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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des I in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Oktober 1993, Zl. 4.304.924/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Oktober 1993 wurde in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 6. Februar 1991 ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer - einem rumänischen Staatsangehörigen, der am 6. November 1990 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 7. November 1990 den Asylantrag gestellt hat - kein Asyl gewähre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer, ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihm der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Befragung am 12. November 1990, daß er sich vom 3. bis 5. November 1990 in Ungarn aufgehalten habe, aus und befaßte sich in rechtlicher Hinsicht näher mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle, wobei sie im wesentlichen - im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (beginnend mit dem Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - die Rechtslage richtig erkannt hat. Die Ansicht des Beschwerdeführers, es habe keine Verfolgungssicherheit bestanden, weil er sich in Ungarn "nur kurzfristig zum Zwecke der Durchreise aufgehalten" habe und sein Aufenthalt in Ungarn "von den dortigen Behörden weder geduldet noch er ihnen bekannt wurde", widerspricht dieser Judikatur.
Der Beschwerdeführer bringt aber in tatsächlicher Hinsicht vor, ihm sei "aus zahlreichen anderen Fällen bekannt, daß Angehörige der Zigeunerminderheit der Roma" - der der Beschwerdeführer schon nach seinen erstinstanzlichen Angaben angehört - "in Ungarn kein ausreichender Verfolgungsschutz gewährt wird", "diese Personen trotz entsprechender Asylantragstellung Ungarn wieder verlassen mußten" und er "auch aus diesem Grunde keinen Asylantrag gestellt" habe, sondern nach Österreich weitergereist sei. Würde diese Behauptung zutreffen, so könnte nicht mehr ohne weiteres davon die Rede sein, daß - entsprechend der Begründung des angefochtenen Bescheides - nichts dafür spreche, daß Ungarn die sich aus seiner Mitgliedschaft zur Genfer Flüchtlingskonvention ergebenden Verpflichtungen, insbesondere das in deren Art. 33 verankerte Refoulement-Verbot, etwa vernachlässige, und anzunehmen sei, daß Ungarn von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her generell einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz biete. Der Beschwerdeführer hat zwar diese Behauptung erstmals in der Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihm im Verwaltungsverfahren nicht Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen, weshalb seine Rüge, es sei diesbezüglich sein Recht auf Parteiengehör verletzt worden, berechtigt ist und sich daraus weiters ergibt, daß dieses Vorbringen nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt.
Der belangten Behörde war es nicht verwehrt, auf Grund der von ihr - zufolge des § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991 - anzuwendenden neuen Rechtslage den Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. heranzuziehen. Im Hinblick darauf, daß aber diesbezüglich kein ausreichendes Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz vorlag, das der Entscheidung der belangten Behörde gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. hätte zugrunde gelegt werden können, war dieses Ermittlungsverfahren auf dem Boden der neuen Rechtslage - ungeachtet dessen, daß für die Erstbehörde gar keine Veranlassung gegeben war, zur (damals auf Grund der alten Rechtslage hiebei nicht relevanten) Frage der Verfolgungssicherheit Ermittlungen durchzuführen - offenkundig mangelhaft, sodaß gemäß § 20 Abs. 2 leg. cit. insoweit eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen gewesen wäre. Darin, daß die belangte Behörde dies unterlassen hat, ist ein Verfahrensmangel gelegen, dessen Wesentlichkeit der Beschwerdeführer - wie gesagt - in der Beschwerde aufgezeigt hat.
Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs Verfahrensmangel Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein (siehe auch Angenommener Sachverhalt) Verhältnis zu anderen Materien und Normen VwGG (siehe auch Heilung von Verfahrensmängeln der Vorinstanz im Berufungsverfahren)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993011428.X00Im RIS seit
20.11.2000