TE Vfgh Erkenntnis 1991/10/9 G43/91

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Veröffentlicht am 09.10.1991
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Index

98 Wohnbau
98/04 Wohnungsgemeinnützigkeit

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
WohnungsgemeinnützigkeitsG §14 Abs1 zweiter Satz idF §55 Z2 MietrechtsG
MietrechtsG §55 Z2

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit des im WohnungsgemeinnützigkeitsG normierten pauschalierenden, aber verbrauchsorientierten Heizkostenaufteilungsschlüssels bei Feststellung des Verbrauchs jedes einzelnen Benützers einer zentralen Wärmeversorgungsanlage durch Meßgeräte

Spruch

Der zweite Satz in §14 Abs1 des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes, BGBl. Nr. 139/1979, in der Fassung des §55 Z2 des Mietrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 520/1981, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. September 1992 in Kraft.

Frühere Vorschriften treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien beantragt die Aufhebung des zweiten Satzes des §14 Abs1 Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG), BGBl. 139/1979, in der Fassung des §55 Z2 Mietrechtsgesetz, BGBl. 520/1981. Es hat über eine Berufung des Beklagten gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Döbling zu entscheiden, welches diesen unter Anwendung der angegriffenen Vorschrift zur Zahlung von Heizkosten in Höhe von 27.351,88 S für 1984 sowie von 31.763,21 S für 1985 an die klagende gemeinnützige Bauvereinigung verpflichtet hatte.

1. Der zweite Satz des §14 Abs1 WGG steht im Eingangssatz dieser Gesetzesstelle unter der Rubrik "Berechnung des Entgelts" in folgendem Zusammenhang:

"(1) Das angemessene Entgelt für die Überlassung des Gebrauchs einer Wohnung oder eines Geschäftsraumes ist mit der Besonderheit, daß bei einzelnen Betriebskostenarten und bei den Kosten für den Betrieb gemeinschaftlicher Anlagen die Berechnung auch nach dem Verhältnis der unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten erfolgen kann, unter Bedachtnahme auf §13 nach dem Verhältnis der Nutzflächen zu berechnen, sofern nicht zwischen der Bauvereinigung und allen Mietern oder sonstigen Nutzungsberechtigten einer Baulichkeit schriftlich ein anderer Aufteilungsschlüssel vereinbart wurde. Ist der Verbrauch oder der Anteil am Gesamtverbrauch jedes einzelnen Benützers einer zentralen Wärmeversorgungsanlage durch besondere Vorrichtungen (Geräte) feststellbar, so sind von den Mietern oder sonstigen Nutzungsberechtigten, die die Anlage benützen, 60 v.H. der durch den Betrieb der Anlage auflaufenden Kosten des Verbrauches nach Maßgabe des durch die besonderen Vorrichtungen (Geräte) festgestellten Verbrauches oder Anteils am Gesamtverbrauch, der Restbetrag der Verbrauchskosten und die sonstigen Kosten des Betriebes aber nach dem Verhältnis der Nutzflächen zu berechnen. Die vom Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten vor Abschluß des Vertrages oder zu diesem Anlaß zusätzlich erbrachten Beiträge zur Finanzierung des Bauvorhabens sind bei der Berechnung des Entgelts betragsmindernd zu berücksichtigen. Bei der Berechnung des Entgelts dürfen angerechnet werden: ..."

Diese - im Mietrechtsgesetz als "erster Absatz des §14 Abs1" bezeichnete - Fassung ist in den Erläuterungen zu diesem Gesetz (425 BlgNR, 15.GP 45f) wie folgt motiviert:

Die Z1 trägt der zwischen dem Bund und allen Ländern gemäß Art15a B-VG geschlossenen Vereinbarung über die Einsparung von Energie Rechnung, deren Art16 zur Aufteilung von Heizkosten vorsieht:

'Sofern in Gebäuden mit zentralen Wärmeversorgungsanlagen Geräte zur Feststellung der individuellen Verbrauchsanteile installiert sind, werden die gesamten Heizkosten der zentralen Wärmeversorgungsanlage zum überwiegenden Teil unter Berücksichtigung des festgestellten individuellen Verbrauchsanteiles aufzuteilen sein.'

Aus den Erläuterungen zu dieser Vereinbarung ergibt sich, daß diese Verteilungsgrundsätze nicht nur im MRG, sondern auch im WGG und WEG 1975 angewendet werden sollen. Überdies wird darin auf die verschiedenartige Arbeitsweise der derzeit zur Verfügung stehenden 'Wärmemengenmeßgeräte' und 'Verdunstungsmesser' hingewiesen und folgendes festgehalten:

'Bei der Abrechnung wird in der Regel so vorgegangen, daß ein bestimmter Betrag (Sockelbetrag) nach einem festen Maßstab festgelegt wird, während der übrige, überwiegende Teil der Heizkosten einer zentralen Wärmeversorgungsanlage nach einem veränderlichen verbrauchsabhängigen Maßstab auf die Abnehmer umgelegt wird. Ein `Sockelbetrag` ist auch vom Standpunkt des sparsamen Umganges mit Energie sinnvoll. Es muß ein Ausgleich geschaffen werden zwischen jenen Objektbenützern, die permanent ihr Objekt bewohnen und solchen, die nur intermittierend heizen und deren Objekte in den Unterbrechungsperioden gleichsam von der Nachbarschaft mitbeheizt werden. Es soll auch auf diese Weise unterbunden werden, daß Objektbenützer radikal die Wärmezufuhr unter jenes Maß bringen, das für die Aufrechterhaltung der Versorgungseinrichtungen, speziell der Wasserversorgung, notwendig ist, und dadurch die Bausubstanz bauphysikalisch erheblich beschädigt werden kann.'

Diesen Erwägungen tragen die in diesem Entwurf vorgesehenen analogen Regelungen in §21 Abs1, §14 Abs1 WGG (§43 Z1) und §19 Abs1 WEG 1975 (§44) Rechnung, wobei auf die verschiedenartige Arbeitsweise der Wärmemengenmeßgeräte und der Verdunstungsmesser durch die Umschreibung 'nach dem festgestellten Verbrauch (so die Wärmemengenmeßgeräte) oder Anteil am Gesamtverbrauch' (so die Verdunstungsmesser) Bedacht genommen wird."

Die hier genannten Erläuterungen zur Vereinbarung über die Einsparung von Energie finden sich in 268 BlgNR, 15.GP, 14.

2. Unter Bezugnahme auf Feststellung des Erstgerichtes legt das antragstellende Gericht als Ausgangspunkt seiner Bedenken folgenden Sachverhalt vor:

"Die Wohnhausanlage, in der die vom Kläger genutzte Wohnung liegt, besteht aus mehreren Blöcken, die von einer gemeinsamen Fernwärmeübergabestation mit Wärmeenergie versorgt werden. Die Nebenintervenientin als von der Klägerin beauftragtes Wärmeabrechnungsunternehmen brachte an den einzelnen Heizgeräten Erfassungsgeräte (System elektronische Heizkostenverteiler) an. Abrechnungsschlüsses sind 40 % des Verbrauches nach Nutzfläche und 60 % der auflaufenden Kosten nach Maßgabe des durch die Erfassungsgeräte festgestellten Verbrauches. Die Messung des Wärmeverbrauches erfolgt für mehrere Blöcke gemeinsam über einen Wärmezähler. Der Energieverbrauch für die Wasserwärmung wird getrennt erfaßt.

Die Heizwassertemperatur wird witterungsunabhängig gesteuert, die Heizungsanlage ist nach dem Einrohrsystem konzipiert, wobei die Einrohrringleitungen die Wohnungsgrenzen teilweise überschreiten, wie z.B. auf der Stiege 2 und 3.

Zum Ausgleich des unterschiedlichen Wärmebedarfes bei unterschiedlicher Wohnungslage (exponiert gelegene Wohnungen haben einen höheren Energieverbrauch als innenliegende) werden Korrekturfaktoren angewendet. Die verwendete Gerätekategorie ist prinzipiell geeignet für die konkrete Wohnhausanlage. Es tritt aber folgende Problematik auf:

Nur ein Teil der für die Raumheizung verwendeten Energie wird über die Heizkörper abgegeben, der andere Teil wird über die Rohrleitung in den Installationsschächten bzw. im Estrichbereich als sekundäre Wärme abgegeben und ebenfalls den Wohnungen als Heizenergie zugeführt (versteckter Heizkörper).

Meßtechnisch erfaßbar ist nur der über die Heizkörper abgegebene Energieanteil der andere Teil jedoch nicht. In der streitverfangenen Wohnhausanlage überwiegt der nicht über die Heizkörper abgegebene Wärmeanteil deutlich, sodaß 90 % der Wärme über die Rohre abgegeben wird und lediglich 10 % über die Heizkörper. Bei der Erfassung des individuellen Verbrauches an der Heizenergie treten eklatante Fehler durch die hohe Wärmeabgabe durch das Rohrsystem auf. Für diese Fehler ist jedoch nicht die technische Funktion der Meßgeräte verantwortlich, sondern die jetzige Betriebsweise der Anlage. Für den Beklagten sind für seine eklatant hohen Heizkosten vor allem der Rippenheizkörper im Wohnzimmer verantwortlich. Die hohen Heizkosten ergeben sich einerseits durch die ungünstige Lage der Wohnung (dreiseitig offen, Dachgeschoß) sowie die schlecht konzipierte Rohranlage, sodaß der Großteil der Wärme nicht über die Heizkörper selbst, sondern über die Rohre abgegeben wird und durch einmaliges Aufdrehen eines Heizkörpers andere Wohnungen durch die Rohre gleichsam mitgeheizt werden, ohne daß es in diesen Wohnungen erforderlich wäre, den Heizkörper aufzudrehen. Da lediglich eine Vergleichsmessung durch die zur Wärmeerfassung montierten Einfühlergeräte erfolgt, entfallen auf den Beklagten unverhältnismäßig hohe Heizkosten."

An diese Darstellung knüpft das Berufungsgericht die folgenden verfassungsrechtlichen Bedenken:

"Die hier zwingend anzuwendende Bestimmung des §14 Abs1 Satz 2 WGG idF §55 Z2 MRG, BGBl. 1982/520 (Würth in Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 §14 WGG Rz 4; Meinhart, Aufteilungsschlüssel nach dem WGG zur Deckung der Aufwendungen für die Bewirtschaftung der Baulichkeit, WoBl 1988, 82, 83) ist nach den Materialien vom Gedanken des Energiesparens bestimmt und soll dem individuell sparsameren Umgang mit Heizwärme dienen. Zu prüfen ist, ob diese pauschalierende Regelung, die ein nach §14 Abs1 erster Satz WGG sonst für gemeinnützige Bauvereinigungen gebotenes Abstellen auf die individuellen Verhältnisse ausdrücklich untersagt, mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz vereinbar ist (vgl. Funk in Korinek-Krejci, HdB MRG, Verfassungsrechtliche Fragen des MRG, 25f). Die vorliegende Regelung entspricht nicht einer verfassungsrechtlich unbedenklichen Durchschnittsbetrachtung. Sie läßt nicht bloß einzelne Härtefälle unberücksichtigt und bewirkt Begünstigungen nicht nur in Einzelfällen (vgl. VfSlg. 7891/1976, 8457/1978, 8871/1980, 6.12.1990, G223/88 u.a.). Der zwingende Charakter des pauschalierenden aber verbrauchsorientierten Heizkostenaufteilungsschlüssels ist nur dann verfassungskonform, wenn er auf einer für den Regelfall gerechtfertigten Durchschnittsbetrachtung abgestellt ist. Dies ist zu verneinen. Bei der Gesetzesanwendung kommt es nicht nur zu einzelnen Härtefällen, sondern generell bewirkt das vom Gesetzgeber als zwingend konzipierte Modell einer verbrauchsabhängigen Wärmekostenabrechnung zu große Spannungen mit der Wirklichkeit (vgl. Meinhart, Zentrale Wärmeversorgung und Wohnen - MRG, WEG 1975, WGG, WFG 1984, WSG, ImmZ 1984, 431, 1985, 313 und den dort auszugsweise wiedergegebenen Energiebericht der österreichischen Bundesregierung, ImmZ 1985, 213f), wie auch zahlreiche Streitigkeiten mit zweckverfehlenden unbilligen Ergebnissen belegen (z.B. OGH 1.9.1987, 5 Ob 70/87, WoBl 1988, 25/9 krit Würth = MietSlg 39.644/86). Die - von der gem. Art15a B-VG getroffenen Energiesparvereinbarung abweichende - Pauschalierung ohne Bedachtnahme auf die vom individuellen Wärmebezieher unbeeinflußbaren Komponenten ist auch vom Gedanken der Streitvermeidung nicht zu rechtfertigen und vermag das erklärt angestrebte Regelungsziel des individuell sparsameren Energieverbrauches nicht zu erreichen. Dies ist das Ergebnis zahlreicher Studien (vgl. Individuelle Heizkostenabrechnung, Bericht für den 24. UNICHAL-Kongreß '89 in Graz über Forschungsvorhaben, Sonderdruck Nr. 4173 aus District Heating, Fernwärme Chauffage urbain JAHRBUCH 1989 AGFW; Forschungsauftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten Sektion XI - Wohnbauforschung Forschungsarbeit F 1081 'Einstellung zur Heizkostenverteilung und zum Heizverhalten' wonach die vorliegenden Regeln des §24 MRG, §19 WEG und §14 WGG weder den Bedürfnissen der Konsumenten noch den Notwendigkeiten der Wärmeversorgungsunternehmen entsprechen; der Schlüssel 40 : 60 nicht der Realität entspricht; vgl. auch Entwurf ÖNORM M 5930 Wärmekostenabrechnung) und verdeutlichen die vom MRG, WGG und WEG nicht aber Energiesparstaatsvertrag und den Bauordnungen Österreichs abweichenden ausländischen Regeln etwa in Deutschland oder der Schweiz (Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen vom 9.5.1990, VMWG in Durchführung zu Art253a Abs3 Schweizer Obligationenrecht oder in Deutschland HeizkostenV vom 20.1.1989 BGBl. III 754-4-4 in Ausführung des Energiespargesetzes).

Die ausländischen Vergleichsregeln aber auch die innerstaatlichen österreichischen sonstigen Vorschriften in Bauordnungen oder des Energiesparvertrages geben Raum für die Beachtung der gegebenen baulichen, wärmedämmungsmäßigen Ausgestaltung des beheizten Raumes. Das Gebot der zwingenden Anwendung des Verteilungsschlüssels - ohne Berücksichtigung dieser sonst zu berücksichtigenden Umstände zur Vermeidung solcher dem Energiesparanliegen widersprechenden Ergebnisse - durch das Wohnzivilrecht gibt Anlaß zu gewichtigen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der derzeitigen Regelung des §14 Abs1 zweiter Satz WGG, ..."

3. Die Bundesregierung verweist auf die in der Regierungsvorlage zitierten Erläuterungen zur Energiesparvereinbarung und sieht darin im wesentlichen zwei Konstellationen in Betracht gezogen: Einerseits Objekte, die "gleichsam von der Nachbarschaft" (bei der die abgegebene Energie zuvor bereits durch die angebrachten Meßgeräte erfaßt worden ist) mitbeheizt werden, andererseits solche, bei denen durch Drosselung der Wärmezufuhr die Gefahr etwa des Einfrierens von Wasserleitungen besteht. Anlagen, bei denen - wie im Anlaßfall - die Abgabe der Energie zum Großteil über das Rohrsystem erfolge und sich insoweit der Beeinflussung durch den Benützer entziehe, seien dem Gesetzgeber offensichtlich nicht vor Augen gestanden.

Daher sei die den angegriffenen Text einleitende Wendung "Ist der Verbrauch ... feststellbar" von besonderem Interesse:

"Das antragstellende Gericht will offenbar auch Anlagen unter diese Bestimmung subsumieren, bei denen nur ein verhältnismäßig geringer Teil der verbrauchten Energie von den Meßvorrichtungen erfaßt wird. Es ist jedoch einsichtig, daß diese Auslegung nicht die einzig mögliche ist. Ihr ist daher unter den Gesichtspunkten einer verfassungskonformen und an der Entstehungsgeschichte der bekämpften Bestimmung orientierten Interpretation nicht der Vorzug zu geben. Vielmehr wird die Voraussetzung der Feststellbarkeit nur dann angenommen werden können, wenn der überwiegende Teil der verbrauchten Energie durch Meßgeräte erfaßt wird (ebenso der Entwurf einer ÖNORM 5925 'Elektronische Heizkostenverteilung - Begriffsbestimmungen, Anforderungen, Prüfung, Normenkennzeichnung' vom Juli 1989, Abschnitt 1, letzter Absatz)."

Der Vorwurf mangelnder Bedachtnahme auf die vom individuellen Wärmeabnehmer unbeeinflußbaren Komponenten treffe daher nicht zu.

Auch die übrigen Bedenken seien nicht stichhältig:

"So ist nicht zu sehen, warum gerade die normierte Pauschalierung vom Gedanken der Streitvermeidung her nicht zu rechtfertigen sei; gerade bei einem Abstellen auf eine größere Anzahl von Gesichtspunkten wäre ja mit Auslegungsschwierigkeiten und Rechtsstreitigkeiten zu rechnen. Auch in der Literatur wird unter Bezug auf den vom Gesetz vorgesehenen Aufteilungsschlüssel die Ansicht vertreten, daß eine auf den Regelfall abgestellte Pauschallösung einer peniblen Fallgerechtigkeit vorzuziehen ist (vgl. Eckharter-Hauswirth-Meinhart-Rollwagen, Die Nutzfläche im Wohnrecht 34).

Die Aussage, die Regelung vermöge das erklärtermaßen angestrebte Regelungsziel nicht zu erreichen, erscheint durch die angeführten Studien nicht gedeckt. Im Bericht 'Individuelle Heizkostenabrechnung' werden die Energieeinsparungen bei Umstellung von pauschaler auf individuelle Heizkostenabrechnung vielmehr auf rund 15 bis 30 % geschätzt, wenngleich anderen Energieeinsparungsmaßnahmen der Vorzug gegeben wird; keineswegs wird der Umstellung von individueller auf pauschale Heizkostenabrechnung das Wort geredet. Die sodann zitierte Forschungsarbeit (richtig: F1028) hatte eine Befragung von Heizungsbenützern - somit von Personen in einer ganz bestimmten Interessenslage - zum Gegenstand.

Während in der zuletzt erwähnten Forschungsarbeit ein verbrauchsabhängiger Kostenanteil von 20 % bis 25 % vorgeschlagen wird, sieht der Entwurf einer ÖNORM M 5930 'Heizkostenverteilung', Abschnitt 7.1, einen solchen von 70 % (der Gesamtkosten) vor. Ähnlich sieht die deutsche Verordnung über Heizkostenabrechnung vom 20. Januar 1989, dBGBl. I 116, einen Satz von mindestens 50 und höchstens 70 % der gesamten Betriebskosten der Heizungsanlage vor. Die Ansichten über den der 'Realität' angemessenen Verteilungsschlüssel gehen offenbar auch in Fachkreisen auseinander.

Wenn nun der Gesetzgeber für zentrale Wärmeversorgungsanlagen, bei denen der auf den einzelnen Benützer entfallende Energieverbrauch bzw. Anteil am Energieverbrauch durch besondere Vorrichtungen festgestellt werden kann, den verbrauchsabhängigen Heizkostenanteil mit 60 % festgesetzt hat, um einen spürbaren Anreiz zum Energiesparen zu geben, so handelt er im Rahmen des ihm zustehenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraums. Es ist nicht ersichtlich, weshalb eine Regelung, die den privatrechtlichen Grundsatz der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung mit dem Grundsatz, wonach gewisse Aufwendungen von allen Mietern (Wohnungseigentümern, Nutzungsberechtigten) nach dem Verhältnis der Nutzflächen (Miteigentumsanteile) zu tragen sind, kombiniert, sachlich nicht gerechtfertigt sein soll."

II. Der Antrag ist zulässig. Es ist nichts hervorgekommen, was daran zweifeln ließe, daß das antragstellende Gericht die angegriffene Bestimmung, gegen die sich die vorgetragenen Bedenken richten, bei Erledigung der Berufung anzuwenden hätte. Daß die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit allenfalls ergibt, daß die Norm verfassungskonform auszulegen ist und dies ihre Nichtanwendbarkeit im Anlaßfall zur Folge hat, verschlägt nichts (vgl. VfGH v. 7. Dezember 1990, G50,51/90).

III. Der Antrag ist auch begründet. Der zweite Satz des §14 Abs1 WGG verstößt gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz.

§14 WGG regelt die Berechnung des Entgelts für die Überlassung einer Wohnung oder eines Geschäftsraumes durch eine gemeinnützige Bauvereinigung. Dieses Entgelt ist Teil des zwischen der Vereinigung und dem Nutzungsberechtigten bestehenden privatrechtlichen Verhältnisses. Die angegriffene Regelung soll - mit dem Ziel, die Sparsamkeit im Einsatz von Energie zu fördern - bewirken, daß die Aufteilung der Heizkosten überwiegend unter Berücksichtigung des individuellen Verbrauchsanteiles geschieht. Der Antrag zieht die Zulässigkeit einer solchen Regelung nicht in Zweifel, erhebt gegen die konkrete Ausgestaltung aber den Vorwurf, sie sei zur Erreichung dieses Zieles untauglich und nehme auf erhebliche Unterschiede in den Sachverhalten nicht Bedacht, indem sie ausschließlich darauf abstelle, ob der Verbrauch oder der Anteil am Gesamtverbrauch durch besondere Vorrichtungen (Geräte) feststellbar ist, und eine Pauschalierung vornehme, ohne auf die vom Wärmeabnehmer unbeeinflußbaren Komponenten Bedacht zu nehmen.

Die Bundesregierung bestreitet nicht, daß der Gesetzgeber die Aufteilung der Verbrauchskosten nur dann nach dem "Anteil am Verbrauch" zwingend anordnen darf, wenn es sich um den tatsächlichen Anteil am Verbrauch handelt. Sie meint aber, daß diesem Erfordernis Rechnung getragen wurde, weil die Maßgeblichkeit des festgestellten Anteils voraussetze, daß der wahre Anteil am Verbrauch durch besondere Vorrichtungen (Geräte) feststellbar ist und dies nur angenommen werden könne, wenn der überwiegende Teil der verbrauchten Energie durch Meßgeräte erfaßt werde (was im Anlaßfall eben zu verneinen sei). Eine verfassungskonforme Auslegung lasse demnach den zweiten Satz des §14 Abs1 WGG im Anlaßfall als unanwendbar erscheinen.

Der Verfassungsgerichtshof folgt dieser Einschätzung nicht.

Wie die von der Bundesregierung selbst ins Treffen geführten Erläuterungen zur Regierungsvorlage ergeben, sollte nämlich der "Sockelbetrag" nicht nur den Anteil der Verbrauchskosten decken, der auf die Bereitstellung der Wärmelieferung entfällt, sondern (arg. "... deren Objekte in den Unterbrechungsperioden gleichsam von der Nachbarschaft mitbeheizt werden") auch jene Verbrauchskosten, die zur Wärmeabgabe an Verbraucher führen, aber durch Meßgeräte nicht erfaßt werden (und vom Wärmebezieher nicht zu beeinflussen sind). Der durch besondere Vorrichtungen (Geräte) "festgestellte Verbrauch oder Anteil am Gesamtverbrauch" in der von der angegriffenen Bestimmung angeordneten Rechtsfolge ist genau jener "Verbrauch oder Anteil am Gesamtverbrauch", dessen Feststellbarkeit durch solche Geräte den diese Rechtsfolge auslösenden Tatbestand bildet. Das Gesetz stellt damit also nicht eine technische Anforderung an die Meßbarkeit des tatsächlichen Verbrauches, sondern eine Anforderung an die Ausstattung der Objekte (mit den zur Feststellung des Verbrauches an sich geeigneten Meßgeräten) und erklärt das Meßergebnis für die Aufteilung von 60 % der Verbrauchskosten mit der Absicht als maßgeblich, nicht meßbare Verbrauchsanteile durch den "Sockelbetrag" pauschal zu erfassen. Wäre die einigermaßen vollständige Feststellbarkeit des tatsächlichen Anteiles am gesamten, durch den Betrieb veranlaßten Verbrauch mit Meßgeräten Voraussetzung der Maßgeblichkeit des festgestellten Verbrauchsanteiles für die Aufteilung von 60 % der Verbrauchskosten, dürfte der Sockelbetrag nicht auch die Aufgabe haben, die "Mitbeheizung" eines Objektes durch die Nachbarschaft zu erfassen.

Umsoweniger findet sich ein Anhaltspunkt für die These der Bundesregierung, es sei vorausgesetzt, daß "der überwiegende Teil" der verbrauchten Energie durch Meßgeräte erfaßt wird. Mit der selben Berechtigung könnte man behaupten, es müßte "die gesamte" oder "fast alle" verbrauchte Energie durch Meßgeräte erfaßt sein oder die angegriffene Vorschrift werde erst unanwendbar, wenn der größere Teil des Verbrauches nicht mehr beim Verbraucher gemessen werden könne. Der Gesetzgeber hat aber offenbar - in der Absicht, die verbrauchsabhängige Kostenaufteilung zu forcieren - auch die Wirkungen pauschaliert, die über die Meßgeräte nicht abgelesen werden können. Der Verfassungsgerichtshof geht daher mit dem Obersten Gerichtshof (WoBl 1988/1, S. 25ff) davon aus, daß der Anteil am Gesamtverbrauch einer zentralen Wärmeversorgungsanlage (schon) dann "durch besondere Vorrichtungen (Geräte) feststellbar" ist, wenn diese tatsächlich vorhanden sind und technisch einwandfrei funktionieren (wobei die Bedeutung einer fehlerhaften Ablesung oder Auswertung hier dahingestellt bleiben kann).

Da aber die Aussagekraft der zur Feststellung des Verbrauches (Verbrauchsanteiles) geeigneten Geräte aus vielfältigen Gründen sehr unterschiedlich ist und die durch eine solche Regelung häufig benachteiligte Minderheit es auch nicht in der Hand hat, die für eine genauere Verbrauchsfeststellung erforderlichen Maßnahmen zu setzen, erweist sich das Anknüpfen an das Vorhandensein besonderer Vorrichtungen wegen der Starrheit des Schlüssels und der Größe des nach den Meßergebnissen aufzuteilenden Kostenanteiles als unsachliche Einschränkung des den Beteiligten für allfällige Vereinbarungen (unter Kontrolle des Gerichtes) zustehenden Beurteilungsspielraumes. Wenn der Gesetzgeber meint, sich nicht mit der Anordnung begnügen zu können, daß ein bestimmter Anteil jener Verbrauchskosten nach dem Verbrauchsanteil verteilt wird, auf die der einzelne Abnehmer selbst meßbar Einfluß hat, muß er die Voraussetzungen der Aufteilung sämtlicher Verbrauchskosten sachgerechter bestimmen.

Ist aber die angegriffene Vorschrift schon aus diesem Grunde aufzuheben, erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren Bedenken, daß der Aufteilungsschlüssel selbst unsachlich sei.

Die Fristsetzung und die Kundmachungsverpflichtung stützen sich auf Art140 Abs5 B-VG, der Ausschluß des Inkrafttretens früherer Vorschriften auf Art140 Abs6 B-VG.

Schlagworte

Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht, Heizkosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:G43.1991

Dokumentnummer

JFT_10088991_91G00043_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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