TE Vwgh Beschluss 1994/3/23 94/13/0006

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Veröffentlicht am 23.03.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/13/0052

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Anträge der S-GmbH in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der unter den

hg. Zlen. 93/13/0188 und 93/13/0189 protokollierten Beschwerden gegen die Bescheide der FLD f Wien, NÖ und Bgld vom 22. September 1992, Zl. 6/2-2026/92-09, betreffend Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer 1990 und vom 30. März 1993, Zl. 6/2-2054/93-09, betreffend Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer 1991, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben. Gleichzeitig werden die in einer weiteren Ausfertigung nochmals eingebrachten Beschwerden zurückgewiesen.

Begründung

Mit Beschlüssen je vom 24. November 1993, 93/13/0188 und 93/13/0189, stellte der Gerichtshof das Verfahren betreffend die von der Antragstellerin erhobenen Beschwerden gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 22. September 1992, Zl. 6/2-2026/92-09, und vom 30. März 1993, Zl. 6/2-2054/93-09, ein, weil die Antragstellerin den an sie ergangenen Aufträgen zur Verbesserung der Beschwerden insoweit nicht nachgekommen ist, als in beiden Beschwerdefällen zwar eine Ablichtung des ursprünglich in zweifacher Ausfertigung überreichten Beschwerdeschriftsatzes nachgereicht wurde, auf dieser Ausfertigung aber eine Unterschrift des einschreitenden Rechtsanwaltes - auch in Ablichtung - nicht aufschien.

In den Anträgen vom 4. Jänner 1994 (zu hg. Zl. 94/13/0006) und vom 12. Jänner 1994 (zu hg. Zl. 94/13/0052) wird unter Anschluß je einer Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln begehrt. Begründet werden die beiden Anträge jeweils gleichlautend damit, der Vertreter der Antragstellerin habe anläßlich des Diktates der Beschwerdeergänzung die Sekretärin angewiesen, auch eine weitere Ausfertigung des ursprünglichen Beschwerdeschriftsatzes zur Unterfertigung vorzulegen. Die Sekretärin habe in der Folge dem einschreitenden Rechtsanwalt den ergänzenden Schriftsatz in dreifacher Ausfertigung vorgelegt, nicht aber eine weitere Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerdeschrift. Statt dessen habe die Sekretärin eine Kopie dieser Beschwerde aus dem Akt angefertigt und gemeinsam mit den anderen Beilagen zusammengeheftet und so dem ergänzenden Schriftsatz beigelegt. Ein derartiger Fehler sei der Sekretärin, welche seit etwa 15 Jahren mit derartigen Tätigkeiten befaßt gewesen sei, bisher nicht passiert. Da trotz Anweisung der gegenständliche Schriftsatz nicht in der Form einer Ausfertigung zur Unterschrift vorgelegt worden sei und sich der einschreitende Rechtsanwalt zum Zeitpunkt der Unterfertigung in einer Konferenz von äußerster Wichtigkeit befunden habe, welche dieser nur zur Unterfertigung unterbrechen habe können, und somit eine genauere Kontrolle unmöglich gewesen sei, könne auch ihm jedenfalls keine auffallende Sorglosigkeit vorgeworfen werden.

Der Antragstellerin ist entgegenzuhalten:

Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß einer Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach ständiger Rechtsprechung gibt ein einem Rechtsanwalt widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann ab, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war, und es sich hiebei nur um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. z.B. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. September 1992, 92/15/0118, 0119, 0120, und das Erkenntnis vom 16. März 1993, 89/14/0254). Der bevollmächtigte Rechtsanwalt muß die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, daß auch die vollständige und fristgerechte Erfüllung von Mängelbehebungsaufträgen gesichert erscheint. Ein Rechtsanwalt verstößt dabei gegen eine anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im allgemeinen noch im besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Falle des Versagens eines Mitarbeiters Fristversäumnisse auszuschließen geeignet sind.

Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptung des Wiedereinsetzungswerbers im Wiedereinsetzungsantrag vorgegeben wird. Die Antragstellerin hat keinerlei Behauptungen darüber aufgestellt, ob und in welcher Weise ihr Rechtsanwalt seine Sekretärin kontrolliert bzw. in welcher Weise er den ihm obliegenden Aufsichts- und Kontrollpflichten nachgekommen ist. Überdies ist in den Antragsfällen zu bedenken, daß die Leistung der Unterschrift auf allen, an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Anbringen den einschreitenden Rechtsanwalt höchstpersönlich trifft. Die Unterlassung der Beisetzung der Unterschrift durch den Rechtsanwalt stellt sich somit als ein Ereignis dar, das überhaupt nicht im Bereich des Erfüllungsgehilfen, sondern in jenem des Rechtsanwaltes selbst - dessen Verschulden der Partei zuzurechnen ist - geschehen ist. Der Umstand, daß der Rechtsanwalt selbst bei der Unterfertigung der Beschwerdeergänzungen nicht unter Bedachtnahme auf den Mängelbehebungsauftrag auch die weitere Ausfertigung der (Ur-)Beschwerde unterfertigt hat, ist nicht der Sekretärin, sondern dem Rechtsanwalt selbst zuzuordnen. Zu dem in den Anträgen vorgebrachten weisungswidrigen Verhalten der Angestellten ist somit ein eigenes Verschulden des Rechtsanwaltes hinzugetreten, zumal in den Anträgen selbst ein Unterlassen der Kontrolle der Mängelbehebung mit dem Hinweis auf eine anderweitige erhebliche Inanspruchnahme des Rechtsanwaltes während der Unterschriftsleistung zugestanden worden ist.

Dem Rechtsanwalt der Antragstellerin fällt daher ein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der gegenständlichen Beschwerden zur Last, das einen minderen Grad des Versehens im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG übersteigt, weswegen die Anträge, hinsichtlich derer das Verfahren wegen des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden wurde, abzuweisen waren.

Die in einer weiteren Ausfertigung nochmals eingebrachten Beschwerden gegen die Bescheide waren mangels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen entschiedener Sache gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen, weil der Gerichtshof das Verfahren über die dieselben Verwaltungsakte bekämpfenden Beschwerden bereits mit den Beschlüssen vom 24. November 1993 eingestellt hat.

Schlagworte

Einwendung der entschiedenen Sache Mängelbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994130006.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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