Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. November 1993, Zl. SD 613/93, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, gemäß § 18 Abs. 1 und 2 Z. 1 FrG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von 5 Jahren erlassen. Nach der Begründung weise die Beschwerdeführerin sieben gerichtliche Verurteilungen im Zeitraum von 1981 bis 1992 auf. Sie sei sechsmal vom Strafbezirksgericht Wien bzw. einmal vom Bezirksgericht Floridsdorf wegen versuchten Diebstahls bzw. versuchter Entwendung jeweils zu Geldstrafen verurteilt worden. Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG seien gegeben, weil sie mehrmals wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden sei; auch die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 leg. cit. seien gegeben. Das Aufenthaltsverbot bedeute zweifellos einen beträchtlichen Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin, die sich seit dem Jahr 1973 in Österreich aufhalte. Dessen ungeachtet sei aber die Erlassung der fremdenpolizeilichen Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele - hier zur Verhinderung strafbarer Handlungen, zur Aufrechterhaltung der Ordnung sowie zum Schutze der Rechte Dritter - dringend geboten. Immerhin habe sich die Beschwerdeführerin in zahlreichen Angriffen gegen fremdes Vermögen vergriffen, sodaß vor allem aufgrund der Abfolge der Straftaten über einen langen Zeitraum hinweg eine Zukunftsprognose für sie nicht positiv ausfallen könne. Daß sie offenbar nicht gewillt sei, die Bestimmungen der österreichischen Rechtsordnung zu beachten, manifestiere sich nicht nur in den zahlreichen Verurteilungen, sondern auch darin, daß sie sich seit September 1992 unberechtigt in Österreich aufhalte. Angesichts des Sachverhaltes müsse daher den öffentlichen Interessen, die an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes bestehen, der Vorrang gegenüber den - wenn auch beträchtlichen - Auswirkungen dieser fremdenpolizeilichen Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin eingeräumt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin bekämpft die Feststellung der belangten Behörde als aktenwidrig, daß sie sich seit September 1992 unberechtigt in Österreich aufhalte. Aus dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 16. April 1993 (mit dem der ihr erteilte unbefristete Sichtvermerk für ungültig erklärt wurde) gehe hervor, daß die Aufenthaltsberechtigung mit Zustellung dieses Bescheides erlösche. Die Zustellung dieses Bescheides sei am 28. Mai 1993 erfolgt, sodaß der unberechtigte Aufenthalt erst ab diesem Zeitpunkt gegeben erscheine.
Wenngleich die Beschwerdeführerin insoweit im Recht ist, ist damit für sie nichts gewonnen, denn die belangte Behörde hat die Erlassung des Aufenthaltsverbotes primär auf die gerichtlichen Verurteilungen der Beschwerdeführerin gestützt. Die Dauer des unrechtmäßigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin fällt in diesem Zusammenhang daher nicht mehr entscheidend ins Gewicht.
Die rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde, daß im vorliegenden Fall der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht ist, begegnet keinen Bedenken. Der Umstand, daß von der Erstbehörde trotz Kenntnis der bis dahin verhängten fünf Bestrafungen der Beschwerdeführerin unbefristeter - mittlerweile rechtskräftig für ungültig erklärter - Sichtvermerk erteilt wurde, stand der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen. Auch der Hinweis, daß im Jahr 1992 lediglich zwei Bestrafungen hinzugekommen seien, wobei es sich um versuchte Delikte, die keinen Schaden nach sich gezogen hätten, gehandelt habe, und mit der Verhängung von relativ geringfügigen Bußen das Auslangen gefunden worden sei, geht fehl. § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG stellt u.a. auch darauf ab, daß der Fremde mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist, ohne daß in diesem Zusammenhang auf die Strafart oder das Strafausmaß Bezug genommen wird.
Auch die Auffassung der belangten Behörde, daß die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist, ist nicht rechtswidrig. Im Hinblick auf die Vielzahl der über einen langen Zeitraum von der Beschwerdeführerin begangenen strafbaren Handlungen und den Umstand, daß sie sich trotz Bestrafung nicht von der Begehung weiterer Straftaten abhalten ließ, sowie auf den unrechtmäßigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin kann der belangten Behörde auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Verhängung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 leg. cit. - zur Verhinderung strafbarer Handlungen, Aufrechterhaltung der Ordnung sowie zum Schutze der Rechte Dritter - als dringend geboten erachtete. Der Auffassung der Beschwerdeführerin, sie habe sich seit eineinhalb Jahren wohlverhalten, wodurch eine günstige Zukunftsprognose erstellbar wäre, kann nicht beigetreten werden. Abgesehen davon, daß es sich hier teils um Zeiten unrechtmäßigen Aufenthaltes handelt, vermag dieser Zeitraum in Anbetracht seiner Kürze und der zahlreichen gerichtlichen Verurteilungen der Beschwerdeführerin nicht zu ihren Gunsten auszuschlagen.
Die belangte Behörde hat bei der nach § 20 Abs. 1 FrG gebotenen Interessenabwägung alle dem privaten Bereich zuzurechnenden Umstände - weitere Aspekte, die in dieser Hinsicht zu berücksichtigen gewesen wären, zeigte die Beschwerde nicht auf - Bedacht genommen, sodaß der in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrüge, nämlich Verletzung des Parteiengehörs, der Boden entzogen ist. Daß die belangte Behörde ungeachtet des Vorhandenseins beachtlicher privater, für den Verbleib der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet sprechender Gründe dennoch zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die hier maßgeblichen für das Aufenthaltsverbot sprechenden öffentlichen Interessen sind angesichts der zahlreichen der Beschwerdeführerin zur Last liegenden Rechtsbrüche, die eine beharrliche Mißachtung fremden Eigentums zum Ausdruck bringen, von solchem Gewicht, daß sie die gegenläufigen privaten Interessen der Beschwerdeführerin überwiegen.
Die Beschwerde wirft der belangten Behörde vor, sie habe die Bestimmung des § 20 Abs. 2 FrG außer acht gelassen, wonach der Beschwerdeführerin bereits im Jahre 1983 die Möglichkeit gegeben gewesen wäre, gemäß § 10 Abs. 1 FrG (richtig: StbG) um die österreichische Staatsbürgerschaft anzusuchen, die ihr zu diesem Zeitpunkt auch verliehen worden wäre.
Mit diesem Argument übersieht die Beschwerdeführerin, daß die von der belangten Behörde angenommene "Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" im Sinne des § 20 Abs. 2 FrG in der siebenmaligen rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung wegen des versuchten Diebstahles bzw. der versuchten Entwendung in den Jahren 1981 bis 1992 besteht. Der für die Beurteilung, ob die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StbG gegeben sind, entscheidende Zeitpunkt ("vor" Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes) war somit der der Rechtskraft der vorletzten dieser sieben Verurteilungen im Jahre 1992 (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0491). Bezogen auf diesen Zeitpunkt ist zu beurteilen, ob bei der Beschwerdeführerin sämtliche der im § 10 Abs. 1 Z. 1 bis 8 StbG angeführten Voraussetzungen vorliegen. War das Vorliegen auch nur einer dieser (kumulativen) Voraussetzungen zu verneinen, so stand der Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen die Beschwerdeführerin § 20 Abs. 2 FrG nicht entgegen. Die Beschwerdeführerin hat in diesem Zeitpunkt die Verleihungsvoraussetzung der Z. 6 - derzufolge die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden kann, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit bildet - nicht erfüllt. Die Art und Häufigkeit der geradezu regelmäßig begangenen, sich über einen Zeitraum von elf Jahren erstreckenden Straftaten lassen ein Charakterbild der Beschwerdeführerin erkennen, das zweifelsohne den Schluß rechtfertigt, sie sei gegenüber den zum Schutz des Eigentums erlassenen Vorschriften negativ eingestellt und bilde solcherart eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Daraus folgt, daß aufgrund des Verleihungshindernisses des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG die Verhängung des Aufenthaltsverbotes auch im Grunde des § 20 Abs. 2 FrG nicht unzulässig war (vgl. auch hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1993).
Schließlich ist auch der Vorwurf der Beschwerde, die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, daß in Jugoslawien keinerlei Verwandtschaft der Beschwerdeführerin existiere und sie auch keinerlei wirtschaftliche Wurzeln in Jugoslawien habe und somit ihrer Existenz vollkommen beraubt würde, rechtlich irrelevant. Das Aufenthaltsverbot bewirkt ausschließlich den Verlust der Aufenthaltsberechtigung der Beschwerdeführerin in Österreich. Im Rahmen der ein Aufenthaltsverbot erlassenden Entscheidung ist die Frage, in welches Land der Fremde ausreisen oder allenfalls abgeschoben werden wird, ohne rechtliche Relevanz (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0445).
Da sohin schon der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994180058.X00Im RIS seit
20.11.2000