Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Hargassner, Dr. Bumberger und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde der E Gesellschaft m.b.H. in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwältin in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land und Forstwirtschaft vom 23. Dezember 1991, Zl. 511.090/01-I 5/91, betreffend Verlängerung der Bauvollendungsfrist, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der HÖhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das hg. Erkenntnis vom 19. November 1991, Zl. 88/07/0128, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom 14. September 1988, mit welchem die belangte Behörde den auf § 112 Abs. 2 WRG 1959 gestützten Antrag der Beschwerdeführerin vom 21. Dezember 1987 auf Verlängerung der Bauvollendungsfrist bis zum 1. September 1990 im Instanzenzug abgewiesen hatte, wegen Rechtswirdrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Wie der Gerichtshof in den Gründen des zitierten Erkenntnisses ausgeführt hat, stand die mit dem behördlichen Bescheid ausgesprochene Versagung jeder weiteren Fristerstreckung mit dem Argument, es lägen hiefür keine triftigen Gründe vor, bei der zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides gegebenen Rechts- und Sachlage mit dem Gesetz nicht in Einklang.
Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den, ihren Antrag auf Verlängerung der Bauvollendungsfrist abweisenden Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark gemäß § 66 Abs. 4 AVG neuerlich ab. In der Begründung dieses Bescheides stellte sich die belangte Behörde auf den Standpunkt, daß einer Stattgebung des in erster Instanz abgewiesenen Verlängerungsantrages nunmehr der Umstand entgegenstehe, daß dieser Antrag auf Verlängerung der Bauvollendungsfrist bis zum 1. September 1990 gelautet habe, dieser Zeitpunkt aber längst verstrichen sei. Da ein Bescheid, mit dem die Bauvollendungsfrist verlängert werde, als Rechtsgestaltungsbescheid Wirkung nur für die Zukunft entwickeln könne, sei es nicht denkbar, für einen bereits verstrichenen Zeitraum eine nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung bezüglich der Verlängerung der Bauvollendungsfrist zu erteilen. Die Behörde nähme diesfalls ebenso wie mit der Entscheidung über einen zurückgezogenen Antrag eine Zuständigkeit in Anspruch, welche ihr nicht zustehe. Darüber hinaus wäre die Berufung auch deswegen abzuweisen gewesen, weil der Antrag auf Verlängerung der Bauvollendungsfrist zwar vor deren Ablauf mit dem 31. Dezember 1987 gestellt gewesen, eine Verlängerung aber nicht vor diesem Termin erteilt worden sei. An einer gesetzlichen Anordnung, wonach ein rechtzeitig eingebrachter Fristverlängerungsantrag den Ablauf der Frist hemme, fehle es. Da die wasserrechtliche Bewilligung damit schon mit Ablauf des 31. Dezember 1987 kraft Gesetzes erloschen sei, gehe das Verlängerungsansuchen ins Leere, da eine bereits abgelaufene Frist schon rein begrifflich nicht mehr verlängert werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hilfsweise jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt; die Beschwerdeführerin erachtet sich ihrem gesamten Vorbringen nach in ihrem Recht auf Bewilligung der rechtzeitig beantragten Verlängerung der Bauvollendungsfrist auch in bezug auf die Gründe des hg. Erkenntnisses vom 19. November 1991, Zl. 88/07/0128, als verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie sich zu den im angefochtenen Bescheid geäußerten Rechtsauffassungen bekennt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die von der belangten Behörde eingenommenen Rechtsstandpunkte sind in keiner Hinsicht zu teilen.
Verfehlt ist die behördliche Auffassung, daß einem dem Verlängerungsantrag stattgebenden Abspruch, ja einem meritorischen Abspruch über den Antrag überhaupt der Umstand entgegenstünde, daß der von der Beschwerdeführerin genannte Termin, bis zum dem die Bauvollendungsfrist zu verlängern sie begehrt hatte, zum Zeitpunkt der Erlassung des Ersatzbescheides bereits verstrichen war. Der von der belangten Behörde gegebene Hinweis auf den Rechtsgestaltungscharakter eines Fristverlängerungsbescheides trägt ihren Standpunkt nicht. Dazu ist zunächst daran zu erinnern, daß auch dem Bescheid, der die Rechtslage verfügend gestaltet, ein die Rechtslage feststellendes Element innewohnt; daß dieses auch einem Verlängerungsbescheid nach § 112 Abs. 2 WRG 1959 innewohnende Element der Rechtslagenfeststellung angesichts der Erlöschensbestimmung des § 27 Abs. 1 lit. f WRG 1959 besonderes Gewicht erhält, ist unmittelbar evident und mußte der Behörde den argumentativen Rückzug auf den vorgeblich bloßen Gestaltungscharakter eines Verlängerungsbescheides schon deswegen verbieten. Ferner ist nicht einsichtig, weshalb die von der verlangten Behörde ins Treffen geführte Gestaltungswirkung eines Verlängerungsbescheides sie daran hindern durfte, diese Gestaltung für einen in der Vergangenheit gelegenen Zeitraum zu verfügen. Hatte die Beschwerdeführerin in ihrem Verlängerungsantrag begehrt, die Bauvollendungsfrist über den 31. Dezember 1987 hinaus bis zum 1. September 1990 zu verlängern, dann hatte sie damit den Anspruch erworben, daß die Behörde bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der begehrten Fristverlängerung die Rechtslage auch im Sinne des erhobenen Begehrens neu gestalten würde. Dieser Anspruch konnte der Beschwerdeführerin durch Zeitablauf nicht verlorengehen. Die belangte Behörde war der Verpflichtung nicht enthoben, der vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. November 1991, Zl. 88/07/0128, geäußerten Rechtsanschauung folgend, das Vorliegen triftiger Gründe für den Antrag der Beschwerdeführerin zu prüfen. Der von der belangten Behörde ins Treffen geführten Fallkonstellation einer Antragsrückziehung im Berufungsverfahren ist der Beschwerdefall nicht vergleichbar. Weshalb der belangten Behörde - dies zudem im Widerspruch zu dem von ihr gefaßten Bescheidspruch - die Zuständigkeit zur Erlassung des ohnehin erlassenen Bescheides über die Berufung der Beschwerdeführerin abhandengekommen sein sollte, erscheint unerfindlich.
Ebenso verfehlt ist die behördliche Beurteilung, wonach das Verlängerungsansuchen der Beschwerdeführerin ungeachtet seiner Überreichung vor Ablauf der Frist deswegen ins Leere gegangen sei, weil über dieses Ansuchen nicht vor Ablauf der zuletzt geltenden Frist entschieden worden sei. Diese Rechtsansicht steht nicht nur, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift der Beschwerdeführerin einräumt, nicht im Einklang mit der Praxis, sie steht auch nicht im Einklang mit dem Gesetz. Dieses ordnet in der Bestimmung des § 112 Abs. 2 erster Halbsatz WRG 1959 an, daß die Wasserrechtsbehörde aus triftigen Gründen die im ersten Absatz dieses Paragraphen genannten Fristen verlängern kann, wenn vor ihrem Ablaufe darum angesucht wird. Aus dieser Bestimmung ist in rein grammatikalischer, erst recht aber in teleologischer Auslegung unzweideutig zu entnehmen, daß das bloße Ansuchen innerhalb der geltenden Frist im Zusammenhang mit dem Vorliegen triftiger Gründe allein ausreicht, die Wasserrechtsbehörde zur Fristverlängerung zu berechtigen und zu verpflichten, ohne daß dafür die Erlassung des Fristverlängerungsbescheides ebenso noch vor dem Ablauf der zu verlängernden Frist vom Gesetz verlangt würde. Der Ablauf der zu verlängernden Frist steht damit einer stattgebenden Entscheidung über einen vor ihrem Ablauf gestellten Fristverlängerungsantrag nicht entgegen. Ob der mit der fristgerechten Stellung eines Fristverlängerungsantrages während des Zeitraumes zwischen dem Ablauf der vom Verlängerungsantrag betroffenen Frist und der Erlassung des Bescheides über den Fristverlängerungsantrag hinsichtlich des Fristablaufes eintretende Schwebezustand als Ausfluß einer "hemmenden Wirkung" des Fristverlängerungsantrages zu bezeichnen ist, wie dies Raschauer (Kommentar zum Wasserrecht, RZ 3 zu § 112 WRG 1959) und Grabmayr-Rossmann (Das österreichische Wasserrecht2, Anm. 8 zu § 112 WRG 1959 und Anm. 11 zu § 27 leg. cit.) tun, oder ob nach dem von der Rechtswissenschaft gewonnenen Begriff der Hemmung einer Frist (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, RZ 236) eine andere Ausdrucksweise dafür angezeigt wäre, ist ein terminologisches Problem, welches am Ergebnis der Wirksamkeit eines vor Fristablauf gestellten Verlängerungsansuchens und der daraus erwachsenden Obliegenheit der Behörde zur Prüfung seiner materiellen Voraussetzungen im Sinne der Triftigkeit der vorgebrachten Gründe nichts ändert.
Nach den dargestellten Erwägungen kann es auf sich beruhen, ob der angefochtene Bescheid nicht zudem - und diesfalls vorrangig - nicht auch als rechtswidrig zufolge Verstoßes gegen die Bestimmung des § 63 Abs. 1 VwGG angesehen werden müßte. Die Bindung der Behörde an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes erstreckt sich nämlich auch auf solche Fragen, die der Gerichtshof zwar nicht ausdrücklich behandelt hat, die aber eine notwendige Voraussetzung für den Inhalt seines aufhebenden Erkenntnisses darstellen (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 732, letzter Absatz). Beide der von der belangten Behörde im Ersatzbescheid eingenommenen Rechtsstandpunkte würden sich mit dem aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. November 1991, Zl. 88/07/0128, als unvereinbar erweisen: auf der Basis des ersten von der belangten Behörde eingenommenen Rechtsstandpunktes wäre die Beschwerde des dortigen Verfahrens wegen nachträglichen Wegfalles der Beschwerdelegitimation als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen gewesen. Auf der Basis des zweiten von der belangten Behörde nunmehr eingenommenen Standpunktes wäre die seinerzeitige Beschwerde vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen gewesen.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf der Basis des gestellten Antrages auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers
BGBl. Nr. 104/91; das Kostenmehrbegehren an Stempelgebührenaufwand war abzuweisen, weil die Beilage nur aus zwei Bogen bestand und die Beschwerde in lediglich zweifacher Ausfertigung zu überreichen war.
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung FeststellungsbescheideEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1992070043.X00Im RIS seit
12.11.2001