TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/17 91/06/0016

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.03.1994
beobachten
merken

Index

L82000 Bauordnung;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
22/02 Zivilprozessordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §18 Abs2;
AVG §18 Abs4;
AVG §45 Abs2;
AVG §47;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BauRallg;
VwRallg;
ZPO §292;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder, den Vizepräsidenten Dr. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des A und der O K, beide in G, beide vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 29. November 1990, Zl. A 17-K-5.972/1990-3, betreffend die Versagung einer Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid vom 17. Oktober 1990 hat der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz das Ansuchen der Beschwerdeführer um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zur Errichtung einer fundierten Zaunanlage auf dem Grundstück Nr. 420/15 gemäß § 57 Abs. 1 lit. d und § 61 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 abgewiesen. Dies wurde im wesentlichen damit begründet, die Einfriedung werde quer über das Grundstück Nr. 420/15 in ca. 1 m Entfernung von der Grundgrenze gegen die als öffentliche Verkehrsfläche ausgewiesene F-straße (Grundstück Nr. 421/11) errichtet. Auf Grund des Verwaltungsaktes der Gemeinde X (der Rechtsvorgängerin der Stadtgemeinde Graz) vom 29. März 1912, Zl. 1057, müsse die Grundfläche, auf der die Bauführung geplant sei, als Verkehrsfläche hergestellt werden. Eine Änderung der Widmung sei diesbezüglich nicht eingetreten; von dieser Widmungsbewilligung sei durch eine in der Folge bewirkte Baubewilligung und durch die Errichtung eines Objektes Gebrauch gemacht worden. Diese als Auflage anzusehende Verpflichtung sei daher nach wie vor in Geltung. Dieser Umstand sei den Beschwerdeführern verbunden mit dem Hinweis mitgeteilt worden, daß auf Grund des Widerspruches zur rechtskräftigen Widmung die beantragte Bewilligung zunächst nicht erteilt werden könne. Den Beschwerdeführern sei durch Einräumung einer vierwöchigen Frist Gelegenheit gegeben worden, um die Änderung des rechtskräftigen Widmungsbescheides anzusuchen. In ihrer Stellungnahme dazu hätten die Beschwerdeführer die Auffassung vertreten, daß gemäß § 58 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 die Pflicht zum Nachweis der Widmung bei Bauführungen nach § 57 Abs. 1 lit. c bis h sowie bei allen Bauten vorübergehenden Bestandes (§ 62 Abs. 4 leg.cit.), für Gartenhäuser, Kleingewächshäuser, Gerätehütten, Holzlagen, Wartehäuser, Plakattafeln, elektrische Verteilungsanlagen und kleinere sakrale Bauten entfallen sei; somit ginge die angedrohte Abweisung des Ansuchens nach Ansicht der Beschwerdeführer ins Leere. Die Herstellung von Einfriedungen im verbauten Gebiet gegen öffentliche Verkehrsflächen und von Einfriedungsmauern bedürften einer Bewilligung der Baubehörde gemäß § 57 Abs. 1 lit. d der Steiermärkischen Bauordnung 1968. Die geplante Einfriedung sei in ca. 1 m Entfernung von der Grundgrenze gegen die als öffentliche Verkehrsfläche ausgewiesene F-straße vorgesehen. Während nach § 57 Abs. 1 lit. a leg.cit. nur fundierte Einfriedungen bewilligungspflichtig seien, unterläge nach lit. d jede Art von Einfriedungen (also auch landesübliche Zäune), die gegen eine öffentliche Verkehrsfläche gerichtet seien, der Bewilligungspflicht. Vom Vorliegen einer Einfriedung im Sinne des Gesetzes könne auch dann ausgegangen werden, wenn die Einfriedung nicht unmittelbar an der Grundgrenze errichtet werde. In der Widmungsbewilligung vom 29. März 1912 sei dem Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer die Auflage erteilt worden, Verkehrsflächen herzustellen. Unter diesen Verkehrsflächen befinde sich auch jene Grundfläche, auf der die Beschwerdeführer die Errichtung der Einfriedung beabsichtigen. Die Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung komme daher im Hinblick auf die Widmung der Grundfläche als Verkehrsfläche nicht in Betracht. Diese Rechtsmeinung habe auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6. November 1980, Zl. 210/80, vertreten. In diesem Erkenntnis habe der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit einem ähnlich gelagerten Fall ausgeführt, daß für die Erteilung einer Bewilligung eine Widmungsänderung erforderlich sei. Zur Auffassung der Beschwerdeführer, gemäß § 58 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 sei im Beschwerdefall die Pflicht zum Nachweis der Widmung entfallen, sei anzumerken, diese Bestimmung könne nicht so interpretiert werden, daß die Behörde die Prüfung der Eignung der Grundfläche für das geplante Bauvorhaben außer acht zu lassen habe. Widerspreche die Grundflächenwidmung dem geplanten Bauvorhaben, so könne die Behörde darüber nicht hinwegsehen. Gestärkt werde diese Auslegung auch dadurch, daß in den Erläuternden Bemerkungen zur Novelle LGBl. Nr. 14/1989 ausgeführt werde, dieser Entfall der Pflicht zum Nachweis der Widmung sollte keinesfalls für Bauführungen gelten, die gemäß § 25 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes im Freiland errichtet werden könnten. Damit werde zum Ausdruck gebracht, daß die Prüfung der Grundflächenwidmung und die sich daraus ergebende Nutzungsmöglichkeit eine wesentliche Voraussetzung im Baubewilligungsverfahren darstelle, die von der Behörde in keinem Fall außer acht zu lassen sei. § 58 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 könne daher bei Bauführungen, denen eine rechtliche Widmungsbewilligung entgegenstünde, nicht herangezogen werden. Trotz behördlicher Aufforderung hätten die Beschwerdeführer um eine Widmungsänderung nicht angesucht, sodaß das Ansuchen um Erteilung der Baubewilligung abzuweisen gewesen sei.

2. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung. Darin brachten sie - soweit dies für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung ist - im wesentlichen vor, dem Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz mangle es deshalb an der Bescheidqualität, weil auf dem Schriftstück vom 17. Oktober 1990 entweder die Unterschrift dessen fehle, der die Erledigung genehmigt habe, oder die Beglaubigung der Kanzlei. In der Berufung wurde weiters die Auffassung vertreten, bei jenem Verwaltungsakt, dem die Qualität einer Widmungsbewilligung der Gemeinde X zugeordnet worden sei, handle es sich nur um eine Beurkundung einer Absichtserklärung des Widmungswerbers, bestimmte Wege herzustellen. Vom Widmungswerber wäre ein abgesondertes Projekt vorzulegen gewesen, worüber dann die Behörde (Gemeinde X) eine gesonderte Entscheidung zu treffen gehabt hätte. Ein solcher Antrag sei nicht vorgelegt worden; bezüglich der Aufschließung liege daher keine rechtskräftige Entscheidung der Behörde vor. Die Widmung der Gemeinde X vom 29. März 1912 sei im Gegensatz zur Auffassung der Behörde nicht konsumiert, da erstmals im Jahre 1921 auf Grund einer neuen Widmung Bauführungen erfolgt seien. Beim Widmungsplan handle es sich im übrigen um ein Falsifikat. Dies ergebe sich aus Plänen mit verschiedenen Maßstabsgrundlagen; ein Lageplan, der der örtlichen Verhandlung am 26. März 1912 und dann dem Widmungsbescheid vom 29. März 1912 sowie der örtlichen Verhandlung am 21. Juli 1913 vorgelegen sei, sei nach der im Jahre 1912 in Verwendung gestandenen Maßeinheit 1 : 2880 nach Zoll erstellt, während der in der Baupolizei aufliegende Lageplan (auf den sich irrigerweise die Meinung der Behörde stütze) nach der seit dem Ersten Weltkrieg eingeführten metrischen Maßeinheit 1 : 500 angefertigt sei. Nachweislich seien bis zum 17. November 1918 sämtliche Lagepläne der KG Wenisbuch ausschließlich im Zollmaßstab 1 : 2880 erstellt worden; es sei daher zweifelhaft, daß Lagepläne zur Widmung als Aufschließungswege schon 1912 im metrischen Maß erstellt und einem Bescheid zugrunde gelegt worden sein könnten. Die Urkunden aus dieser Zeit seien überdies zum Teil von verschiedenen Personen unterschrieben. Daraus ergebe sich der begründete Verdacht, daß die Echtheit dieser Urkunden in Zweifel zu ziehen sei. Die Urkunden seien insgesamt als "öffentliche Urkunden" zu qualifizieren; der Beweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges, der bezeugten Tatsache oder der bezeugten Beurkundung sei aber zulässig. Das als "Bescheid" bezeichnete Schriftstück sei im übrigen von einer unzuständigen Behörde erlassen worden (statt vom Straßen- und Brückenbauamt vom Baurechtsamt des Magistrates). Es liege weiters ein mangelhaftes Verfahren deshalb vor, weil das eingeräumte Parteiengehör nur auf die unrichtige Rechtsauffassung der Behörde bezogen worden sei, wonach im Gegensatz zu den Bestimmungen des § 57 Abs. 1 lit. d in Verbindung mit § 58 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 im Beschwerdefall für die Bewilligung der Nachweis der Widmung nicht entfalle. Die Frage der Widmung als Verkehrsfläche sei nicht Gegenstand des Parteiengehörs gewesen. § 58 Abs. 2 leg.cit. sei rechtswidrigerweise im Spruch des Bescheides nicht enthalten; auch dies bewirke eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Im übrigen sei der Wortlaut des § 58 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 eindeutig; die Pflicht zum Nachweis der Widmung entfalle daher. Die Behörde habe sich mit dem Vorbringen, daß die in Rede stehenden Grundflächen von der Gemeinde X am 29. März 1912 lediglich als Baustelle (Bauplatz) gewidmet worden seien, nicht auseinandergesetzt. Die Grundflächen mit der Grundstücks-Nr. 421/11 seien mangels rechtsrelevanten Widmungsaktes nach § 2 des Steiermärkischen Straßenverwaltungsgesetzes nicht als öffentliche Verkehrsflächen einzuordnen. Nur die Tatsache, daß das Grundstück mit der Nr. 420/7 (richtig wohl: 421/11) keine öffentliche Verkehrsfläche darstelle, sei für die Beurteilung der Rechtsfrage maßgebend. Es fehle nach § 57 Abs. 1 lit. d der Steiermärkischen Bauordnung 1968 die erforderliche Qualifikation als öffentliche Verkehrsfläche; es sei daher eine Baubewilligungspflicht gemäß § 57 Abs. 1 lit. d leg.cit. nicht gegeben. Insgesamt handle es sich um eine Scheinbegründung, die den Erfordernissen des § 60 AVG nicht entspreche. Die Behörde habe die Grundsätze der Amtswegigkeit und der materiellen Wahrheit sowie überhaupt die Verpflichtung, ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, verletzt.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. November 1990 wurden die Berufungen der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen und es wurde die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, daß der Bescheid vom 17. Oktober 1990 in Übereinstimmung mit der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Vervielfältigungen zweifelsfrei Bescheidqualität deshalb besitze, weil für Vervielfältigungen eine Beglaubigung nicht erforderlich sei. Der Vorwurf, die Entscheidung stamme von einer sachlich unzuständigen Behörde, sei unzutreffend; Baubehörde erster Instanz gemäß § 71 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 sei der Stadtsenat, der Magistrat Graz habe lediglich die Funktion eines Hilfsorganes; unbeachtlich sei es, von welchem Amt der namens des Stadtsenates ergangene Bescheid im Entwurf vorbereitet worden sei. Es sei die Behauptung aktenwidrig, das in der Mitteilung des Baurechtsamtes eingeräumte Parteiengehör habe sich nicht auf die Verkehrsflächenausweisung der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft bezogen. Im Beschwerdefall sei nicht nur der Umstand verfahrensentscheidend, daß auf Grund des § 58 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 die Pflicht zum Nachweis einer Widmung für Einfriedungen entfalle. Von Bedeutung sei nämlich dabei ebenso die Tatsache, daß auf Grund der zitierten rechtskräftigen Widmungsbewilligung vom 29. März 1912, von der durch Bauführung Gebrauch gemacht und die somit vollstreckbar geworden sei, das verfahrensgegenständliche Grundstück als Verkehrsfläche einzuordnen sei; es sei somit von jeder Verbauung freizuhalten. Demnach ginge es nicht nur um die Frage, ob die beantragte Baubewilligung einer Widmungsbewilligung bedurft hätte, sondern auch darum, daß jenes Grundstück, auf dem antragsgemäß die Errichtung dieser Einfriedung vorgesehen sei, auf Grund der Widmungsbewilligung als Verkehrsfläche und somit als nicht bebaubar festgestellt worden sei. Dies habe der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6. November 1980, Zl. 210/80, mit wünschenswerter Klarheit zum Ausdruck gebracht. Die Beschwerdeführer hätten von der Möglichkeit, innerhalb von vier Wochen ein Ansuchen um Änderung dieses rechtskräftigen Widmungsbescheides einzubringen, nicht Gebrauch gemacht. Es sei daher der Antrag gemäß § 61 Abs. 1 Steiermärkische Bauordnung 1968 abzuweisen gewesen, da in Übereinstimmung mit dem zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes der Realisierung des beantragten Bauwillens auf dem Grundstück Nr. 420/15 dessen rechtskräftige Ausweisung in der Widmungsbewilligung vom 29. März 1912 als Verkehrsfläche und damit dessen Unbebaubarkeit entgegengestanden sei. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei nämlich auch für die Frage der Zulässigkeit von Bauvorhaben nach der Steiermärkischen Bauordnung 1968 der Inhalt einer Widmungsbewilligung entscheidend; im Falle des Widerspruches eines Bauplatzes zu einer erteilten Widmungsbewilligung vor Erteilung der Baubewilligung sei eine Änderung der Widmungsbewilligung zu erwirken. Bei dieser Sach- und Rechtslage erübrige sich eine Auseinandersetzung mit dem übrigen Berufungsvorbringen, einschließlich des Versuches der Beschwerdeführer, den Widmungsbewilligungsbescheid vom 29. März 1912 als "Falsifikat" zu qualifizieren bzw. ihm zu unterstellen, der Verwaltungsgerichtshof wäre (in seinem Erkenntnis vom 6. November 1980, Zl. 210/80) durch "irrige Sachverhaltsannahmen durch den Magistrat" zu einem verfehlten Erkenntnis gelangt. Im übrigen stünde es den Beschwerdeführern frei, durch Einbringen eines Ansuchens um Bewilligung einer Widmungsänderung baubehördlich prüfen zu lassen, ob überhaupt und gegebenenfalls mit welchem Ergebnis der seinerzeitige Widmungskonsens allenfalls so abänderbar sei, daß er eine deckende Rechtsgrundlage für die beantragte Baubewilligung darstelle.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer sehen sich in ihrem Recht auf baubehördliche Bewilligung der Errichtung einer Einfriedung auf dem Grundstück 420/15 verletzt und beantragen, den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In ihrer Beschwerde bringen die Beschwerdeführer zunächst vor, daß der zugestellte "Bescheid" vom 17. Oktober 1990 mangels Unterschrift infolge Fehlens eines essentiellen Bescheidbestandteiles keinen rechtswirksamen Bescheid darstelle. § 18 Abs. 4 AVG in der Fassung der Novelle 1982 lege fest, daß Bescheide dann, wenn sie in vervielfältigter Form hergestellt würden, weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigungsklausel benötigen; die Beisetzung des Namens des Genehmigenden reiche aus. Das ihnen zugestellte Schriftstück sei aber keine Vervielfältigung, sondern nur die Vervielfältigung einer Abschrift des Urbescheides oder die Vervielfältigung des Bescheidentwurfes gewesen. Die Zustellung einer Abschrift oder eines Entwurfes ohne jede Unterschrift und ohne jede Beglaubigungsklausel erfülle aber nicht die zwingenden Voraussetzungen des Vorliegens eines rechtswirksamen Bescheides gemäß § 18 AVG.

Nach § 18 Abs. 4 vierter Satz AVG in der (im Beschwerdefall maßgeblichen) Fassung der Novelle BGBl. Nr. 199/1982 genügt bei "telegraphischen, fernschriftlichen oder vervielfältigten Ausfertigungen die Beisesetzung des Namens des Genehmigenden; eine Beglaubigung durch die Kanzlei ist nicht erforderlich". Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 20. Dezember 1985, Slg.Nr. 11.983/A, hat der Verwaltungsgerichtshof dazu ausgeführt, daß für die Frage der Zulässigkeit des Unterbleibens einer Beglaubigung einer Bescheidausfertigung im Fall einer Vervielfältigung ausschließlich das Faktum der Vervielfältigung maßgebend sei. Im Beschwerdefall läßt schon die von den Beschwerdeführern vorgelegte Ausfertigung des einem der Beschwerdeführer zugestellten Bescheides unzweifelhaft erkennen, daß es sich dabei um eine Vervielfältigung handelt, wobei - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer - gerade auch die Vervielfältigung einer Abschrift des Urbescheides diesem Erfordernis gerecht wird. Aus der Zustellverfügung ergibt sich, daß der Bescheid an mehrere Bescheidadressaten ergangen ist. Gemäß § 18 Abs. 4 vierter Satz AVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 199/1982 war daher die Beisetzung des Namens des Genehmigenden ausreichend; eine Beglaubigung durch die Kanzlei war nicht erforderlich. Zu Recht verweist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift in diesem Zusammenhang auf das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1990, Zl. 90/06/0128, und bestätigt die Aktenlage, wonach auch dem Erfordernis der Unterschrift des Genehmigenden auf der im Akt einliegenden Urschrift Rechnung getragen wurde. Der Name des genehmigenden Organes scheint gleichlautend auf der vorgelegten Ausfertigung des Bescheides auf. Es kann daher in diesem Punkt der belangten Behörde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zur Last gelegt werden.

2. Die Beschwerdeführer bringen weiters - auf das wesentliche zusammengefaßt - vor, die belangte Behörde habe sich mit ihrem Einwand, der Grundstreifen, auf dem sich das geplante Bauwerk befinden werde, sei nicht als Verkehrsweg gewidmet, sondern als reine Baufläche, nicht auseinandergesetzt; ihre Hinweise, der Widmungsplan enthalte auch Eintragungen, die als Falsifikate bezeichnet werden könnten, seien einfach übergangen worden. Das geplante Bauwerk werde sich bei genauer Prüfung jedenfalls nicht auf jenem Grundstücksteil des gewidmeten Grundes befinden, der nach dem Willen der Widmungsbehörde als Weg auszubilden gewesen sei. Es stünde fest, daß die Gemeinde X am 29. März 1912 unter GZ. 1057 für insgesamt 25 Grundstücke einen Widmungsbescheid erlassen habe. In den Administrativakten seien keine Originalurkunden vorhanden. Die vorhandenen Abschriften könnten mit den Originalen nicht übereinstimmen; die Abschrift selbst weise Verbesserungen auf, sodaß anzunehmen sei, daß es sich hier zumindest zum Teil nicht um Originale handle. Im Hinblick auf die (von den Beschwerdeführern aus ihrer Sicht im einzelnen beschriebenen) Widersprüche und Fälschungen, die sich anläßlich der Erhebungen im Administrativakt und bei den Administrativbehörden ergeben hätten, hätten die Beschwerdeführer von einem Ziviltechniker eine der Beschwerde angeschlossene Lageplanrekonstruktion auf der Grundlage der Beschreibung der Wege auf der Basis der Aufnahmeschrift vom 26. März 1912 vornehmen lassen. Auf diese Aufnahmeschrift stütze sich der Widmungsbescheid der Gemeinde X vom 29. März 1912, Zl. 1057. Diese Lageplanrekonstruktion beweise, daß der als Weg gewidmete Grundstreifen nicht mit der sogenannten F-straße übereinstimme. Vom Ziviltechniker sei im derzeit gültigen Katasterplan, datiert vom 11. Jänner 1991, Stand 1987, der Wegverlauf eingezeichnet worden, wie er der Beschreibung in der Aufnahmeschrift entspreche; danach sei jener Grundstreifen, der nicht verbaut werden dürfe, nicht mit jenem Grundstreifen ident, auf welchem sich das geplante Projekt befinden werde; auch diese Übertragung sei der Beschwerde angeschlossen. Die belangte Behörde habe es unterlassen, auf das diesbezügliche Berufungsvorbringen einzugehen; im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht hätten die Beschwerdeführer der belangten Behörde auch weitere Hinweise geben können, wie dies nunmehr in der Beschwerde erfolgt sei. Dies sei alles unterblieben, weil die belangte Behörde von einer anderen rechtlichen Auffassung ausgegangen sei. Es sei zwar richtig, daß der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6. November 1980, Zl. 210/80, noch davon ausgehe, daß nach dem Widmungsbescheid der Gemeinde X vom 29. März 1912, Zl. 1057, das damals geplante Projekt auf der gewidmeten Verkehrsfläche errichtet werden sollte. Rechtlich habe der Verwaltungsgerichtshof richtig entschieden, freilich auf Grund von Tatsachenfeststellungen, die sich nach den nunmehrigen Erhebungen als unrichtig herausgestellt hätten.

Mit diesem Beschwerdevorbringen sind die Beschwerdeführer im Recht. Sie haben nämlich bereits in der Berufung - wie erwähnt (siehe oben I. 2.) - u.a. darauf hingewiesen, es sei zweifelhaft, ob Lagepläne zur Widmung als Aufschließungswege schon vor 1918 im metrischen Maßstab 1 : 500 erstellt und einem Bescheid zugrunde gelegt worden sein könnten; auf diesen Lageplan sei aber der Bescheid der Behörde gestützt, obwohl der der Aufnahmeschrift vom 26. März 1912 zugrunde liegende Plan nach der Maßeinheit 1 : 2880 nach Zoll erstellt worden sei. Die Beschwerdeführer haben damit Tatsachen angeführt, die die vom Gesetz aufgestellte Vermutung des vollen Beweises für öffentliche Urkunden als erschüttert erscheinen lassen (vgl. dazu Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., S. 327, und die dort zitierte hg. Judikatur). Dies gilt umsomehr deshalb, weil auch jener Lageplan, der dem Widmungsbescheid vom 29. März 1912 nach dem Stand des von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsaktes zugrunde lag, im Maßstab 1 : 2880 erstellt worden ist. Mit diesem Vorbringen hätte sich die belangte Behörde auseinandersetzen müssen. Sie hätte zumindest feststellen müssen, ob die von den Beschwerdeführern mit Fakten (unterschiedliche Pläne udgl.) belegten Zweifel darüber, ob der für das Bauvorhaben benötigte Grundstreifen nach dem - richtig gelesenen - Lageplan des Jahres 1912 als Verkehrsfläche gewidmet ist bzw. welcher Lageplan mit welchem Inhalt konkret dem Widmungsbescheid vom 12. März 1912 zugrunde lag, begründet sind (vgl. dazu in diesem Sinn das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1990, Zl. 89/02/0140). Dies hätte dann - wohl nach Einholung eines Sachverständigengutachtens über diese Frage - in Erledigung des diesbezüglichen Berufungsvorbringens im angefochtenen Bescheid entsprechend dargestellt werden müssen. Das Unterlassen dieser Ermittlungen und Feststellungen ist ein Verfahrensmangel, der auch wesentlich ist, da die belangte Behörde gerade darauf ihre Entscheidung stützt, daß das Grundstück, auf dem das Bauprojekt der Beschwerdeführer errichtet werden soll, durch den Widmungsbescheid vom 12. März 1912 als Verkehrsfläche gewidmet wurde: dies kann sich aber nur aus jenem Lageplan ergeben, der diesem Bescheid tatsächlich zugrunde lag.

Das von der belangten Behörde als wesentliche Entscheidungsgrundlage herangezogene hg. Erkenntnis vom 6. November 1980, Zl. 210/80, entfaltet im Beschwerdefall schon deshalb keine Bindungswirkung, weil sich die Rechtskraftwirkung dieses Erkenntnisses nur auf den damals entschiedenen Beschwerdefall bezieht; seither hat sich jedenfalls die hier bedeutsame Rechtslage durch die Novelle LGBl. Nr. 14/1989, die die schon mehrfach erwähnte Neuregelung des § 58 Abs. 2 Steiermärkische Bauordnung 1968 enthält, geändert (vgl. dazu Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 184 ff).

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben, weil der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf.

Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß sich bereits im Zusammenhang mit dem durch das hg. Erkenntnis vom 6. November 1980, Zl. 210/80, abgeschlossenen verwaltungsgerichtlichen Verfahren Hinweise dafür ergeben haben, daß, bezogen auf das beschwerdegegenständliche Grundstück, ein Flächenwidmungsplan der Landeshauptstadt Graz in Vorbereitung war. Nach der hg. Rechtsprechung entfaltet eine Widmungsbewilligung nach Erlassung bzw. Änderung des Flächenwidmungsplanes insoweit keine Wirkung mehr, als der von der Widmungsbewilligung erfaßte Sachverhalt durch den Flächenwidmungsplan neu geregelt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. November 1989, Zl. 87/06/0118). Die belangte Behörde durfte daher nicht ohne weiters von der mehrfach genannten Beschränkung durch den Widmungsbewilligungsbescheid aus dem Jahre 1912 ausgehen, ohne zu prüfen, ob diese Beschränkung mit einem danach in Kraft getretenen Flächenwidmungsplan im Einklang steht, d.h. ob dieser eine entsprechende Widmung für eine öffentliche Verkehrsfläche enthält.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

Schlagworte

Planung Widmung BauRallg3Beweismittel UrkundenBegründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel AllgemeinAnzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Vervielfältigung von AusfertigungenBeglaubigung der KanzleiBegründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Behandlung von Parteieinwendungen Ablehnung von Beweisanträgen Abstandnahme von Beweisen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1991060016.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten