TE Vfgh Beschluss 1991/10/10 G258/91

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Veröffentlicht am 10.10.1991
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
RAO §2 Abs2
RechtsanwaltsprüfungsG ArtII Z2

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrages mangels Betroffenheit des Antragstellers wegen Neufassung der bekämpften Bestimmung

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit seinem (beim Verfassungsgerichtshof am 22. Juli 1991 eingelangten) Antrag vom 18. Juli 1991 begehrt der Einschreiter unter Berufung auf Art140 (Abs1 letzter Satz) B-VG, §2 Abs2 der Rechtsanwaltsordnung (RAO) vom 6. Juli 1868, RGBl. Nr. 96/1868 idF des ArtII Z2 des Rechtsanwaltsprüfungsgesetzes (RAPG), BGBl. Nr. 556/1985, als verfassungswidrig aufzuheben.

Zur Antragslegitimation bringt der Einschreiter vor, er habe die staats- und rechtswissenschaftlichen Studien zurückgelegt und am 15. Dezember 1984 den akademischen Grad eines Doktors der Rechte erlangt. Seit 1. August 1987 sei er in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter der Tiroler Rechtsanwaltskammer eingetragen und übe diese Tätigkeit nach wie vor aus.

Da er auch die beiden Teilprüfungen der Rechtsanwaltsprüfung abgelegt und eine 9 1/2-monatige Gerichtspraxis absolviert habe, könnte er - wäre die Bestimmung des §2 Abs2 RAO idF BGBl. Nr. 570/1973 (= Fassung vor dem RAPG), wonach iVm §1 Abs2 litd leg.cit. als Erfordernis für die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte eine fünfjährige praktische Verwendung vorgeschrieben war, noch in Geltung - die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte Mitte Oktober 1991 erwirken.

Er sei sohin durch die Bestimmung des §2 Abs2 RAO idF BGBl. Nr. 556/1985, wonach die praktische Verwendung (nunmehr) sieben Jahre (bei Rechtsanwaltsanwärtern, die den akademischen Grad eines Doktors der Rechtswissenschaften erlangt haben, sechs Jahre) zu dauern habe, aktuell betroffen. Da die bekämpfte Bestimmung für ihn auch ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder Erlassung eines Bescheides wirksam geworden sei und ihm auch ein anderer zumutbarer Weg, Rechtschutz gegen die verfassungswidrige Norm zu erlangen, nicht zur Verfügung stehe, sei er auch unmittelbar betroffen.

Der Antragsteller behauptet, die angefochtene Gesetzesstelle verletze ihn in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Erwerbsfreiheit; die - auch ihn betreffende - Verlängerung der Ausbildungsdauer von fünf auf sieben Jahre sei insbesondere nicht mit dem Recht der freien Erwerbsausübung in Einklang zu bringen.

2. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des Antrages begehrt.

3. Der Antrag ist nicht zulässig:

Aus dem Wortlaut des Art140 Abs1 letzter Satz B-VG (arg. "verletzt zu sein behauptet" und nicht etwa "verletzt worden zu sein behauptet") ergibt sich, daß die bekämpfte Gesetzesstelle zumindest zum Zeitpunkt der Antragstellung (noch) eine behauptete und tatsächlich vorliegende (nachteilige) rechtliche Wirkung für den Antragsteller haben muß, mag auch das Gesetz inzwischen außer Kraft getreten sein (Art140 Abs4 B-VG).

Auch eine am Sinn dieser Verfassungsbestimmung orientierte Auslegung führt zum selben Ergebnis: Der Zweck des Individualantrages besteht darin, daß die behauptete Rechtsverletzung durch Aufhebung der bekämpften Gesetzesstelle beseitigt wird. Würde sich also trotz Aufhebung der angefochtenen Gesetzesbestimmung für die Rechtsposition des Antragstellers nichts ändern, kommt ihm die Antragslegitimation nicht zu (vgl. VfGH vom 28.6.1990, V109/89).

Dies ist hier der Fall.

§2 Abs2 RAO idF BGBl. Nr. 556/1985 wurde mit Bundesgesetz vom 28. Juni 1990 über das Disziplinarrecht der Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (Disziplinarstatut 1990 - DSt 1990) sowie über Änderungen der Rechtsanwaltsordnung, der Zivilprozeßordnung und der Strafprozeßordnung, BGBl. Nr. 474/1990, mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1991 geändert (vgl. ArtII Z2 und ArtV Z1).

Die vom Antragsteller behaupteten Eingriffe in seine Rechtssphäre durch §2 Abs2 RAO idF BGBl. Nr. 556/1985 lagen daher bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung (18. Juli 1991), geschweige denn zum vom Antragsteller mit "Mitte Oktober 1991" angegebenen frühestmöglichen Eintragungszeitpunkt in die Liste der Rechtsanwälte nicht (mehr) vor.

Würde also die Verfassungswidrigkeit des §2 Abs2 RAO idF BGBl. Nr. 556/1985 vom Verfassungsgerichtshof festgestellt werden, träte für die Rechtsposition des Antragstellers keine Änderung ein.

Der Antrag war daher schon aus diesem Grund mangels Antragslegitimation zurückzuweisen.

Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Rechtsanwälte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:G258.1991

Dokumentnummer

JFT_10088990_91G00258_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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