TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/22 92/08/0199

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Veröffentlicht am 22.03.1994
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ABGB §1438;
BSVG §33 Abs1;
BSVG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1030 Wien, Ghegastraße 1, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 30. Juli 1992, Zl. SV - 800/1 - 1992, betreffend Beitragszuschlag (mitbeteiligte Partei: KR), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 23. April 1992 stellte die Beschwerdeführerin fest, daß der Mitbeteiligte für die Zeit vom 1. April 1990 bis 30. November 1991 für die nachzuzahlenden Beiträge zur Pensions- und Unfallversicherung einen Beitragszuschlag in der Höhe von S 5.426,80 zu entrichten habe. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ging die Beschwerdeführerin davon aus, daß seit 1. April 1990 (Pachtung der Liegenschaft EZ. 97) für den Mitbeteiligten als Betriebsführer die Voraussetzungen für die Pflichtversicherung in der Pensions- und Unfallversicherung der Bauern vorlägen. Der Mitbeteiligte habe am 17. März 1992 erstmals telefonisch vom bestehenden Pachtverhältnis Mitteilung gemacht, die Anmeldung zur Pflichtversicherung sei am 31. März 1992 erstattet worden. Rechtlich führte die Beschwerdeführerin aus, daß die Anmeldung erheblich verspätet erfolgt sei und daher der Beitragszuschlag von 15,5 %, davon 10,5 % als Zinsenersatz und 5 % für den Verwaltungsmehraufwand, des nachzuzahlenden Betrages von S 35.011,--, zu verhängen gewesen sei.

In seinem rechtzeitigen Einspruch beantragte der Mitbeteiligte "die Nichtvorschreibung des Beitragszuschlages". Begründend führte er aus, er habe beim bestem Willen nicht gewußt, daß er die Ummeldung nach Übernahme des elterlichen Hofes im Pachtwege separat vornehmen müsse und es sei passiert, daß niemand darauf geachtet habe, daß sein Bruder L noch gemeldet sei. Für ihn wäre die Bezahlung des Beitragszuschlages eine große finanzielle Belastung. Er habe sofort, als ihm aufgefallen war, daß noch sein Bruder als Bewirtschafter bzw. Betriebsführer aufscheine, Meldung erstattet. Daß diese zu spät erfolgt sei, bitte er höflichst zu entschuldigen. Dem Einspruch wurde die Beitragsabrechnung betreffend den Mitbeteiligten vom 7. April 1992 über einen einzuzahlenden Betrag von S 47.729,80, davon Beitragszuschlag von S 5.426,80 beigelegt. Weiters wurde eine LR betreffende Beitragsabrechnung vom 14. April 1992 mit einem verbleibenden Guthaben von S 37.053,-- angeschlossen. Diese Beitragsabrechnung weist einen maschinengeschriebenen Zusatz "Ich trete das Guthaben an meinen Bruder KR auf dessen Konto bei der Soz. der Bauern ab" sowie eine unleserliche (vermutlich des LR) Unterschrift auf.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch teilweise Folge und sprach gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Abänderung des angefochtenen Bescheides aus, daß der Mitbeteiligte gemäß § 34 Abs. 1 BSVG verpflichtet sei, einen Beitragszuschlag in der Höhe von nur S 1.750,55 zu bezahlen. Begründend wurde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens festgestellt, daß im Einspruch der Tatbestand der verspäteten Meldung nicht bestritten werde. Weiters wurde ausgeführt, daß es daher nach der Aktenlage für die Beschwerdeführerin den Anschein gehabt habe, daß der Bruder des Mitbeteiligten mit Pachtvertrag vom 20. Februar 1985 die elterliche Liegenschaft zugepachtet habe. Im Zuge von Ermittlungen aufgrund der 16. Novelle zum BSVG habe die Beschwerdeführerin am 28. Februar 1992 das Formular ausgefüllt auf den Namen des Mitbeteiligten zurückerhalten. Aufgrund einer Anfrage der Beschwerdeführerin habe der Mitbeteiligte telefonisch am 17. März 1992 mitgeteilt, daß er bereits mit Pachtvertrag vom 1. April 1990 den elterlichen Betrieb gepachtet habe. Die tatsächliche Anmeldung sei sodann am 31. März 1992 erfolgt. Wegen dieser Zupachtung sei für den Mitbeteiligten Versicherungs- und Beitragspflicht gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG, beginnend mit 1. April 1990 festgestellt worden. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, daß die Beschwerdeführerin aufgrund des eindeutig gegebenen Meldeverstoßes grundsätzlich zu Recht einen Beitragszuschlag verhängt habe. Im vorliegenden Fall seien die Versicherungsbeiträge jedoch vom Bruder des Mitbeteiligten einbezahlt worden. Dieser habe sein Guthaben dem Mitbeteiligten auf dessen Konto bei der Sozialversicherungsanstalt der Bauern abgetreten. Dies bedeute, daß im vorliegenden Fall keine Verzugszinsen angefallen seien, weil die Pensions- und Unfallversicherungsbeiträge rechtzeitig entrichtet worden seien. Es sei daher nicht gerechtfertigt, die Berechnung bzw. die Vorschreibung des Beitragszuschlages auch auf Verzugszinsen zu stützen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde mit dem Antrag, ihn aus diesem Grunde aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin könne, selbst wenn eine Abtretungserklärung des Bruders des Mitbeteiligten gegenüber diesem vorlege, eine Kompensation im zivilrechtlichen Sinne nicht angenommen werden. Das vom Bruder des Mitbeteiligten angesammelte Guthaben könne keine taugliche Verrechnungsgrundlage für Zahlungsverpflichtungen des Mitbeteiligten darstellen, solange dieses Guthaben von der Beschwerdeführerin nicht unbestritten festgestellt worden sei. Die Zahlungsverpflichtung des Mitbeteiligten und seines Bruders seien als öffentlich-rechtliche Beiträge anzusehen, sodaß auch hier die Bestimmung des § 1441 ABGB zweiter Satz zu gelten habe, wonach die Aufrechnung gegenüber zwei verschiedenen "Staatskassen" unzulässig sei.

Unstrittig ist, daß der Mitbeteiligte ab 1. April 1990 der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG und der Pflichtversicherung in der Unfallversicherung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. unterlag. Die von ihm als Pflichtversicherten zu leistenden Beiträge sind vierteljährlich im nachhinein vorzuschreiben (Vorschreibezeitraum). Sie sind mit dem Ablauf des Monates fällig, das dem Ende des Vorschreibezeitraumes folgt (§ 33 Abs. 1 BSVG). Wird die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht oder verspätet erstattet, kann der Versicherungsträger den gemäß § 16 meldepflichtigen Personen einen Beitragszuschlag bis zur Höhe des nachzuzahlenden Beitrages vorschreiben (§ 34 Abs. 1 BSVG). Nach dem Inhalt der Verwaltungsakten wurde auf die vom 1. April 1990 bis 31. März 1992 fällig gewordenen Beiträge erstmals am 27. April 1992 eine Zahlung von S 37.053,-- durch "Umbuchung vom Beitragskonto des Bruders des Mitbeteiligten" geleistet. Die Beiträge für den Zeitraum 1. April 1990 bis 30. November 1991, zu denen ein Zuschlag verrechnet wurde, waren lange vor diesem Zeitpunkt zur Zahlung fällig. Die auf der Beitragsabrechnung des Bruders des Mitbeteiligten aufscheinende Forderungsabtretung kann ebenfalls erst zu einem nach Eintritt dieser Fälligkeit liegenden Zeitpunkt zustandegekommen sein, weil diese Beitragsabrechnung erst am 14. April 1992 erstellt wurde. Gegenstand der vom Mitbeteiligten geltend gemachten Forderungsabtretung war demnach das frühestens am 14. April 1992 errechnete Guthaben des Bruders des Mitbeteiligten. Über dieses Guthaben konnte der Mitbeteiligte aufgrund der behaupteten Forderungsabtretung ab dem Zeitpunkt derselben verfügen, also auch eine Aufrechnungserklärung gegenüber der Beschwerdeführerin vornehmen. Wird eine solche (der Beschwerdeführerin spätestens am 27. April 1992 zugekommene) Aufrechnungserklärung angenommen, so kann die Kompensation gemäß § 1438 ABGB als in jenem Zeitpunkt eingetreten angesehen werden, in dem Forderung und Gegenforderung einander zum ersten Mal aufrechenbar gegenübergestanden sind. Dem Mitbeteiligten stand eine Forderung gegenüber der Beschwerdeführerin erst ab der Forderungsabtretung über das Guthaben seines Bruders zu. Die Kompensationswirkung einer allfälligen Aufrechnungserklärung kann daher frühestens mit diesem Zeitpunkt eintreten. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch die Beiträge für den Zeitraum 1. April 1990 bis 30. November 1991 längst fällig. Der Umstand, daß der Bruder des Mitbeteiligten die ihm vorgeschriebenen - und offensichtlich der Höhe nach identen Beiträge im gegenständlichen Zeitraum - rechtzeitig bezahlte, vermag daran nichts zu ändern. Diese Zahlung erfolgte nämlich nicht zugunsten des Mitbeteiligten. Diesem kam auch keine Verfügung darüber zu, sondern erst auf ein verbleibendes Guthaben seines Bruders mit und ab dem Zeitpunkt der behaupteten Forderungsabtretung. Es kann daher im Beschwerdefall auf sich beruhen, ob gegen eine Beitragsforderung des Sozialversicherungsträgers mit einem abgetreten Beitragsguthaben aufgerechnet werden kann.

Aus diesen Gründen ist der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992080199.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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