenfalls nicht als Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 anzusehen ist, keine Bedeutung mehr zu. Die sich darauf beziehenden Beschwerdeausführungen gehen daher - anders als dies im ersten Rechtsgang der Fall war - ins Leere. Das gleiche trifft insofern, als die belangte Behörde nun erstmals auf Grund der Annahme, der Erstbeschwerdeführer sei bereits in Ungarn vor Verfolgung sicher gewesen, vom Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 Gebrauch gemacht hat, zu.
2. Die ZWEITBESCHWERDEFÜHRERIN hat bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung am 18. Dezember 1991 das Verlassen ihres Heimatlandes damit begründet, daß ihre Familie während der kommunistischen Herrschaft verfolgt worden sei, weil ihr Großvater während des 2. Weltkrieges nach Amerika ausgewandert und sie "zunächst" mit ihm in Kontakt gestanden sei. Sie habe nicht weiter studieren dürfen. Auch ihr Gatte (der Erstbeschwerdeführer) stamme aus einer Familie, die politisch verfolgt worden sei. Seit Beginn der Demokratisierungsbewegung hätten sie beide mit der demokratischen Partei sympathisiert; ihr (namentlich genannter) Cousin sei in einer Zelle dieser Partei tätig gewesen. Ihrem Gatten sei auf Grund seiner politischen Einstellung an seinem Arbeitsplatz vorgeworfen worden, auftretende Defekte fahrlässig hervorgerufen zu haben. Dies habe zu seiner Entlassung am 15. Juli 1991 geführt. Am 6. August 1991 sei sie selbst - nach Punkt 12. der Niederschrift habe sie als Hilfslaborantin in der "Militärischen Einheit für chemische Kampfstoffe" in Tirana gearbeitet - entlassen worden, wobei es nur ein Vorwand gewesen sei, daß Arbeitsplätze eingespart werden sollten. Ein anderer Grund für ihre Schwierigkeiten sei die Flucht des Cousins ihres Gatten, I, gewesen.
Dieses Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz hatte die belangte Behörde gleichfalls - wie beim Erstbeschwerdeführer - gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ihrer Entscheidung zugrunde zu legen, zumal auch die Zweitbeschwerdeführerin das Vorliegen eines der Fälle des § 20 Abs. 2 leg. cit. nicht dargetan hat und sich ein solcher auch nicht aus der Aktenlage ergibt. Die Zweitbeschwerdeführerin erhebt diesbezüglich im wesentlichen die gleichen Einwände wie ihr Gatte, die aber auf Grund der bereits dem Erstbeschwerdeführer entgegengehaltenen, mit Rücksicht auf den Inhalt der Verwaltungsakten und die dargestellte Rechtslage auch in Ansehung ihrer Person zutreffenden Ausführungen des Gerichtshofes zur Frage, ob das Ermittlungsverfahren erster Instanz im Sinne der zuletzt genannten Gesetzesstelle offenkundig mangelhaft war, ebensowenig berechtigt sind. Hinsichtlich des (gegenüber dem Beschwerdefall ihres Gatten) unterschiedlichen Sachverhaltes in bezug auf eine von ihr behauptete frühere Verfolgung ist darauf hinzuweisen, daß auch die Zweitbeschwerdeführerin dessen ungeachtet weiterhin in ihrem Heimatland geblieben ist, wozu noch kommt, daß sie in diesem Zusammenhang allein den Umstand, daß sie ihr Studium nicht habe fortsetzen dürfen - welcher Umstand im übrigen nicht geeignet wäre, ihre Anerkennung als Flüchtling herbeizuführen (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1992, Zl. 92/01/0068, mit weiteren Judikaturhinweisen) -, erwähnt hat. Lag kein Fall des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 vor, so war die belangte Behörde auch nicht auf Grund des von der Zweitbeschwerdeführerin ins Treffen geführten § 16 Abs. 1 leg. cit. gehalten, weitere Ermittlungen anzustellen. Ihr neues Sachverhaltsvorbringen verstößt gegen § 41 Abs. 1 VwGG.
Die Angaben der Zweitbeschwerdeführerin waren zwar dahingehend zu verstehen, daß auch sie ihren Arbeitsplatz auf Grund der politischen Gesinnung des Erstbeschwerdeführers verloren und demnach dieser Verfolgungsgrund auf sie unmittelbar durchgeschlagen hat. Daraus vermag sie aber aus denselben, bei Erledigung der Beschwerde ihres Gatten angeführten Gründen ihre Flüchtlingseigenschaft nicht abzuleiten, wobei auch aus ihrer Darstellung des Sachverhaltes nicht hervorging, daß sie noch mit weiteren, individuell gegen sie gerichteten Maßnahmen zu rechnen habe.
Der auch in diesem Beschwerdefall gebrauchten zusätzlichen Argumentation der belangten Behörde, es hätten sich die politischen Verhältnisse im Heimatland der Zweitbeschwerdeführerin maßgeblich geändert und die Zweitbeschwerdeführerin sei überdies in Ungarn vor Verfolgung sicher gewesen, kommt daher abschließend ebenfalls keine rechtliche Relevanz zu, sodaß darauf sowie auf das dazu erstattete Beschwerdevorbringen nicht mehr einzugehen war.
3. Da sich somit beide Beschwerden als unbegründet erweisen, waren sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der von der Zweitbeschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993010982.X00Im RIS seit
03.04.2001