Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
EheG §23;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des F in H, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 29. Oktober 1993, Zl. III 370-22251/90, betreffend Ungültigerklärung eines Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid vom 29. Oktober 1993 erklärte die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn (die belangte Behörde) gemäß § 11 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, den von ihr dem Beschwerdeführer, einem türkischen Staatsangehörigen, am 30. Dezember 1992 erteilten Sichtvermerk für ungültig.
Zur Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen folgendes aus: Der am 30. Dezember 1989 in Österreich eingereiste Beschwerdeführer habe am 25. April 1990 in Dornbirn die österreichische Staatsbürgerin Christine P. geheiratet. Schon vor der Eheschließung seien der belangten Behörde vom Standesamt Bedenken betreffend die Eingehung einer Scheinehe mitgeteilt worden. Da aber zum damaligen Zeitpunkt noch keine weiteren diesbezüglichen Hinweise vorgelegen seien, sei dem Beschwerdeführer aufgrund dieser Eheschließung und des vorgelegten Befreiungsscheines des Arbeitsamtes Dornbirn am 10. Dezember 1990 ein befristeter Sichtvermerk ausgestellt worden. Letztmalig sei ihm am 30. Dezember 1992 ein Sichtvermerk mit einer Gültigkeitsdauer bis 13. Februar 1994 ausgestellt worden. Mit Urteil des Juristischen Landgerichtes Resadiye vom 20. August 1991 sei die Ehe des Beschwerdeführers mit Christine P. geschieden worden. Im Zuge eines gegen sie geführten Strafverfahrens (das mit ihrer Verurteilung wegen § 12 Abs. 1 und Abs. 3 Z. 3 Suchtgiftgesetz geendet habe) sei Christine P. geständig gewesen, neben ihren Heroingeschäften auch Scheinehen zwischen Türken und (z.T. drogenabhängigen) Österreicherinnen vermittelt zu haben. Vor Gericht habe die Genannte ausgesagt, daß im Juni 1990, also ca. eineinhalb Monate nach ihrer Eheschließung, ein gewisser Temel E. ihr Lebensgefährte gewesen sei. Dies sei er auch noch im Sommer 1991 gewesen, als er Christine P. in die Türkei, wo sich diese habe scheiden lassen, begleitet habe. Hieraus habe die belangte Behörde geschlossen, daß die mit dem Beschwerdeführer geschlossene Ehe ebenfalls nur eine Scheinehe zum Zweck der Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung gewesen sei. Außerdem sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 6. Juni 1991 wegen § 83 Abs. 1 StGB (zu einer Geldstrafe) verurteilt worden. Im Rahmen des daraufhin gegen ihn eingeleiteten Aufenthaltsverbotsverfahrens habe der Beschwerdeführer ausgeführt, daß die Eheschließung mit Christine P. eine "Chance" gewesen sei, die er wahrgenommen habe. Nach Meinung der Behörde habe er damit das Eingehen einer Scheinehe zugegeben. Als weiteres Indiz komme hinzu, daß die Ehe schon bald, nachdem der Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung erhalten habe, geschieden worden sei, wobei noch anzumerken sei, daß sich Christine P. vom 23. Jänner 1991 bis 7. März 1991 in Untersuchungshaft befunden habe.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stelle die Eingehung einer Ehe durch einen Fremden zwecks Beschaffung einer Aufenthaltsberechtigung einen evidenten Rechtsmißbrauch dar, ein Verhalten, das als gravierende Beeinträchtigung des geordneten menschlichen Zusammenlebens die Annahme rechtfertige, der weitere Aufenthalt des Fremden in Österreich würde die öffentliche Ordnung gefährden.
Da die Behörde den Sichtvermerk bei Wissen um die Sachlage gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG versagt hätte, sei er für ungültig zu erklären gewesen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht werden und begehrt wird, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 11 Abs. 1 FrG ist ein Sichtvermerk ungültig zu erklären, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, welche die Versagung des Sichtvermerkes (§ 10 Abs. 1 und 2) rechtfertigen würden.
Nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
2.1. Die Beschwerde rügt, daß weder die ehemalige Ehegattin des Beschwerdeführers noch der Beschwerdeführer noch Temel E. einvernommen worden sei, vielmehr bloß mittelbare Beweismittel berücksichtigt worden seien, und auch dies nur, soweit sie für den Beschwerdeführer ungünstig gewesen seien; für ihn günstige Beweisergebnisse (wie etwa der Aktenvermerk der belangten Behörde vom 20. April 1990) seien "einfach ausgespart" worden. Aus diesem Grund sei die Beweiswürdigung und damit das Verfahren der belangten Behörde mangelhaft geblieben.
2.2. Der Verwaltungsgerichtshof kann - im Rahmen der ihm insoweit zustehenden Überprüfungsbefugnis (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) - nicht finden, daß die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung (s. die Sachverhaltsdarstellung oben I.1.) mit der Lebenserfahrung und/oder den Denkgesetzen nicht in Einklang zu bringen sei. Daß sich die belangte Behörde zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wesentlich auf die Aussagen der ehemaligen Gattin des Beschwerdeführers, welche diese im Zuge des gegen sie durchgeführten gerichtlichen Strafverfahrens getätigt hatte, stützte, begegnet angesichts des im § 46 AVG verankerten Grundsatzes der Unbeschränktheit und Gleichwertigkeit der Beweismittel ebenso wenig Bedenken wie die Bedachtnahme auf die schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 16. März 1993, welche dieser zu der von der belangten Behörde mit Schreiben vom 15. Jänner 1993 erklärten Absicht, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, abgegeben hatte.
Da die belangte Behörde auf der Grundlage von in dieser Hinsicht ausreichenden Beweisergebnissen zu der Annahme gelangte, der Beschwerdeführer habe mit Christine P. die Ehe zum Zweck der Beschaffung der Aufenthaltsberechtigung geschlossen, stellt es auch keinen (relevanten) Verfahrensmangel dar, wenn die Behörde die Vernehmung des Beschwerdeführers, seiner ehemaligen Gattin und deren Lebensgefährten (Temel E.) für entbehrlich hielt. Dazu kommt noch, daß es die Beschwerde verabsäumte aufzuzeigen, inwiefern die von ihr vermißten Einvernahmen zu einem anderen (für den Beschwerdeführer günstigeren) Ergebnis geführt hätten, wird doch von ihr nicht einmal behauptet, daß die Genannten anläßlich einer Vernehmung dem von der belangten Behörde festgestellten maßgeblichen Sachverhalt eine in wesentlichen Punkten abweichende Darstellung entgegengesetzt hätten.
3.1. Für inhaltlich rechtswidrig hält der Beschwerdeführer den bekämpften Bescheid deshalb, weil sein Aufenthalt entgegen der Annahme der belangten Behörde keine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit darstelle. Er verweist dazu darauf, daß er einer geregelten Arbeit nachgehe, der Arbeitgeber mit seiner Arbeitsleistung sehr zufreiden sei und auch die einmalige gerichtliche Verurteilung wegen § 83 Abs. 1 StGB keinen hinreichenden Grund für diese Annahme darstelle.
3.2. Diese Rüge ist verfehlt. Zum einen läßt die Begründung des angefochtenen Bescheides keinen Zweifel darüber aufkommen, daß die belangte Behörde als tragenden Grund für die Ungültigerklärung des Sichtvermerkes ausschließlich die vom Beschwerdeführer rechtsmißbräuchlich, weil zum Zweck der Beschaffung einer Aufenthaltsberechtigung eingegangene Ehe heranzog. Zum anderen erblickte die belangte Behörde in dieser nachträglich bekannt gewordenen Tatsache i.S. des § 11 Abs. 1 FrG eine solche, welche die Annahme rechtfertige, daß der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung (nicht auch Ruhe oder Sicherheit) gefährden würde. Da diese Rechtsansicht der belangten Behörde die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0433) für sich hat, haftet dem bekämpften Bescheid auch keine inhaltliche Rechtswidrigkeit an.
4. Nach dem Gesagten war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993180602.X00Im RIS seit
11.07.2001