TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/17 91/14/0193

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Veröffentlicht am 17.03.1994
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §184 Abs3;
EStG 1972 §23;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat) vom 28. Juni 1991, Zl 14/21/1-BK/Ko-1989, betreffend Umsatzsteuer, Abgabe von alkoholischen Getränken, Einkommen- und Gewerbesteuer 1985, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Gewerbesteuer 1985 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer reichte beim Finanzamt für das Jahr 1985 Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen sowie eine Erklärung über die Abgabe von alkoholischen Getränken ein, in welchen Bemessungsgrundlagen und Abgaben für das von ihm (nach einem Fragebogen anläßlich der Eröffnung eines Gewerbebetriebes) ab 1. Oktober 1985 betriebene Club-Cafe "Villa Erotica" ausgewiesen waren. In der ebenfalls vorgelegten Einnahmen-Ausgabenrechnung wurde darauf hingewiesen, daß keine Aufzeichnungen über Tageslosungen aufbewahrt worden seien, weshalb die Erlöse geschätzt hätten werden müssen.

Anläßlich der Veranlagung des Beschwerdeführers zu den erwähnten Abgaben wich das Finanzamt von den Erklärungen ab und setzte den Gesamtbetrag der Entgelte bei der Umsatzsteuer mit S 300.000,-- (laut Erklärung S 230.000,--), bei der Abgabe von alkoholischen Getränken mit S 100.000,-- (laut Erklärung S 67.910,--) und die Einkünfte sowie den Gewinn aus Gewerbebetrieb für die Bemessung der Einkommen- und Gewerbesteuer mit S 100.000,-- (laut Erklärung S 9.018,--) an. Die diesbezüglichen Abgabenvorschreibungen betrugen insgesamt S 61.985,--. In der Begründung dieser Bescheide wurde darauf hingewiesen, daß die Umsätze (bei der Umsatzsteuer und der Abgabe für alkoholische Getränke) in der bescheidmäßig ausgewiesenen Höhe gemäß § 184 BAO geschätzt worden seien, weil die erklärten Umsätze offensichtlich unrichtig seien bzw daß der Gewinn infolge der schwerwiegenden Mängel der Bücher und Aufzeichnungen griffweise geschätzt worden sei.

Nachdem das Finanzamt hinsichtlich der festgesetzten Abgaben für 1985 Exekutionsmaßnahmen gesetzt hatte, teilte der Beschwerdeführer über seinen ausgewiesenen steuerlichen Vertreter mit, daß ihm keine Steuerbescheide zugestellt worden seien, und ersuchte, dies nachzuholen. In der Folge stellte das Finanzamt dem Beschwerdeführer die Steuerbescheide - diesmal mit Zustellnachweis - zu. In der dagegen eingebrachten Berufung wurde ausgeführt, daß in den Steuererklärungen versucht worden sei, ein den tatsächlichen Verhältnissen nahekommendes Schätzungsergebnis zu erzielen, während das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen nur griffweise geschätzt habe, ohne auf die logischen Zusammenhänge zwischen Umsatz und Gewinn Rücksicht zu nehmen. Es wurde beantragt, die Veranlagungen entsprechend den eingereichten Steuererklärungen durchzuführen.

Nach Einvernahme des Beschwerdeführers zur Frage, womit er im Jahre 1985 seinen Lebensunterhalt bestritten habe, erklärte der Beschwerdeführer über schriftlichen Vorhalt, worin unter anderem um Mitteilung von Namen und Anschriften der "Freundinnen" des Beschwerdeführers, welche nach dem Ergebnis der erwähnten Einvernahme den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers bestritten hätten, ersucht wurde, über seinen steuerlichen Vertreter, daß er nicht gewillt sei, irgendwelche Daten von Personen, die ihm persönlich nahestünden bzw gestanden seien, an die Abgabenbehörde weiterzuleiten. Seiner Ansicht nach erscheine die Beantwortung der Frage unzumutbar, da diese Daten in keinerlei Zusammenhang mit seinen gewerblichen Einkünften stünden.

Mit Berufungsvorentscheidung änderte das Finanzamt die angefochtenen Abgabenbescheide insofern ab, als es Umsatzsteuer in Höhe von S 65.800,-- (bisher S 19.730,--), Abgabe von alkoholischen Getränken in Höhe von S 12.000,-- (bisher S 10.150,--), Einkommensteuer in Höhe von S 101.574,-- (bisher S 18.009,--) und Gewerbesteuer in Höhe von S 41.490,-- (bisher S 14.096,--) vorschrieb. Bei dieser Schätzung ging das Finanzamt von einem Geldbedarf des Beschwerdeführers im Jahre 1985 in Höhe von rund S 350.000,-- brutto bzw S 291.666,67 netto aus und rechnete letzteren Betrag dem erklärten Gewinn bzw den erklärten Umsätzen hinzu.

In einem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz hielt der Beschwerdeführer zunächst fest, daß der für den Gewerbebetrieb ermittelte Gewinn für 1985 richtig sei. Es sei lediglich eine Zurechnung von weiteren Einkünften erfolgt, ohne näher zu erläutern, auf Grund welcher Tatsache eine Steuerpflicht der Zuwendungen der Freundinnen des Beschwerdeführers vorliege. Ebenso sei bei der Umsatz- und Gewerbesteuer eine entsprechende Zurechnung erfolgt, ohne die Tatbestandsverwirklichung näher zu erläutern. Auch bei der Abgabe von alkoholischen Getränken sei die Bemessungsgrundlage ohne Begründung geändert worden.

In einem darauf bezugnehmenden Schreiben der Abgabenbehörde zweiter Instanz wurde ausgeführt, daß es im allgemeinen unüblich sei, wenn jemand gleichzeitig von mehreren Freundinnen Geschenke (= unentgeltliche Zuwendungen) erhalte. Es wäre daher die Aufgabe des Beschwerdeführers, die Gründe dafür darzulegen, die für das unübliche Verhalten von Freundinnen maßgebend und mitbestimmend gewesen seien. Es sei amtsbekannt, welche Art von Betrieb die "Villa Erotica" darstellt. Welche Art von Leistungen ein Bordellbetreiber an seine Damen ("Freundinnen") erbringe, dürfte allgemein bekannt sein. Sollte dies nicht der Fall sein, so könnten die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in einem zitierten (einen Zuhälter betreffenden) Erkenntnis zusätzliche Aufklärung bringen. Sofern die Gründe für die Zuwendungen nicht dargelegt würden, wäre anzunehmen, daß diese Gründe die Abgabepflicht der Zuwendungen hinsichtlich Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer auslösten.

Da bei der Zuschätzung laut Berufungsvorentscheidung die Finanzierung des Kaufpreises für eine mit Kaufvertrag vom 29. April 1985 erworbene Liegenschaft nicht berücksichtigt worden sei, wäre ein zusätzlicher Mittelbedarf von S 91.667,-- (netto, S 110.000,-- brutto) anzunehmen, falls keine diesbezüglichen Darlehensunterlagen vorgelegt würden.

Hinsichtlich der "Alkoholabgabe" werde darauf hingewiesen, daß beabsichtigt sei, den erklärten Umsätzen die gesamte Umsatzdifferenz entsprechend der Aufteilung in den Erklärungen auf 60 % Getränke und davon 70 % alkoholische Getränke zuzurechnen.

In Beantwortung dieses Schreibens wies der Beschwerdeführer darauf hin, es möge sein, daß es im allgemeinen Volksempfinden als unsittlich bzw unmoralisch empfunden werde, sich von anderen Personen "aushalten zu lassen", doch werde dieses Verhalten nicht nur von ihm gesetzt, sondern komme dies auch in den besten Familien durch die Unterstützung nicht erwerbswilliger Personen durch deren Angehörige vor, obwohl auch hier eine gesetzliche Verpflichtung zur Unterstützung nicht gegeben sei. Es möge auch amtsbekannt sein, daß in dem betreffenden Betrieb selbständig arbeitenden Prostituierten die Möglichkeit gegeben wurde, gegen Entrichtung eines entsprechenden Entgeltes die Prostitution auszuüben. Dies werde nicht bestritten. Die Entgelte der Nutzungsüberlassung der Zimmer zur Ausübung der Prostitution wären in den eingereichten Steuererklärungen aber berücksichtigt.

Vehement zurückgewiesen werden müsse die Zitierung des einen rechtskräftig verurteilten Zuhälter betreffenden Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnisses.

Soweit die Konsequenz einer Steuerpflicht angedeutet werde, wenn es dem Beschwerdeführer nicht gelänge, das "unübliche Verhalten seiner Freundinnen" zu erklären, werde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Juni 1969, 85/13/0206, hingewiesen, wonach es der Abgabenbehörde obliege, aufzuzeigen, welcher Art vermutete gewerbliche Einkünfte gewesen sein könnten. Ohne den geringsten Anhaltspunkt für die Ausübung einer konkreten Tätigkeit könnten gewerbliche Einkünfte auch nicht im Schätzungsweg unterstellt werden. In der Zeit vom 1. Jänner bis 30. September 1985 hätte der Beschwerdeführer überdies keine Getränke verkauft.

Anläßlich weiterer Erhebungen wurde der Behörde die Kopie eines Pachtvertrages - welcher offenbar zumindest die letzte Seite mit den Unterschriften fehlte - zwischen dem Liegenschaftseigentümer einerseits und AJ und AL andererseits vorgelegt, in welchem der Beginn des Pachtverhältnisses mit 1. September 1985 angegeben ist. Eine vorgelegte Kopie eines (ebenfalls keine Unterschriften aufweisenden) Pachtvertrages zwischen dem Liegenschaftseigentümer einerseits und dem Beschwerdeführer bzw einem FH andererseits betraf einen Pachtbeginn ab 1. März 1986.

Darauf angesprochen führte der Beschwerdeführer in einer Einvernahme aus, daß AJ und AL bei ihm bzw als Prostituierte im Lokal gearbeitet hätten. Unternehmer wäre immer er gewesen, das Anführen der Pächterinnen AJ und AL wären reine Scheinhandlungen gewesen.

In einem Vorhalt vom 14. Mai 1991 faßte die Abgabenbehörde zweiter Instanz den sich aus den bis dahin angestellten Erhebungen ergebenden Sachverhalt zusammen, teilte die bei Berufungsentscheidung beabsichtigten Sachverhaltsannahmen (darunter, daß der Club bereits ab 1. September 1985 vom Beschwerdeführer geführt worden sei und in den Monaten Jänner bis August Prostituierte für den Beschwerdeführer gearbeitet hätten und dies der Grund für die gleichzeitigen Geschenke gewesen seien) sowie die beabsichtigte Schätzungsmethode inklusive eines 70%-igen Sicherheitszuschlages mit und gab dem Beschwerdeführer Gelegenheit, sich hiezu zu äußern.

Mit einem ebenfalls am 14. Mai 1991 datierten Schreiben teilte der Beschwerdeführer als Reaktion auf die zuletzt angeführte Einvernahme mit, daß er seine Zustimmung zur Erlassung einer zweiten Berufungsvorentscheidung erteile, wobei "diese Zustimmung an die Bedingung geknüpft sei, daß der Spruch der zweiten Berufungsvorentscheidung den Beilagen entsprechend laute". Danach wurden die Abgaben bzw Bemessungsgrundlagen hiefür - grundsätzlich den eingereichten Erklärungen entsprechend - in Berücksichtigung einer Betriebseröffnung am 1. September 1985 auf vier Monate hochgerechnet. Das Schreiben der Abgabenbehörde vom 14. Mai 1991 blieb unbeantwortet.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde die erstinstanzlichen Bescheide insofern ab, als nunmehr - ausgehend vom Geldbedarf des Beschwerdeführers und der Eröffnung des Betriebes am 1. September 1985 - hinsichtlich der Umsatzsteuer und der Abgabe von alkoholischen Getränken die für drei Monate erklärten Umsätze auf vier Monate hochgerechnet und jeweils ein Sicherheitszuschlag von 70 % hinzugerechnet wurden, hinsichtlich der Einkommen- und Gewerbesteuer die Betriebseinnahmen und - mit Ausnahme der Materialausgaben und Abschreibungen - Betriebsausgaben auf vier Monate hochgerechnet wurden und den Betriebseinnahmen ebenfalls ein Sicherheitszuschlag von jeweils 70 % hinzugerechnet wurde. Überdies wurden bei der Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer zusätzliche Entgelte bzw Einnahmen (für den Zeitraum 1 bis 8/85) aus dem Titel "Beschützerleistungen" in Höhe von insgesamt S 200.000,-- berücksichtigt. Den Gewerbesteuerbescheid änderte die belangte Behörde auch insofern ab, als ein Hebesatz von 342 %, somit inklusive Kammerzuschlägen in Anwendung gebracht wurde.

Hinsichtlich der für den Zeitraum Jänner bis August 1985 zugerechneten Entgelte und Einnahmen führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, daß der Senat in freier Beweiswürdigung davon ausgegangen sei, daß für den Beschwerdeführer gleichzeitig mehrere Damen ihrem freien Gewerbe nachgegangen seien und für die vom Beschwerdeführer erbrachten Leistungen des "Beschützers" entsprechende Beträge an ihn entrichtet hätten. Die selbst angegebene Zahl (zwischen drei und sieben Damen) bestätige dabei die Bereitschaft des Beschwerdeführers, mit einer Mehrzahl von Personen in Leistungsbeziehungen zu treten. Daß der Beschwerdeführer hinsichtlich dieser Tätigkeit Weisungen eines Dritten unterliege, sei nicht einmal behauptet worden. Die Nachhaltigkeit der Betätigung ergebe sich bereits aus der Dauer der Tätigkeit. Die Absicht, daraus Gewinne zu erzielen, ergebe sich einerseits aus dem Bedarf der für den eigenen Lebensunterhalt notwendigen Mittel und andererseits aus den daraus verschafften Vermögenswerten. Der Senat gehe daher davon aus, daß die Voraussetzungen für das Vorliegen von Einkünften aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 23 EStG 1972 gegeben seien. "Freiwillige Zuwendungen" lägen nicht vor, wenn die Zuwendungen auf rein wirtschaftlicher Basis erbracht würden, den Zuwendungen sohin eine gleichwertige Leistung des Empfängers entspreche. Nachforschungen darüber seien durch die im Verlaufe des Berufungsverfahrens verweigerte Bekanntgabe der Namen und Anschriften der "Freundinnen" verhindert worden.

Im übrigen wurde ausgeführt, da weder die tatsächlichen Wareneinkäufe, die Anzahl der tätigen Damen noch der tatsächliche Beginn der Tätigkeit mit Sicherheit bekannt sei, bleibe nach Ansicht des Senates nur eine Schätzung unter Zugrundelegung eines angemessenen Verbrauches unter Berücksichtigung der bekannten Vermögenstransaktionen. Sie ergäben bei Umrechnung der erklärten Beträge von drei auf vier Monate und der Annahme eines 70%-igen Sicherheitszuschlages zu den umgerechneten Beträgen die in der Folge dargestellten Besteuerungsgrundlagen.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid erkennbar in seinem Recht verletzt, für den Zeitraum Jänner bis August 1985 für Zuwendungen seiner Freundinnen nicht mit Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer, für den Zeitraum des Betriebes des Club-Cafes hinsichtlich aller Abgaben nicht mit einem 70%-igen Sicherheitszuschlag und überdies hinsichtlich der Gewerbesteuer nicht mit Kammerzuschlägen belastet zu werden und beantragte die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 184 Abs 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

Zu schätzen ist nach Abs 2 dieser gesetzlichen Bestimmung insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs 1) wesentlich sind, und nach Abs 3, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorgelegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Unbestritten ist im Beschwerdefall, daß die belangte Behörde danach zur Schätzung der Bemessungsgrundlagen für die Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer sowie die Abgabe von alkoholischen Getränken des Streitjahres berechtigt und verpflichtet war, weil der Beschwerdeführer von ihm zu führende Aufzeichnungen nicht vorgelegt hat. Unstrittig ist auch die Höhe des Geldbedarfes des Beschwerdeführers im Streitjahr, welche die belangte Behörde als Ausgangsbasis ihrer Schätzung zugrunde gelegt hat.

Strittig ist allerdings die Höhe der Bemessungsgrundlagen für die erwähnten Abgaben, soweit sie den - unbestritten entsprechende Steuerpflichten auslösenden - Betrieb des Club-Cafes betreffen.

Dem Grunde nach strittig ist insbesondere die Frage, ob die dem Beschwerdeführer von seinen Freundinnen zugewendeten Beträge umsatz-, einkommen- und gewerbesteuerpflichtig sind.

Hinsichtlich der zuletzt genannten Beträge ist die belangte Behörde dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht gefolgt, daß es sich um - nicht der Steuerpflicht unterliegende - freiwillige Zuwendungen der Freundinnen des Beschwerdeführers handle. Die belangte Behörde ist vielmehr in Würdigung der ihr vorliegenden Ermittlungsergebnisse davon ausgegangen, daß es sich bei den "Freundinnen" des Beschwerdeführers um Prostituierte handelt, welche dem Beschwerdeführer auf wirtschaftlicher Basis entsprechende Beträge für seine Beschützerleistungen zahlen.

Eine Unschlüssigkeit dieser Beweiswürdigung vermag der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, es sei absolut nicht einsehbar, aus welchen Grundsätzen die belangte Behörde vermeine, ableiten zu können, daß "es schlichtweg ... ungewöhnlich ist, GLEICHZEITIG Zuwendungen von mehreren Damen ... zu erhalten", nicht aufzuzeigen. Nach der mit diesen "Grundsätzen" angesprochenen Lebenserfahrung steht das Beweiswürdigungsergebnis nämlich durchaus in Einklang. Soweit der Beschwerdeführer darauf hinweist, daß nach der Betriebseröffnung von den im Lokal frei tätigen Prostituierten Entgelte für die Überlassung der Zimmer zur Ausübung der Prostitution eingehoben wurden, diese Entgelte aber in den eingereichten Abgabenerklärungen enthalten seien, so zeigt auch dieser Umstand nicht auf, daß die Beweiswürdigung den Denkgesetzen widerspricht: Die belangte Behörde hat an keiner Stelle des angefochtenen Bescheides behauptet, daß die Prostituierten, gegenüber denen der Beschwerdeführer Beschützerleistungen erbracht hat, überhaupt (auch) im Clubbetrieb beschäftigt waren, zumal diese Beschützerleistungen gerade für einen Zeitraum angenommen wurden, in welchem der Betrieb noch NICHT eröffnet war. Davon abgesehen ist ein Zusammenhang zwischen den Entgelten für die Überlassung der Zimmer und den Entgelten für Beschützerleistungen nicht erkennbar. Die belangte Behörde hat in keiner Weise angenommen, daß etwa die Entgelte für die Überlassung der Zimmer in Wahrheit Entgelte für Beschützerleistungen wären.

Soweit die belangte Behörde bei Beurteilung der somit

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unbedenklich - als erwiesen angenommenen Einnahmen des Beschwerdeführers aus Beschützerleistungen diese als Einkünfte aus Gewerbebetrieb beurteilt hat, teilt der Gerichtshof die Ansicht der belangten Behörde, daß diesbezüglich die Voraussetzungen des § 23 EStG 1972 erfüllt sind. Die Beschwerde wendet in diesem Zusammenhang nur ein, daß die Bereitschaft, mit einer Mehrzahl von Personen in Leistungsbeziehungen zu treten (womit das Tatbestandsmerkmal der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr angesprochen wird) erst nach Betriebseröffnung gegeben sei, übersieht jedoch, daß die belangte Behörde die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmales deswegen nicht "auf Zeiten vor der Betriebseröffnung unzulässigerweise zurückbezogen" hat, weil der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren hinsichtlich des Zeitraumes vor Betriebseröffnung (des Club-Cafe"s) eingeräumt hat, daß ihm "freiwillig Unterhalt von mehreren weiblichen Personen gewährt wurde". Überdies bestreitet der Beschwerdeführer die Absicht, "aus der freiwilligen Gewährung des Unterhalts Gewinne zu erzielen". Dazu ist einerseits darauf hinzuweisen, daß - wie erwähnt - die belangte Behörde der Ansicht des Beschwerdeführers, daß ihm freiwillig Unterhalt gewährt wurde, nicht gefolgt ist, andererseits ist bei Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales - abgesehen davon, daß bei einer "gewinnträchtigen" Tätigkeit die subjektive Gewinnabsicht zu vermuten ist - entscheidend, daß eine Tätigkeit objektiv betrachtet Gewinne erwarten läßt (vgl Schubert/Pokorny/Schuch/Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2, Tz 13 zu § 23 EStG 1972). Aber auch die Ansicht des Beschwerdeführers, daß Einkünfte aus Gewerbebetrieb deswegen nicht vorlägen, weil der Beschwerdeführer "seine" Prostituierten nicht regelmäßig deren Kunden vermittelt hätte, findet im Gesetz deswegen keine Deckung, weil Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach den Tatbestandsmerkmalen des § 23 EStG 1972 nicht nur Vermittlungsleistungen sind. Soweit der Beschwerdeführer die Formulierung der "Vermittlung seiner Prostituierten" im Hinblick auf das hg Erkenntnis vom 21. Februar 1984, 83/14/0001, gewählt haben sollte, ist

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abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer es entschieden ablehnt, mit dem damaligen Beschwerdeführer, einem rechtskräftig verurteilten Zuhälter, verglichen zu werden, dem Beschwerdefall somit unbestritten ein anderer Sachverhalt zugrundezulegen ist - der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof im zitierten Erkenntnis auch ausgesprochen hat, es wäre nicht grundsätzlich auszuschließen, daß ein Zuhälter Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Voraussetzung wäre allerdings, daß alle Tatbestandsmerkmale des § 23 Z 1 EStG 1972 erfüllt sind, wie es ETWA der Fall wäre, wenn der Zuhälter "seine" Prostituierte(n) regelmäßig deren Kunden vermittelt. Durch das Wort "etwa" hat der Gerichtshof beispielhaft ausgedrückt, wie ein Sachverhalt beschaffen sein könnte, um die Beurteilung von aus einer bestimmten Tätigkeit fließenden Einnahmen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu rechtfertigen. Im damaligen Beschwerdefall bot sich aber nach den Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde kein Anhaltspunkt, daß der (damalige) Beschwerdeführer mit der auf eine Prostituierte beschränkten Zuhälterei den Tatbestand gewerblicher Einkünfte verwirklicht hätte.

Das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer hätte vor Betriebseröffnung niemandem die Prostitution "ermöglicht", weshalb keine Gegenleistung vorliege, geht an der Sache deswegen vorbei, weil eine diesbezügliche Leistung des Beschwerdeführers von der belangten Behörde nicht unmittelbar als erwiesen angenommen wurde. Geht man jedoch davon aus, daß den Prostituierten durch die Gewährung von Schutz - mittelbar - die Prostitution ermöglicht wird, so steht die Behauptung des Beschwerdeführers mit der wie ausgeführt unbedenklichen Beweiswürdigung der belangten Behörde in Widerspruch. Daß der Beschwerdeführer Nachforschungen der belangten Behörde zur Frage, ob die Zuwendungen einer gleichwertigen Leistung des Beschwerdeführers entsprochen haben, infolge Nichtbekanntgabe der Namen (und Anschriften) der "Freundinnen" verhindert hat, findet in der Aktenlage Deckung. Führte der Beschwerdeführer doch über ausdrückliche schriftliche Anfrage des Finanzamtes nach Namen und Anschriften seiner "Freundinnen" mit Schriftsatz seines steuerlichen Vertreters vom 31. August 1988 aus, daß er "nicht gewillt ist, irgendwelche Daten von Personen, die ihm persönlich nahestehen bzw standen, an die Abgabenbehörde weiterzuleiten". Eine solche Bekanntgabe von Daten erscheine unzumutbar, da die Daten in keinerlei Zusammenhang mit seinen gewerblichen Einkünften stünden. Soweit nunmehr in der Beschwerde ausgeführt wird, daß der Behörde insgesamt drei Personen namentlich und anschriftlich bekannt gewesen wären, so ist darauf hinzuweisen, daß weder die belangte Behörde davon ausgegangen ist, noch der Beschwerdeführer konkret behauptet hat, eine, zwei oder alle drei dieser Personen wären diejenigen Prostituierten, die den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers im Streitjahr finanzierten. Hinsichtlich FA - die nach den Angaben des Beschwerdeführers selbst einen Club in I führte - hat der Beschwerdeführer nur ausgesagt, daß sie für die Erlangung eines Kredits zum Ankauf eines Pkws gebürgt hatte (nach dem den Verwaltungsakten in Kopie angeschlossenen Kreditanbot allerdings erst im Jahre 1987) bzw ein zweiter Pkw "durch Kreditaufnahme von FA und ihm finanziert" worden sei. Diesbezüglich findet sich in den vorgelegten Verwaltungsakten die Kopie eines vom Bankinstitut angenommenen Kredit- und Zessionsanbotes vom 19. Dezember 1983. Angaben hinsichtlich der Rückzahlung des Kredites, insbesondere betreffend das Streitjahr, wurden nicht gemacht. Auch hinsichtlich AJ und AL, welche im Clubbetrieb zwar unbestrittenermaßen als Prostituierte tätig waren, lagen der belangten Behörde keine Ermittlungsergebnisse vor, daß diese beiden Personen (oder eine von ihnen) den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers (mit-)finanzierten. Ganz im Gegenteil: Eine gezielte Frage der belangten Behörde, ob AJ und AL auch "Freundinnen" des Beschwerdeführers gewesen wären, beantwortete dieser nur dahin, daß diese als Prostituierte im Lokal gearbeitet hatten.

Das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer hätte sämtliche an ihn gestellten Fragen vollständig und wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet, ist daher unbegründet.

Zur Behauptung des Beschwerdeführers, der neu der belangten Behörde in Ansatz gebrachte Sicherheitszuschlag von 70 % sei ein "denkunmöglicher" Vorgang bzw (im Hinblick auf die Abgabe von alkoholischen Getränken) rechtswidrig erfolgt, ist folgendes zu sagen: Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Annahme des Beschwerdeführers, die belangte Behörde hätte den Sicherheitszuschlag offenbar nur deshalb in dieser Höhe gewählt, um die vorgefaßte Anschauung zu untermauern, daß "in diesem Milieu eben besondere Verhältnisse herrschen", nicht nachvollziehbar ist, weil die belangte Behörde die Höhe des Sicherheitszuschlages letztlich hinreichend erkennbar damit begründet hat, daß dieser Sicherheitszuschlag anzusetzen war, damit der im Streitjahr durchschnittliche monatliche Geldbedarf des Beschwerdeführers für den Zeitraum des Clubbetriebes in den Einnahmen dieses Clubbetriebes Deckung findet. Im übrigen gehört aber die Anwendung eines sogenannten Sicherheitszuschlages nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Elementen der Schätzung (vgl Stoll, BAO, Handbuch, S 425 und die dort angeführte Judikatur oder aus jüngerer Zeit etwa die hg Erkenntnisse vom 26. November 1991, 91/14/0041, oder vom 15. September 1993, 92/13/0004). Da im Beschwerdefall - wie oben ausgeführt - eine Schätzung zu Recht erfolgte, ist der Ansatz des Sicherheitszuschlages weder als "denkunmöglich" noch als rechtswidrig zu erkennen.

Hinsichtlich der Umsatzsteuer im Zusammenhang mit den Beschützerleistungen vertritt der Beschwerdeführer zwar die Ansicht, daß er diesbezüglich weder Lieferungen noch sonstige Leistungen erbracht hätte und nicht Unternehmer gewesen wäre, doch teilt hier der Gerichtshof ebenfalls die Ansicht der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer auch mit seinen Beschützerleistungen unternehmerisch tätig wurde, weil die diesbezüglich im Umsatzsteuergesetz normierten Voraussetzungen in ihrer Gesamtheit erfüllt sind. Soweit der Beschwerdeführer hinsichtlich der Umsatzsteuer überdies rügt, daß die sich aus der Pachtzahlung für September 1985 ergebende Vorsteuer nicht berücksichtigt wurde, ist lediglich darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer selbst nicht behauptet hat, daß diesbezüglich eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis ausgestellt worden war.

Zuzustimmen ist dem Beschwerdeführer jedoch darin, daß die belangte Behörde von der Gewerbesteuererklärung bzw dem erstinstanzlichen Gewerbesteuerbescheid ohne jede Begründung insofern abgewichen ist, als im angefochtenen Bescheid ein Hebesatz von 342 %, somit inklusive Kammerzuschlägen, in Ansatz gebracht wurden. Die in der Gegenschrift nachgetragene Begründung hiefür kann jedoch schon deshalb nicht erfolgreich sein, weil der Beschwerdeführer jedenfalls hinsichtlich der ebenfalls Teil der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer bildenden Beschützerleistungen keinen gastwirtschaftlichen Betrieb unterhalten hat.

Nicht entscheidungswesentlich sind unter Berücksichtigung der geltend gemachten Beschwerdepunkte folgende, bisher noch nicht behandelte Verfahrensrügen:

1.

Ob oder wem gegenüber AJ und AL als Pächterinnen des Clubbetriebes "vorgeschoben" wurden, sowie, ob und warum der Anzeigepflicht hinsichtlich der Betriebseröffnung nicht entsprochen wurde, weil der Zeitpunkt der Betriebseröffnung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr strittig ist.

2.

Wann dem Beschwerdeführer die Aufzeichnungspflichten bewußt wurden, bzw aus welchen Gründen er die geführten Aufzeichnungen vernichtete, weil die Schätzungsberechtigung - unbestritten - jedenfalls gegeben ist.

3.

Ob Erhebungen bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde betreffend einen Vorgang vom 29. März 1985 dem Beschwerdeführer vorgehalten wurden bzw ob bestimmte Erhebungen für den Zeitraum ab 29. März 1985 unterlassen wurden; diesbezüglich wird in der Beschwerde selbst eingeräumt, daß die Vorgänge vor dem September 1985 den Beschwerdeführer nicht betreffen.

Auch mit dem Hinweis auf die Formulierung der belangten Behörde in der Sachverhaltsdarstellung des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdeführer hätte um Zustellung der "angeblich" nicht zugegangenen Steuerbescheide ersucht, wird im Rahmen des Beschwerdepunktes eine relevante Rechtsverletzung des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt. In der Beschwerde wird nämlich ausdrücklich vorgebracht, daß die Abgabenbescheide 1985 tatsächlich nicht zugegangen waren. Der Beschwerdeführer erachtet sich vor dem Verwaltungsgerichtshof also in seinem Recht auf Bestandskraft schon früher zugestellter Bescheide nicht verletzt.

Aus den oben angeführten Erwägungen war der angefochtene Bescheid daher hinsichtlich der Gewerbesteuer für 1985 gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, im übrigen aber gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1991140193.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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