TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/18 90/12/0113

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Veröffentlicht am 18.03.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AVG §3 litb;
AVG §3 litc;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
SAG §7 Abs3;
SAG §9 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Mag. Unterer, über die Beschwerde der C-AG in X, vertreten durch Dr. WT, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 3. Jänner 1990, Zl. 16/01-2050/20-1990, betreffend Feststellung der Sonderabfalleigenschaft nach § 7 Abs. 3 Sonderabfallgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei betreibt mit dem Sitz in X ein Unternehmen, in dem unter anderem in einer Nickelröstanlage mit kombinierter Abwärmenutzung seit Jahren Nickeloxid hergestellt wird. Die zur Herstellung dieses Produktes dienende Betriebsanlage ist behördlich genehmigt. Ausgangsstoffe für die Gewinnung von Nickeloxid sind Nickelkarbonat, Alt-Raneynickelkatalysatoren, Altnickelfettkatalysatoren und nickelhältige Produktionszwischenstoffe, die vor allem im Ausland zu Weltmarktpreisen für den Nickelgehalt erworben und importiert werden. Aus dem Nickeloxid stellt die beschwerdeführende Partei in einer weiteren Anlage Ferronickel her.

Im Frühjahr 1989 kam es beim Import der oben genannten Ausgangsprodukte zu Schwierigkeiten. Am 26. Mai 1989 verweigerte das Grenzeintrittszollamt Walserberg die Abfertigung eines solchen Importes mit dem Hinweis, es handle sich bei den Einfuhrgütern um Sonderabfall im Sinne des Sonderabfallgesetzes (im folgenden SAG). Mit Schreiben vom 8. Juni 1989 stellte die beschwerdeführende Partei unter Hinweis auf die Verweigerung des Importes bei der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung den Antrag, die Behörde möge gemäß § 7 Abs. 3 SAG bescheidmäßig feststellen, daß die von ihr importierten Nickelkatalysatoren (Rohstoffe für die Stahlzuschlagsproduktion) nicht Sonderabfall im Sinne des SAG seien. Die Bezirkshauptmannschaft teilte hierauf der beschwerdeführenden Partei mit Schreiben vom 20. Juni 1989 mit, sie sei zur Erledigung dieses Antrages nicht zuständig; vielmehr sei gemäß § 3 lit. b AVG die Bezirkshauptmannschaft Y (in deren Sprengel der Sitz des Unternehmens liegt) zur Erledigung zuständig. In der Folge zog die beschwerdeführende Partei ihren Antrag vom 8. Juni 1989 (und einen in der Zwischenzeit an die belangte Behörde gestellten Devolutionsantrag) zurück und beantragte mit Eingabe vom 27. Juni 1989 bei der Bezirkshauptmannschaft Y die Erlassung eines Feststellungsbescheides nach § 7 Abs. 3 SAG.

Mit Bescheid vom 30. Juni 1989 stellte die Bezirkshauptmannschaft Y gemäß § 7 Abs. 3 SAG auf Grund der Ergebnisse des von ihr durchgeführten Ermittlungsverfahrens fest, daß die Stoffe (bewegliche Sachen)

"Nickelkarbonat,

Alt-Raneynickelkatalysatoren,

Altnickelfettkatalysatoren,

nickelhältige Produktionszwischenstoffe,

welche durch die C-AG. von Italien, Holland, der Bundesrepublik Deutschland oder anderen Drittstaaten bezogen und in der Betriebsanlage "Industriemüllverbrennungsanlage" in X bei der Herstellung von Nickeloxid verarbeitet werden, NICHT ALS

SONDERABFALL IM SINNE DIESES BUNDESGESETZES ANZUSEHEN SIND.

Die C-AG ist verpflichtet

1.

Von den angelieferten Chargen sind Rückstellmuster anzulegen und eine Eingangskontrolle auf jene Parameter durchzuführen, die für die sichere Einhaltung der im diesbezüglichen Genehmigungsbescheid der Nickeloxid-Anlage festgelegten höchstzulässigen Emissionsgrenzwerte maßgeblich sind.

2.

Über Art, Menge und Verbleib der übernommenen Sekundärrohstoffe sind fortlaufende Aufzeichnung zu führen, aus denen jederzeit, unter Berücksichtigung des aktuellen Lagerbestandes, eine Bilanzierung der Gesamtmengen bezogen auf die einzelnen Stoffqualitäten ermöglicht ist.

3.

Die Zwischenlagerung der übernommenen Stoffe hat unter den Grundsätzen eines ausreichenden Gewässerschutzes zu erfolgen."

In der Begründung verwies die Bezirkshauptmannschaft im wesentlichen auf das Gutachten des chemischen Sachverständigen (Dr. W) vom 28. Juni 1989. Dieser habe festgestellt, daß sich die Frage, ob eine bewegliche Sache Sonderabfall im Sinne des § 2 Abs. 1 SAG oder Wirtschaftsgut sei, einer "streng naturwissenschaftlich-fachlichen Beantwortung" entziehe, da für eine fachliche Beurteilung nur die stoffliche Qualität und die zu erwartenden Stoffeigenschaften maßgebend sein könnten. Die in der Eingabe der beschwerdeführenden Partei aufgezählten Stoffe, die offensichtlich die Funktion von Sekundärrohstoffen einnähmen, seien infolge ihres Nickelgehaltes als Stoffe mit einem dem Nickel zuzuordnenden Gefahrenpotential zu bezeichnen, was bestimmte Anforderungen an die Art der Lagerung und der Ausstattung der mit ihr beschickten Behandlungsanlage voraussetze (wird näher ausgeführt). Wenn die zur Aufarbeitung vorgesehene Anlage - diese Aufarbeitung könne auch als Beseitigung im Sinne des § 3 Abs. 4 SAG aufgefaßt werden - dem Stand der Technik entspreche, sei nach Auffassung des Sachverständigen auch den Intentionen des § 5 Abs. 1, 3 und 4 SAG entsprochen und die Unterscheidung zwischen Sonderabfall und Wirtschaftsgut nur mehr "formellen Charakters". Diese Unterscheidung weise keine stoffbezogenen Komponente mehr auf:

Sie könne sich nur aus einer "fachspezifischen Überprüfung der Geschäftsabwicklung, die den Warenverkehr" dieser Güter zugrundelege, ergeben. Der Gutachter bejahte ausdrücklich die Frage, ob es sich bei den beantragten Stoffen um geeignete Ausgangsstoffe zur Herstellung von Nickeloxid handle, ging auf den Herstellungsprozeß von Nickeloxid näher ein und stellte fest, daß der für die Anlage der beschwerdeführenden Partei festgesetzte Emissionsgrenzwert von 1 mg/m3 für Nickel in der Abluft dem Stand der Technik entspreche. Abschließend verwies die Behörde darauf, sie komme auf Grund des Herstellungsprozesses bei der beschwerdeführenden Partei in ihrer Betriebsanlage "Industriemüllverbrennungsanlage" und auf Grund des Gutachtens des chemischen Amtssachverständigen zum Schluß, die im Spruch angeführten Stoffe (beweglichen Sachen) stellten keinen Sonderabfall dar, da es sich nicht um Beseitigung, sondern "um Gewinnung" handle. Dem öffentlichen Interesse sei Genüge getan durch die strenge Überwachung der Produktionsanlagen. Diese gewährleisteten nach aufliegendem Meßprotokoll die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte der Anlage 1 zu § 12 des Luftreinhaltegesetzes für Kesselanlagen, BGBl. Nr. 380/1989.

Dieser Bescheid wurde laut Verteiler unter anderem auch dem Grenzzollamt Walserberg übermittelt. Er ist am 30. Juni 1989 in Rechtskraft erwachsen.

Am 4. Juli 1989 langte beim Grenzeintrittszollamt Walserberg ein von der Firma N. aus Amsterdam (Absender) für die beschwerdeführende Partei bestimmter Transport ein, der laut Zollpapieren als "nickelhaltiges, wiederverwertbares Wirtschaftsgut" deklariert war. Ein Organwalter des Zollamtes stellte mit Fernschreiben vom 4. Juli 1989 bei der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung den "Antrag auf Feststellung" gemäß § 7 Abs. 3 SAG, ob es sich bei dieser Sendung bestehend aus Fettrückständen sowie Fässern mit Asche um Sonderabfall handle.

Nach Einholung eines Gutachten des chemotechnischen Amtssachverständigen (Dipl. Ing. B) stellte die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung mit Bescheid vom 6. Juli 1989 fest, es handle sich bei der zollhängigen Fracht (130 Fässer eines Stoffes, der als nickelhaltiges wiederverwertbares Wirtschaftsgut deklariert worden sei) um Sonderabfall im Sinne des § 2 Abs. 1 SAG. Begründend führte die Behörde erster Instanz unter Berufung auf das Gutachten des Amtssachverständigen aus, dieser habe zwei Fässer stichprobenartig ausgewählt und deren Inhalt untersucht. Beschaffenheit und Aussehen entspreche den Frachten früherer Transporte (14. Februar 1989, 22. März 1989, 6. April 1989, 1. Juni 1989, 23. Juni 1989). Der Inhalt des (untersuchten) 100-Literfasses habe ein Aussehen, das vergleichbar mit dem vom Amtssachverständigen bereits am 23. Juni 1989 bei einer als "Spent Nickel Katalysator" deklarierten und gleichfalls für die beschwerdeführende Partei bestimmte Ladung in Augenschein genommen und beprobt worden sei. Das Erscheinungsbild des (untersuchten) 200-Literfasses füge sich in Verbindung mit dem Deklarationshinweis "Nickelhaltiges ... Gut" widerspruchslos in jenes Stoffbild ein, das von der beschwerdeführenden Partei schon mehrfach beschrieben worden sei. Danach handle es sich bei diesem Faßinhalt um einen aus der chemischen Industrie, im besonderen aus einem Fetthärtungsprozeß stammenden verbrauchten Nickelkatalysator (ca. 10 Gew. % Ni), der noch Rückstände aus der Fetthärtung enthalte (Fettreste bzw. Reste von Lösungsmittelgemischen bis zu 50 Gew. %; Zahlenwerte laut beschwerdeführender Partei). Zur partiellen Hydrierung von Fettsäuren (Härtung) verwendete Nickelkatalysatoren würden überwiegend durch Niederschlag von Nickelhydroxid oder -carbonat auf Kieselgur oder andere Träger und anschließende Reduktion oder durch "Insitu"-Erzeugung aus Nickelformiat hergestellt. Unabhängig vom gewählten Herstellungsverfahren habe ein Katalysator die Eigenschaft, im Laufe seiner Verwendung seine Aktivität zu verlieren. Nach Unterschreitung eines bestimmten Aktivitätsgrades gelte er als verbraucht und werde durch einen neuen Katalysator ersetzt. Da ein verbrauchter Katalysator verwertbares Metall enthalte, werde er meist einer Metallhütte übergeben und dort entsprechend aufgearbeitet. In diesem Sinne würden die von der beschwerdeführenden Partei verbrauchten Nickelkatalysatoren im Ausland aufgekauft und in einer betriebseigenen Aufbereitungsanlage (Verbrennungsanlage) in der Form verwertet, daß nicht nur das Trägermaterial (z.B. Aluminiumoxid oder Kieselgur), sondern auch der metallische Anteil zu neuen Produkten (z.B. Nickelkatalysatoren zu Nickeloxid oder Ferronickel) verarbeitet werde. Aus chemotechnischer Sicht gelangte der Gutachter - davon ausgehend, daß der untersuchte Stoff wegen des prozeßbedingten Austausches in Entledigungsabsicht weitergegeben worden sei, er von variabler Beschaffenheit und Zusammensetzung und daher keine Handelsware sei, in stofflicher Hinsicht die Abfalleigenschaft bis zur Herstellung eines Produktes, das einer neuen Verwendung zugeführt werden könne, behalten werde, und schließlich die Abfalleigenschaft auch nicht dadurch verloren gehe, weil die Weitergabe eines verbrauchten Katalysators mit einem Entgelt für den Wert der darin enthaltenen Stoffe verbunden sei - zur Abfalleigenschaft der untersuchten Sendung: Die Handhabung verbrauchter Katalysatoren erfordere generell stets besondere Sicherheitsvorkehrungen, da viele Metallstäube hoch toxisch und cancerogen seien. Eine Belastung durch nickelhaltigen Staub könne in höheren Konzentrationen zu akuten Vergiftungen führen. Dies gelte nicht nur für eine Inhalation und Aufnahme über die Nahrung, sondern auch bei direktem Hautkontakt. Eine Staubbelastung am Arbeitsplatz habe in zahlreichen Fällen zur Entstehung von Krebserkrankungen der Lunge, der Nase und der Nasennebenhöhlen geführt. Auf dem Katalysator verbliebene Fettreste, insbesondere aber Reste von Lösungsmittelgemischen oder von sonstigen nickelhaltigen Flüssigkeiten müßten auch als potentiell wassergefährdend bezeichnet werden. Die deklarierte Fracht sei daher als überwachungsbedürftiger Sonderabfall (Ö-NORM S 2101, Schlüssel-Nr. 59507) zu bezeichnen, da eine Beseitigung gemeinsam mit Hausmüll nicht in Betracht komme und besondere Schutzvorkehrungen zur Sicherstellung des öffentlichen Interesses im Sinne des § 5 Abs. 1 SAG erforderlich seien, da die gegenständliche Fracht grundsätzlich geeignet sei, bei inhalativer und oraler Aufnahme sowie bei Hautkontakten die Gesundheit von Menschen zu gefährden sowie bei unsachgemäßer Handhabung die Gefährdung von natürlichen Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen zu bewirken.

Mit Schreiben vom 7. Juli 1989 suchte die beschwerdeführende Partei beim Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie um Erteilung einer Bewilligung gemäß § 9 SAG an. Mit Bescheid vom 15. Juli 1989 erteilte diese Behörde die bis 31. Dezember 1989 befristete Bewilligung zur Einfuhr von Sonderabfällen der Schlüssel-Nr. 59507 (Katalysatoren, sofern sie toxisch, schwermetallhaltig, wassergefährdend, brennbar, explosiv und ätzend sind) der Ö-NORM S 2101 unter Einhaltung bestimmter "Bedingungen und Auflagen" (darunter einer Mengenbegrenzung auf maximal 7500 t).

Dessen ungeachtet erhob die beschwerdeführende Partei gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung Berufung, in der sie im wesentlichen vorbrachte, die Behörde erster Instanz sei örtlich unzuständig und habe nicht das Vorliegen des rechtskräftigen Bescheides der BH Y vom 30. Juni 1989 beachtet, obwohl Sachverhalt und Rechtslage unverändert seien; ferner bestritt die beschwerdeführende Partei das Vorliegen der Abfalleigenschaft und warf dem Sachverständigengutachten Unrichtigkeiten vor.

Ein von der belangten Behörde eingeholtes Gutachten des chemischen Amtssachverständigen (Dr. G) vom 15. September 1989 wurde dem Parteiengehör unterzogen. Dazu nahm die beschwerdeführende Partei auch Stellung. U.a. brachte sie ausdrücklich vor, es sei die Identität des beurteilten Stoffes mit dem Stoff, der im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y unter der Gruppe "Altnickelfettkatalysatoren" erfaßt worden sei, gegeben. Sie verwies dabei auch auf die Ausführungen des im erstinstanzlichen Verfahren beigezogenen Amtssachverständigen (über die Identität verschiedener Transporte). Für den Fall, daß die belangte Behörde dies aber anzweifeln sollte, stellte die beschwerdeführende Partei einen konkreten Beweisantrag.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 3. Jänner 1990 wies die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der maßgebenden Rechtslage bejahte die belangte Behörde die Berufungslegitimation der beschwerdeführenden Partei, weil der erstinstanzliche Bescheid deren rechtliche Interessen berührt habe. § 7 Abs. 3 SAG kenne zwei verschiedene Anlaßfälle für die Erlassung eines Feststellungsbescheides: Der erstere beziehe sich auf jenen Fall, daß der Eigentümer bzw. der Verfügungsberechtigte über eine Sache von sich aus durch die Behörde klären lasse, ob eine bewegliche Sache Sonderabfall sei oder nicht. Der zweite Fall knüpfe am Importvorgang an und setze Bedenken des abfertigenden Zollorganes und die Nichtvorlage bestimmter Verwaltungsakte voraus. Das Verfahren sei über Veranlassung des Zollamtes von Amts wegen innerhalb von zwei Tagen nach Befassung durch Bescheiderlassung abzuschließen. Aus diesen unterschiedlichen Anknüpfungspunkten leitete die belangte Behörde für den Beschwerdefall - mangels einer ausdrücklichen Regelung der örtlichen Zuständigkeit im SAG - ab, örtlich zuständig sei nach dem Ort des Anlasses zum Einschreiten nach § 3 lit. c AVG 1950 jene Behörde, in deren örtlichen Zuständigkeitsbereich sich das Grenzeintrittszollamt befinde, auf dessen Veranlassung hin die Feststellung zu treffen sei. Beseitigt werden sollten durch dieses Verfahren Zweifel über die unterschiedliche Beurteilung des Importgutes, die zwischen dem Zollamt einerseits und dem Importeur bzw. dem Importierenden andererseits bestünden. Daraus leitete die belangte Behörde auch ab, es liege keine entschiedene Sache vor: Die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung habe (vor dem bekämpften Bescheid) über den konkreten Importvorgang der beschwerdeführenden Partei noch keine Feststellung getroffen; es liege auch keine Identität in Bezug zum Bescheid der BH Y vor, da deren Feststellung ein anderes Anknüpfungskriterium zugrunde liege. Zur Abfalleigenschaft führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, die in der Berufung angesprochene fehlende Entledigungsabsicht komme nur dann zum Tragen, wenn nicht Gründe vorlägen, die eine Erfassung und Beseitigung einer beweglichen Sache im öffentlichen Interesse erforderlich machten. Die öffentlichen Interessen seien im Gutachten des Amtssachverständigen Dipl.Ing. B sehr klar und schlüssig herausgearbeitet worden (wird näher ausgeführt). Die beschwerdeführende Partei übersehe, daß das SAG unter dem Begriff "Beseitigung" auch die "Verwertung" verstehe. Der Umstand, ob eine Verwertung erfolge oder nicht, könne daher nicht für die rechtliche Beurteilung, ob ein Gut Sonderabfall sei oder nicht, ausschlaggebend sein. Auch die fehlende Möglichkeit zu einem Hautkontakt (die beschwerdeführende Partei hat in ihrer Berufung auf eine vollkommen geschlossene Verpackung hingewiesen) sei nicht erheblich, da auf das zu importierende Gut abzustellen sei. Würde man der Argumentation der beschwerdeführenden Partei folgen, hätte die belangte Behörde allenfalls nach der Art der Verpackung zu prüfen, ob Sonderabfall vorliege oder nicht. Ferner setzte sich die belangte Behörde auch näher mit dem Vorwurf auseinander, das Gutachten des von der Behörde erster Instanz herangezogenen Sachverständigen sei untauglich und könne daher nicht als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das (in der Zwischenzeit ab 1. Juli 1990 durch das Abfallwirtschaftsgesetz ersetzte) Sonderabfallgesetz, BGBl. Nr. 186/1983, anzuwenden.

Gemäß § 7 Abs. 3 SAG (der zweite Satz wurde durch die Novelle BGBl. Nr. 376/1988 angefügt) hat die Behörde bei Bestehen begründeter Zweifel, ob eine bewegliche Sache Sonderabfall darstellt, über Antrag des Eigentümers dieser Sache oder des über diese Sache Verfügungsberechtigten durch Bescheid festzustellen, ob diese Sache Sonderabfall im Sinne dieses Bundesgesetzes ist. Im Fall des § 9 Abs. 3 hat die Behörde einen solchen Bescheid von Amts wegen innerhalb von zwei Tagen nach ihrer Befassung zu erlassen.

§ 9 Abs. 1 SAG (in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 376/1988) unterwirft die Einfuhr von Sonderabfällen

der Bewilligung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie.

§ 9 Abs. 3 SAG (eingefügt durch die Novelle, BGBl. Nr. 376/1988) lautet:

"(3) Hat das Grenzeintrittszollamt im Zuge der Durchführung des Zollverfahrens Bedenken, daß eine bewegliche Sache Sonderabfall ist, und wird eine Bewilligung nach Abs. 1 oder eine Bestätigung nach § 9b Abs. 1 Z. 3 nicht vorgelegt, so hat es vor der Entscheidung über den Zollabfertigungsantrag zu veranlassen, daß ein Verfahren nach § 7 Abs. 3 durchgeführt wird, es sei denn, daß die Sendung unverzüglich in das Zollausland zurückgebracht wird."

Gemäß § 1 AVG 1950 richtet sich die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Behörden nach den Vorschriften über ihren Wirkungsbereich und nach den Verwaltungsvorschriften.

§ 3 AVG 1850 lautet:

"Soweit die in § 1 erwähnten Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nichts bestimmen, richtet sich diese

a) in Sachen, die sich auf ein unbewegliches Gut beziehen:

nach der Lage des Gutes;

b) in Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung oder sonstigen dauernden Tätigkeit beziehen: nach dem Ort, an dem das Unternehmen betrieben oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll;

c) in sonstigen Sachen: zunächst nach dem Wohnsitz (Sitz) des Beteiligten, und zwar im Zweifelsfalle des belangten oder verpflichteten Teiles, dann nach seinem Aufenthalt, schließlich nach seinem letzten Wohnsitz (Sitz) im Inland, wenn aber keiner dieser Zuständigkeitsgründe in Betracht kommen kann oder Gefahr im Verzug ist, nach dem Anlaß zum Einschreiten; kann jedoch auch danach die Zuständigkeit nicht bestimmt werden, so ist die sachlich in Betracht kommende oberste Behörde zuständig."

Die beschwerdeführende Partei erachtet sich dadurch beschwert, daß (beruhend auf der Vorgabe des erstinstanzlichen Bescheides) durch den angefochtenen Bescheid ein routinemäßig vorgesehener Import am 4. Juli 1989 nicht zeitgerecht zum Empfangsort gelangen habe können, weil die Sache entgegen einem anderen (rechtskräftigen) Bescheid als Sonderabfall "taxiert" worden sei.

Dem weiteren Beschwerdevorbringen kann ferner entnommen werden, daß die beschwerdeführende Partei die belangte Behörde für die getroffene (negative) Sachentscheidung örtlich und sachlich für unzuständig hält. Die Beschwerdelegitimation sei durch die über (den faktisch abgenötigten) Antrag erteilte Importbewilligung des Bundesministeriums nicht berührt worden, weil das Bundesministerium damit in Aussicht gestellt habe, die Rechtskraft des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Y vom 30. Juni 1989 zu ignorieren.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der beschwerdeführenden Partei, daß - ungeachtet der gemäß § 9 Abs. 1 SAG erteilten Einfuhrbewilligung vom 15. Juli 1989 - ihre Beschwerdelegitimation im Beschwerdefall gegeben ist. Dies schon deshalb, weil sie nicht angegeben hat, sie habe die Sendung auf Grund der genannten Einfuhrbewilligung eingeführt (auch die belangte Behörde hat in dieser Richtung nichts vorgebracht), der angefochtene Bescheid erst nach Ablauf der Geltungsdauer der Importbewilligung erlassen wurde und sich kein Hinweis darauf findet, daß eine Einfuhr der betroffenen Sendung allenfalls auf Grund einer später erteilten Einfuhrbewilligung stattgefunden hat.

Unter dem Gesichtspunkt einer Unzuständigkeit der belangten Behörde bringt die beschwerdeführende Partei vor, das Sonderabfallgesetz regle nicht, welche Behörde zur Durchführung des Verfahrens nach § 7 Abs. 3 leg. cit. über Antrag oder von Amts wegen sachlich und örtlich zuständig sei. Damit sei nach § 2 AVG 1950 in Angelegenheiten der Bundesverwaltung in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde (Bundespolizeibehörde) und in zweiter Instanz der Landeshauptmann sachlich zuständig. Für die ÖRTLICHE Zuständigkeit sei § 3 AVG 1950 maßgebend. Die beschwerdeführende Partei verkenne nicht, daß § 7 Abs. 3 SAG zwischen einer auf Antrag ergehenden und einer von Amts wegen zu treffenden Entscheidung unterscheide. Der Bundesgesetzgeber habe jedoch für den zuletzt genannten Fall keine gesonderte Zuständigkeitsbestimmung getroffen, sodaß auch dafür § 3 AVG 1950 anzuwenden sei. Die beschwerdeführende Partei geht davon aus, die importierten Waren seien für den Betrieb des Unternehmens in X bestimmt gewesen, weshalb § 3 lit. b AVG 1950 anzuwenden gewesen sei, was die örtliche Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Y (und nicht die der tatsächlich als Behörde erster Instanz eingeschrittenen Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung) begründet habe. Auch wenn diese Auslegung des § 3 lit. b AVG 1950 nicht zutreffend sein sollte, ergebe sich auch bei Anwendung des § 3 lit. c AVG 1950 im Beschwerdefall die örtliche Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Y, richte sich nach dieser Bestimmung doch die örtliche Zuständigkeit zunächst nach dem Wohnsitz (Sitz) des Beteiligten. Die beschwerdeführende Partei verkenne nicht, daß diese Auslegung dem Sinn und Zweck einer raschen Entscheidung nach § 7 Abs. 3 letzter Satz SAG nicht entspreche. Im Interesse einer eindeutigen Festlegung von Zuständigkeiten könne aber in einem Rechtsstaat eine gesetzliche Bestimmung nicht so ausgelegt werden, daß sie entgegen ihrem Wortlaut und ihrem Sinn und Zweck auch den gegebenen praktischen Bedürfnissen gerecht werde.

Dem ist folgendes entgegenzuhalten:

Zutreffend sind die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens davon ausgegangen, daß das SAG keine Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit für das Verfahren nach § 7 Abs. 3 in Verbindung mit § 9 Abs. 3 SAG enthält (vgl. aber nunmehr die ausdrückliche Regelung des § 37 Abs. 5 Abfallwirtschaftsgesetz). Die örtliche Zuständigkeit ist daher im Beschwerdefall nach § 3 AVG zu bestimmen.

Die beschwerdeführende Partei geht zunächst davon aus, daß § 3 lit. b AVG 1950 anzuwenden ist. Trifft dies zu, dann kommt die von der belangten Behörde für ihre Rechtsauffassung herangezogene Bestimmung des § 3 lit. c AVG 1950 schon deshalb nicht in Betracht, weil lit. b als speziellere Vorschrift der lit. c (arg.: in sonstigen Sachen) vorgeht.

Auch wenn das SAG keine ausdrückliche Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit für das hier zu beurteilende Verfahren enthält, ist es zur Auslegung des § 3 lit. b AVG 1950 heranzuziehen: Denn die Beurteilung, ob sich eine Sache auf den Betrieb eines Unternehmens oder sonstige dauernde Tätigkeiten bezieht, richtet sich nach der den jeweiligen Gegenstand des Verfahrens bildenden Verwaltungsangelegenheit. Gegenstand der mit dem angefochtenen Bescheid erledigten Angelegenheit war die Klärung der Frage, ob eine bestimmte Sendung, über die am 4. September 1989 ein Zollverfahren durchzuführen war, entgegen ihrer Deklarierung als Sonderabfall im Sinne des SAG zu werten war oder nicht. Diese Frage ist aber eine solche des materiellen Rechtes, die anhand des SAG zu beurteilen ist.

Das Verfahren nach § 7 Abs. 3 in Verbindung mit § 9 Abs. 3 SAG bezieht sich jedoch weder auf den Betrieb eines Unternehmens noch eine sonstige dauernde Tätigkeit. Aus der Systematik der genannten Bestimmungen des SAG ergibt sich vielmehr, daß sich das amtswegige (über Veranlassung der Zollbehörde) einzuleitende und durchzuführende Verfahren ausschließlich auf eine bestimmte Sendung bezieht, die Gegenstand eines Zollverfahrens ist. Zu klären ist die jeweils für das weitere Vorgehen im durchzuführenden Zollverfahren bedeutsame strittige (Vor)Frage, ob Sonderabfall vorliegt oder nicht. Wird das Vorliegen der Sonderabfalleigenschaft von der zuständigen (Fach)Behörde im Verfahren nach § 7 Abs. 3 SAG bejaht, hat dies die Bewilligungspflicht nach dem SAG (vgl. §§ 9 ff) für die Ein-, Aus- und Durchfuhr zur Folge, deren Erfüllung die Zollbehörde durch Verlangen entsprechender Nachweise (§ 52 Abs. 4 Zollgesetz) im Zollverfahren (das das Verfahren nach § 7 Abs. 3 in Verbindung mit § 9 Abs. 3 SAG ausgelöst hat) zu prüfen hat und die somit eine Voraussetzung für die Abfertigung sind.

Da das amtswegige Verfahren nach dem SAG nur durch diesen besonderen Anlaß (Bedenken einer Zollbehörde im Zuge des von ihr durchzuführenden Zollverfahrens) ausgelöst wird, nur diesen Anlaßfall erfaßt und mit dem Zollverfahren untrennbar verbunden ist, ist die Anknüpfung für die örtliche Zuständigkeit nach § 3 lit. b AVG 1950 nicht gegeben.

    Zu prüfen bleibt allerdings die Frage, welches Ergebnis

sich aus § 3 lit. c AVG gewinnen läßt. Zutreffend hat die

beschwerdeführende Partei darauf hingewiesen, daß die in § 3

lit. c AVG genannten fünf Tatbestände in einer Reihenfolge

stehen: Die später angeführte Zuständigkeit kommt erst dann zum

Tragen, wenn keiner der vorangehenden Zuständigkeitsgründe in

dieser Litera in Betracht kommt (arg.: zunächst ... dann ...

schließlich ... wenn aber keiner dieser Zuständigkeitsgründe in

Betracht kommen kann ... kann jedoch auch danach die

Zuständigkeit nicht bestimmt werden ...). Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes begründet aber Gefahr im Verzug im vierten Tatbestand die örtliche Zuständigkeit nach dem Ort des Anlasses zum Einschreiten, ohne daß auf die Reihenfolge der vorangehenden Tatbestände Bedacht zu nehmen ist. Die Normierung einer außerordentlich kurzen gesetzlichen Entscheidungsfrist, wie sie § 7 Abs. 3 zweiter Satz SAG normiert, indiziert das Vorliegen einer derartigen Situation. In Verbindung mit der gesetzlich gebotenen zweitägigen Entscheidungsfrist nach § 7 Abs. 3 zweiter Satz SAG und dem vom Zollamt Walserberg an die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung gerichteten Begehren, war es daher nicht rechtswidrig, wenn diese Bezirkshauptmannschaft die örtliche Zuständigkeit zur Entscheidung nach § 7 Abs. 3 in Verbindung mit § 9 Abs. 3 SAG in Anspruch genommen hat.

Die beschwerdeführende Partei bringt ferner vor, die Bezirkshauptmannschaft Y habe mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 30. Juni 1989 festgestellt, daß jene beweglichen Sachen, die auch Gegenstand von Importen seien, keinen Sonderabfall im Sinne des SAG darstellten. Die belangte Behörde habe in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht in Zweifel gezogen, daß die beweglichen Sachen, die Gegenstand jenes Feststellungsverfahrens vor der Bezirkshauptmannschaft Y gewesen seien, mit denen übereinstimmten, die Gegenstand des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde gewesen seien. Da Sach- und Rechtslage unverändert geblieben seien, greife der angefochtene Bescheid unzulässigerweise in die Rechtskraft des Feststellungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Y vom 30. Juni 1989 ein. Die von der belangten Behörde ins Treffen geführten unterschiedlichen Anknüpfungskriterien in § 7 Abs. 3 SAG (Entscheidung auf Antrag oder von Amts wegen) seien rechtlich völlig unerheblich, sofern - wie im Beschwerdefall - nur klargestellt sei, daß über den Gegenstand des angefochtenen Bescheides bereits eine rechtskräftige Entscheidung vorliege. Bei Zweifel über die Stoffidentität hätte die belangte Behörde jedoch im Sinne des von der beschwerdeführenden Partei bereits im Berufungsverfahren gestellten Beweisantrages vorgehen müssen.

Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu.

Die Rechtskraftwirkung im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG setzt voraus, daß Inhalt und Entstehungsgrund des durch den (zeitlich ersten) Bescheid (im folgenden Vorbescheid genannt; hier:

Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 30. Juni 1989) rechtskräftig festgelegten Rechtsverhältnisses mit dem übereinstimmen, worüber im späteren Bescheid (im folgenden Nachbescheid genannt; hier: der im Instanzenzug ergangene angefochtene Bescheid der belangten Behörde) abgesprochen wurde. Dies gilt auch dann, wenn der Vorbescheid über mehr abspricht als der Nachbescheid, dieser jedoch in jenem seine Deckung findet.

Ob dies der Fall ist, ist durch einen Vergleich zwischen Vorbescheid und Nachbescheid zu klären. Ein in seinem Spruch unklar gebliebener Bescheid ist dabei unter Heranziehung seiner Begründung auszulegen.

Im Beschwerdefall hat der Vorbescheid über Antrag der beschwerdeführenden Partei gemäß § 7 Abs. 3 (erster Satz) SAG festgestellt, daß bestimmte Stoffe (Nickelkarbonat, Alt-Raneynickelkatalysatoren, Altnickelfettkatalysatoren, nickelhaltige Produktionszwischenstoffe), die die beschwerdeführende Partei aus dem Ausland bezieht und in ihrer Anlage bei der Herstellung von Nickeloxid verarbeitet, kein Sonderabfall im Sinn des SAG sind.

Ob dieser in Rechtskraft erwachsende Vorbescheid der Bezirkshauptmannschaft Y dem SAG entspricht oder nicht, ist im Beschwerdefall nicht zu prüfen, da Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens lediglich die Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Nachbescheides ist und die Rechtskraftwirkung dem Vorbescheid auch dann zukommt, wenn er rechtswidrig ist. Daß der Vorbescheid ein "absolut nichtiger Verwaltungsakt" wäre, läßt sich den Verwaltungsakten nicht entnehmen.

Der angefochtene (im Instanzenzug ergangene) Nachbescheid der belangten Behörde hat hingegen in einem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren gemäß § 7 Abs. 3 in Verbindung mit § 9 Abs. 3 SAG durchgeführten Verfahren festgestellt, daß eine bestimmte (seit 4. Juli 1989) zollanhängige laut Zollpapieren als "nickelhältiges wiederverwertbares Wirtschaftsgut") deklarierte Fracht Sonderabfall im Sinne des SAG ist. Aus seiner Begründung geht hervor, daß es sich bei dieser Fracht um verbrauchte Nickelkatalysatoren verbunden mit Rückständen aus der Fetthärtung gehandelt hat, die als überwachungsbedürftiger Sonderabfall im Sinne der Schlüsselposition Nr. 59507 der Ö-NORM S 2101 eingestuft wurden.

Die belangte Behörde hat die fehlende Identität zwischen Vor- und Nachbescheid ausschließlich auf die in § 7 Abs. 3 SAG (in Verbindung mit § 9 Abs. 3) vorgezeichneten beiden unterschiedlichen Fälle, die zur Feststellung betreffend die Eigenschaft als Sonderabfall führen können, gestützt. Der Vorbescheid sei auf Antrag des Beschwerdeführers nach § 7 Abs. 3 (Satz 1) leg. cit. ergangen, der Nachbescheid sei über Veranlassung des Zollamtes von Amts wegen gemäß § 7 Abs. 3 (zweiter Satz) in Verbindung mit § 9 Abs. 3 SAG in bezug auf einen konkreten Importvorgang erlassen worden.

Diese unterschiedlichen (normativen) "Anknüpfungspunkte" allein können jedoch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes eine mögliche Identität nicht von vornherein ausschließen. Zum einen nennt der Vorbescheid, auf dessen Inhalt es ohne Rücksicht auf seine Rechtmäßigkeit allein ankommt, bestimmte Stoffgruppen (ohne Beziehung auf eine konkrete Sendung) und stellt ausdrücklich einen umfassenden Inlandsbezug (von der Einfuhr bis zur Verarbeitung dieser Stoffe im Unternehmen der beschwerdeführenden Partei) her. Schon das legt nahe, daß die Feststellung, es liege bei den genannten Stoffgruppen kein Sonderabfall vor, umfassend ist und daher unter anderem auch Auswirkungen für die §§ 9 ff SAG hat. Zum anderen trifft die Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften durch die belangte Behörde nicht zu. Der belangten Behörde ist einzuräumen, daß § 7 Abs. 3 (in Verbindung mit § 9 Abs. 3) SAG zwei Verfahrenstypen umfaßt, nämlich das nach dem ersten Satz dieser Bestimmung auf Antrag des Eigentümers (Verfügungsberechtigten) einzuleitende Verfahren und das von Amts wegen auf Veranlassung des gegen die Einordnung der zollhängigen Sache Bedenken habenden Zollamtes binnen zwei Tagen durchzuführende Verfahren nach § 9 Abs. 3 in Verbindung mit § 7 Abs. 3 letzter Satz SAG. Ziel beider Verfahren ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die rechtsverbindliche Klärung der Eigenschaft einer beweglichen Sache (in Form eines Feststellungsbescheides), über deren rechtliche Einordnung nach dem SAG als Sonderabfall oder nicht (erhebliche) Bedenken bestehen. Da das SAG (nach seinem § 1 Abs. 1) Maßnahmen zur Erfassung und Beseitigung von Sonderabfällen (die durch bestimmte Tätigkeiten anfallen) regelt, entscheidet der Ausgang des Verfahrens nach § 7 Abs. 3 leg. cit. über die Anwendbarkeit des SAG.

Dabei ist jedoch das Verhältnis der beiden Verfahren zueinander zu beachten:

Aus der Systematik der Bestimmung des § 7 Abs. 3 in Verbindung mit § 9 Abs. 3 SAG ist jedenfalls abzuleiten, daß sich das amtswegige (über Veranlassung der Zollbehörde) einzuleitende und durchzuführende Feststellungsverfahren ausschließlich auf eine bestimmte Sendung bezieht, die Gegenstand eines Zollverfahrens (aus Anlaß der Ein-, Aus- oder Durchfuhr) ist. Das aus diesem besonderen Anlaß geführte amtswegige Verfahren hat nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes in Verbindung mit der gesetzlich gebotenen kurzen Verfahrensdauer die Sonderabfalleigenschaft nur mit Wirkung der für die Entscheidung für das Zollverfahren bedeutsamen Fragestellung (Erfordernis einer Bewilligung für die Ein-, Aus- oder Durchfuhr nach dem SAG; zu letzterem siehe aber auch § 9 Abs. 3 SAG in Verbindung mit § 9b Abs. 1 Z. 3 SAG jeweils in der Fassung der Novelle 1988) zu klären. Diese anlaßspezifische Einschränkung läßt hingegen das über Antrag nach § 7 Abs. 3 erster Satz SAG durchzuführende Feststellungsverfahren nicht erkennen, das auch nicht unter dem erheblichen Zeitdruck eines binnen zwei Tagen zu ergehenden Bescheides steht. Daher kommt dem über Antrag eingeleiteten Verfahren auch eine umfassende Bindungswirkung zu: Stellt also die Behörde in einem solchen Verfahren über Antrag des Eigentümers/Verfügungsberechtigten fest, daß einem bestimmten Stoff keine Sonderabfalleigenschaft zukommt, so bedeutet dies im Ergebnis, daß er vom Anwendungsbereich des SAG ausgenommen ist und daher auch dessen §§ 9 ff keine Anwendung finden. Daß das für einen Spezialfall vorgesehene amtswegige Verfahren diese umfassende Folgewirkung der auf Antrag vorgenommenen Feststellung einschränken würde, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen.

Zur Klarstellung verweist der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang auf folgendes: Die Existenz eines Bescheides, mit dem auf Antrag gemäß § 7 Abs. 3 (erster Satz) SAG rechtskräftig festgestellt wurde, es liege kein Sonderabfall vor, hindert das Zollamt nicht, aus Anlaß der Durchführung eines Zollverfahrens ein Verfahren nach § 9 Abs. 3 in Verbindung mit § 7 Abs. 3 SAG zu veranlassen. Stellt sich jedoch in diesem Verfahren heraus, daß die Sendung unter den rechtskräftigen Bescheid nach § 7 Abs. 3 erster Satz fällt, hat dies die Behörde im Verfahren nach § 9 Abs. 3 in Verbindung mit § 7 Abs. 3 SAG zu beachten.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage erweist sich jedoch die Rechtsauffassung der belangten Behörde als unzutreffend. Davon ausgehend hat sie es unterlassen, die für ihre Entscheidung maßgebende im Sachverhaltsbereich liegende Frage der Stoffidentität zwischen Vor- und angefochtenem Nachbescheid zu klären, wie dies die beschwerdeführende Partei durch Stellung eines entsprechenden Beweisantrages bereits im Berufungsverfahren zutreffend aufgezeigt hat.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Pauschalierungsverordnung, BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1990120113.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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