TE Vfgh Erkenntnis 1991/10/9 B259/91

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Veröffentlicht am 09.10.1991
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art83 Abs2
AVG §8
AVG §66 Abs4
Tir GVG 1983 §15 Abs1

Leitsatz

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Abweisung einer Berufung gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Erteilung einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Rechtserwerbs; keine Parteistellung und Antragslegitimation der durch eine Zession berechtigten Bank

Spruch

Die beschwerdeführende Bank ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Das Ehepaar Dr. P und G R - beide sind Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland - schloß im Jahre 1981 mit dem österreichischen Staatsbürger A S mündlich einen Kaufvertrag über eine Liegenschaft in der KG Erl ab. Der Kaufpreis wurde übergeben und Zug um Zug das Grundstück zur Nutzung überlassen. Die Eigentumsübertragung sollte auf Grund einer letztwilligen Verfügung des Grundstückseigentümers A S erfolgen. Im Jahre 1988 trat das Käuferehepaar sämtliche Ansprüche und Rechte aus diesem Kaufvertrag an die beschwerdeführende Bank ab, die ihrerseits im Juni 1990 den Antrag auf grundverkehrsbehördliche Zustimmung zu dem vom Ehepaar R mit A S mündlich abgeschlossenen Kaufvertrag stellte. Dieser Antrag wurde von der Grundverkehrsbehörde Ehrwald mit Bescheid vom 23. Juli 1990 mangels Zuständigkeit zurückgewiesen; die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 12. Dezember 1990 als unbegründet abgewiesen, da der Beschwerdeführerin weder Parteistellung noch Antragslegitimation zukomme, weil "öffentlich-rechtlich begründete Verpflichtungen bzw. Berechtigungen nicht beliebig durch privatrechtliche Vereinbarungen auf andere Personen übertragen bzw. von diesen übernommen werden" könnten.

2. Dagegen richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die "Verletzung des Rechtes nach Art6 MRK ... auf den gesetzlichen Richter" geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird. Begründet wird die Beschwerde mit der verfehlten Auslegung des §15 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 18. Oktober 1983 über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 (im folgenden: GVG 1983), durch die belangte Behörde. §15 GVG 1983 zähle nur jene Personen auf, die verpflichtet seien, um die Zustimmung der Grundverkehrsbehörde anzusuchen; andere Vertragsparteien seien keineswegs von der Antragstellung ausgeschlossen, wobei es rein auf die zivilrechtliche Betrachtungsweise ankomme. Die Antragslegitimation der Beschwerdeführerin sei zu bejahen. Indem ihr die belangte Behörde eine Sachentscheidung verwehrt habe, sei die beschwerdeführende Bank in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt worden.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift; sie beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen bzw. allenfalls als unbegründet abzuweisen, weil durch eine grundverkehrsbehördliche Entscheidung über den Kaufvertrag des Ehepaares R keine rechtlichen Interessen der Beschwerdeführerin berührt würden und weil auch dem Vorwurf der zu restriktiven Auslegung des Personenkreises der Antragsberechtigten nicht beigetreten werden könne. Der Beschwerdeführerin fehle die Beschwer, weil zwischenzeitlich ein grundverkehrsbehördlicher Bescheid zum Kaufvertrag des Ehepaares R ergangen sei. Im übrigen könne die Beschwerdeführerin nicht namens des Ehepaares R einen Antrag auf grundverkehrsbehördliche Zustimmung stellen, weil dem AVG die Bevollmächtigung juristischer Personen fremd sei.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

A. Gegen den Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung ist eine Berufung nicht zulässig (§13 Abs9 GVG 1983). Der Instanzenzug ist erschöpft.

Die belangte Behörde bringt in der Gegenschrift vor, daß zwischenzeitlich bezüglich des Kaufvertrages zwischen A S und dem Ehepaar R eine grundverkehrsbehördliche Entscheidung vorliege, weshalb jegliche Beschwer fehle.

Diese Auffassung ist schon deshalb unzutreffend, weil es im vorliegenden Fall um die Frage der Parteistellung der Beschwerdeführerin, also um eine andere Sache als in jenem Verfahren geht. Die Beschwerdelegitimation ist deshalb gegeben.

Da auch die übrigen Pozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist die Beschwerde zulässig.

B. Sie ist aber nicht begründet.

1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10.374/1985, 11.405/1987).

Die beschwerdeführende Bank sieht sich deshalb in diesem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt, weil ihre Legitimation zur Stellung des Antrages auf Genehmigung des zwischen dem Grundeigentümer und dem Ehepaar R abgeschlossenen Vertrages verneint worden und damit zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert worden sei.

Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden. Indem die belangte Behörde die Berufung gegen den zurückweisenden Bescheid der Grundverkehrsbehörde erster Instanz als unbegründet abgewiesen hat, hat sie - allerdings mit anderer Begründung - einen damit übereinstimmenden (also zurückweisenden) neuen Bescheid erlassen (vgl. zB VfSlg. 5970/1969, 6016/1969, 8084/1977, VfGH 7.3.1991, B1111/90, ua.). Die damit verfügte Zurückweisung des Antrages der beschwerdeführenden Bank erfolgte zu Recht. Gemäß §15 Abs1 GVG 1983 ist unter anderem der Erwerber verpflichtet, binnen zwei Monaten nach Vertragsabschluß oder nach Eintritt der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung über den Rechtserwerb bei der Grundverkehrsbehörde um die Zustimmung anzusuchen. Andere Vertragsparteien sind dadurch jedoch nicht schlechthin von einer Antragstellung ausgeschlossen (VfSlg. 10.946/1986). Darüber, wer Partei ist, enthält das GVG 1983 keine ausdrückliche Bestimmung. Die Frage der Parteistellung in einem grundverkehrsbehördlichen Verfahren ist - da gemäß ArtII Abs2 Punkt 16 EGVG 1950 die Bestimmungen des AVG 1950 in der in diesem Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. 357/1990 Anwendung finden - somit an Hand des §8 AVG 1950 zu beantworten. Dafür, wann und inwieweit im einzelnen Fall eine Beteiligung vermöge eines Rechtsanspruches oder vermöge eines rechtlichen Interesses iS der zitierten Bestimmung gegeben ist, sind die in der betreffenden Verwaltungsangelegenheit anzuwendenden Verwaltungsvorschriften maßgeblich (VfSlg. 6257/1970, 6908/1972; vgl. auch VfSlg. 10.150/1984, 12.102/1989). §8 AVG 1950 macht keinen Unterschied, ob das zu wahrende Interesse dem öffentlichen oder dem Privatrecht zugehört, sodaß Partei iS dieser Gesetzesstelle auch eine Person sein kann, die durch die Erledigung eines anhängigen Verwaltungsverfahrens in einem Privatrecht beeinträchtigt werden kann (VfSlg. 2698/1954). Parteistellung kommt allen Personen zu, deren subjektive Rechtssphäre im Verfahren unmittelbar berührt wird (vgl. VfSlg. 8232/1978). Wirtschaftliche Interessen ohne eine in der Rechtsordnung begründete persönliche Beziehung zu einer Verwaltungsangelegenheit geben jedoch keine Parteistellung im Verwaltungsverfahren (VwSlg. NF 495 A/1948, 7662 A/1969; VfSlg. 9000/1980).

Gegenstand des grundverkehrsbehördlichen Verfahrens und damit Sache iS des §8 AVG 1950 ist im Falle einer rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung nach dem GVG 1983 die Genehmigung des Rechtsgeschäftes unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Interessen an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes und der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes.

Nach dem gesamten System des GVG 1983 wie auch nach dessen einzelnen Genehmigungstatbeständen ist dabei ganz offenkundig die Individualität der jeweiligen Vertragspartner maßgeblich. Nur einer oder mehreren individualisierten Personen kann im Rahmen des GVG 1983 die Zustimmung zu bestimmten Rechtsgeschäften erteilt bzw. versagt werden. Im Ergebnis vertritt deshalb der angefochtene Bescheid zutreffend die Auffassung, öffentlich-rechtlich begründete Rechte bzw. Pflichten könnten nicht beliebig durch privatrechtliche Vereinbarungen auf andere Personen übertragen bzw. von diesen übernommen werden. Dem ist jedenfalls für den vorliegenden Beschwerdefall zuzustimmen, ohne daß es einer abschließenden allgemeinen Beurteilung dieser Frage bedürfte.

Die Antragslegitimation und Parteistellung der beschwerdeführenden Bank in einem grundverkehrsbehördlichen Verfahren betreffend das zwischen A S und dem Ehepaar R abgeschlossene Rechtsgeschäft wurde folglich zu Recht verneint und der diesbezügliche Antrag ebenso zu Recht zurückgewiesen.

Nicht zu beurteilen war in diesem verfassungsgerichtlichen Verfahren, ob die beschwerdeführende Bank legitimiert gewesen wäre, die grundverkehrsbehördliche Zustimmung im Hinblick auf die für sie selbst aus dem Kaufvertrag infolge der Zession entstandene Rechtsposition zu beantragen.

Die Beschwerdeführerin wurde demgemäß nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

2. Die Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte wurde nicht behauptet; das Verfahren hat dafür ebenso wenig einen Anhaltspunkt ergeben wie für die Annahme, daß die Beschwerdeführerin wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden wäre.

3. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Berufung, Parteistellung Grundverkehrsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:B259.1991

Dokumentnummer

JFT_10088991_91B00259_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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