TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/24 93/16/0088

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Veröffentlicht am 24.03.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

FinStrG §35 Abs2;
FinStrG §37 Abs1 lita;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde des Präsidenten der FLD für OÖ, gegen den Bescheid des Berufungssenates bei der FLD für OÖ als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 10. Juni 1992, Zl. 1033/4-2/P-1991, betreffend Einstellung des Finanzstrafverfahrens i.A. einer Abgabenhehlerei (mitbeteiligte Partei: H in A, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in A), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte kaufte im Juli 1985 von der "Firma J" in B einen PKW der Marke Mercedes 190 D um S 165.000,-- inklusive Verzollung und Zustellung und unterfertigte bei Kaufabschluß einen "Blankokaufvertrag", in dem der vereinbarte Preis nicht angegeben war. Am 25. Juli 1985 beantragte die von J beauftragte Speditionsfirma als Anmelderin beim Zollamt Walserberg-Autobahn die Abfertigung dieses PKW"s zum freien Verkehr; als Empfänger war in der Anmeldung der Mitbeteiligte angeführt. Der Anmeldung als Unterlage angeschlossen war u.a. der bereits erwähnte Kaufvertrag vom 18.Juli 1985 mit einem Kaufpreis von DM 8.000,--. Die Ausfolgung des PKW"s bei der Abfertigung zum freien Verkehr erfolgte am 25. Juli 1985, die automationsunterstützt ausgefertigte Abgabenfestsetzung zur zollamtlichen Bestätigung datiert vom 26. Juli 1985. Unmittelbar nach Durchführung der Abfertigung wurde der PKW dem Mitbeteiligten zugestellt und gegen Barzahlung übergeben. Nach ca. zwei Wochen wurden dem Mitbeteiligten die Verzollungsunterlagen von der Speditionsfirma samt Kaufvertrag zugesandt. Dabei stellte der Mitbeteiligte fest, daß im Kaufvertrag nicht der vereinbarte, sondern ein erheblich niedrigerer Kaufpreis eingesetzt war.

Im November 1988 kaufte der Mitbeteiligte von der "Firma S" in M einen PKW der Marke Mercedes 200 D um S 240.000,-- inklusive Verzollung und Zustellung und unterfertigte bei Kaufabschluß einen "Blankokaufvertrag", in dem der vereinbarte Preis nicht angegeben war. Am 16. November 1988 beantragte die von s beauftragte Speditionsfirma als Anmelderin beim Zollamt Walserberg-Autobahn die Abfertigung dieses PKW"s zum freien Verkehr; als Empfänger war in der Anmeldung der Mitbeteiligte angeführt. Der Anmeldung als Unterlage angeschlossen war u.a. der bereits erwähnte Kaufvertrag vom 14. November 1988 mit einem Kaufpreis von DM 15.000,--. Die Ausfolgung des PKW"s bei der Abfertigung zum freien Verkehr erfolgte am 16. November 1985, die automationsunterstützt ausgefertigte Abgabenfestsetzung zur zollamtlichen Bestätigung datiert vom 18. November 1988. Unmittelbar nach Durchführung der Abfertigung wurde der PKW dem Mitbeteiligten zugestellt und gegen Barzahlung übergeben. Einige Zeit später wurden dem Mitbeteiligten die Verzollungsunterlagen samt Kaufvertrag zugesandt. Nach Einsichtnahme in den Kaufvertrag wurde er von seiner Ehefrau darauf angesprochen, warum dort lediglich DM 15.000,-- als Kaufpreis aufscheine.

Mit Bescheid vom 18. September 1990 hat das Zollamt Linz dem Mitbeteiligten die gemäß § 174 Abs. 3 lit. c iVm Abs. 4 und iVm § 3 Abs. 2 ZollG kraft Gesetzes entstandene Abgabenschuld für beide PKW in der Höhe von S 46.626,-- samt Säumniszuschlag in der Höhe von S 932,-- rechtskräftig vorgeschrieben.

Mit Straferkenntnis vom 4. September 1991 hat das Hauptzollamt Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz den Mitbeteiligten schuldig erkannt, im Juli 1985 und November 1988 in Österreich vorsätzlich Sachen, nämlich den PKW der Marke Mercedes 190 D und den PKW der Marke Mercedes 200 D mit einem Zollwert von insgesamt S 405.000,--, hinsichtlich derer bei der Einfuhr nach Österreich durch J bzw. S das Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Hinterziehung von Eingangsabgaben in der Begehungsform der Beteiligung gemäß §§ 35 Abs. 2, 38 Abs. 1 lit. a und 11 FinStrG begangen worden sei (Verkürzungsbetrag EUSt S 46.194,-- und Außenhandelsförderungsbeitrag S 432,--), "gekauft und trotz Kenntnis der zollunredlichen Herkunft behalten zu haben". Der Mitbeteiligte habe dadurch das Finanzvergehen der vorsätzlichen Abgabenhehlerei gemäß § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen und über ihn wurde gemäß § 37 Abs. 2 iVm § 21 FinStrG eine Geldstrafe in der Höhe von S 37.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 37 Tage) verhängt. Statt auf Verfall der Tatgegenstände wurde auf anteiligen Wertersatz in der Höhe von S 68.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 34 Tage) erkannt.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid des Berufungssenates als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz bei der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 10. Juni 1992 wurde der Berufung des Mitbeteiligten Folge gegeben, das erstinstanzliche Erkenntnis aufgehoben und in der Sache selbst erkannt: Das Strafverfahren gegen den Mitbeteiligten wurde gemäß § 136 FinStrG iVm § 82 Abs. 3 lit. b FinStrG eingestellt. In der Begründung wurde ausgeführt, der Berufung komme Berechtigung zu, weil der Mitbeteiligte in der Verhandlung überzeugend dargelegt habe, daß er von einer Abgabenhinterziehung nichts gewußt habe. Der Mitbeteiligte habe sich darauf verlassen dürfen, daß ein in der Nähe der Grenze situierter Kraftfahrzeughändler sich auch mit dem Export von Fahrzeugen, vor allem in das benachbarte Österreich befasse, dabei sowohl die deutschen als auch die österreichischen Vorschriften für Export bzw. Import kenne und diese im eigenen, vor allem aber auch im Interesse seiner Kunden einhalte. Die Tatsache allein, daß sich der Mitbeteiligte bei seinem Kauf eines für ihn nicht erkennbar unzuverlässigen KFZ-Händlers bedient habe, sei dem Mitbeteiligten noch nicht vorwerfbar. Da der Mitbeteiligte die Gewahrsame an den beiden PKW gutgläubig erlangt habe, fehle es im Hinblick auf das ihm angelastete Finanzvergehen an der Tatbildmäßigkeit, weshalb das Strafverfahren gemäß § 136 FinStrG einzustellen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, in der dieser sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, wie auch der Mitbeteiligte, der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 37 Abs. 1 FinStrG macht sich der Abgabenhehlerei schuldig, wer vorsätzlich eine Sache, hinsichtlich welcher ein Schmuggel, eine Verzollungsumgehung, eine Verkürzung von Verbrauchsteuern (Branntweinaufschlag) oder von Eingangs- oder Ausgangsabgaben begangen wurde oder Erzeugnisse aus Branntwein, hinsichtlich dessen ein solches Finanzvergehen begangen worden ist, kauft, zum Pfand nimmt oder sonst an sich bringt, verheimlicht oder verhandelt.

Der Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben macht sich gemäß § 35 Abs. 2 FinStrG schuldig, wer, ohne den Tatbestand des Abs. 1 zu erfüllen, vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Verkürzung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben bewirkt; § 33 Abs. 3 gilt entsprechend.

Gemäß § 33 Abs. 3 lit. a FinStrG ist eine Abgabenverkürzung nach Abs. 1 oder 2 bewirkt, wenn Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen sind, zu niedrig oder infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde von der Entstehung des Abgabenanspruches nicht innerhalb eines Jahres ab dem Ende der gesetzlichen Erklärungsfrist (Anmeldefrist, Anzeigefrist) festgesetzt wurden.

Nach dem Wortlaut des § 37 FinStrG gehört zum Tatbestand der Abgabenhehlerei eine vollendete Vortat in Gestalt eines der erschöpfend aufgezählten Finanzvergehen (arg.: "begangen wurde"). Dem Wort "bewirken" im § 35 Abs. 2 FinStrG kommt die Bedeutung von "verursachen" zu. Macht der Abgabepflichtige unrichtige oder unvollständige Angaben, so ist sein Handeln dann ursächlich für den eingetretenen Erfolg, wenn die Abgabenverkürzung bei richtiger und/oder vollständiger Angabe nicht eingetreten wäre. Der Zeitpunkt, in dem die Abgabenverkürzung bewirkt ist, richtet sich nach der Bestimmung des § 33 Abs. 2 FinStrG, die auf die Hinterziehung von Eingangs- und Ausgangsabgaben entsprechend anzuwenden ist. Eine Verkürzung von bescheidmäßig festzusetzenden Eingangsabgaben ist somit erst mit der Nichtfestsetzung oder zu niedrigen Festsetzung dieser Abgaben bewirkt.

Die einen Bestandteil der zollamtlichen Betätigung bildende Abgabenfestsetzung zur zollamtlichen Bestätigung ist für den PKW der Marke Mercedes 190 D am 26. Juli 1985 und für den PKW der Marke 200 D am 18. November 1988 ausgefertigt worden, der Zeitpunkt der Zustellung dieser Festsetzungen ist den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen. Jedenfalls aber erfolgte schon die Ausfertigung dieser Abgabenfestsetzungen später als der "Kauf" der PKW und auch später als nach der Aktenlage die Übergabe der PKW an den Mitbeteiligten erfolgt ist, wodurch er "die Gewahrsame an den beiden PKW" erlangt hat. Im Zeitpunkt der Übergabe der PKW war weder die Zollschuld kraft Gesetzes nach § 174 Abs. 3 lit. c ZollG schon entstanden, noch die Abgabenverkürzung bewirkt, sodaß mangels Vorliegens einer vollendeten Vortat dem Mitbeteiligten auch nicht mit Recht eine Abgabenhehlerei deswegen angelastet werden konnte, weil er nach vollendeter Vortat die PKW gekauft oder an sich gebracht haben soll. Dies hat die belangte Behörde verkannt. Bei der Entscheidung in der Sache selbst, nämlich das Finanzstrafverfahren gemäß §§ 136 iVm 38 Abs. 3 lit. b FinStrG einzustellen, ist die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausschließlich davon ausgegangen, es fehle an der Tatbildmäßigkeit, da der Mitbeteiligte die Gewahrsame an den beiden PKW gutgläubig erlangt habe. Damit hat die belangte Behörde allerdings verkannt, daß der Vorwurf der Abgabenhehlerei nicht deswegen zu Unrecht besteht, weil der Mitbeteiligte gutgläubig die Gewahrsame über die PKW erlangt hat, sondern schon deswegen, weil im Zeitpunkt des "Kaufes" und des "Ansichbringens" die Vortat noch nicht vollendet war. Hätte die belangte Behörde dies erkannt, wäre jedoch vor der Einstellung des Finanzstrafverfahrens zu prüfen und festzustellen gewesen, ob nicht die weiteren Tatbilder des § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG verwirklicht waren (vgl. hiezu aber das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1993, Zl. 91/16/0118) oder der aus den Administrativakten zu entnehmende, von dem Mitbeteiligten zum Teil unbestrittene Sachverhalt einen anderen Tatbestand als den der Abgabenhehlerei nach § 37 FinStrG erfüllt. Insbesondere die behauptete Blankounterschrift unter den Kaufvertrag, das Fehlen von Belegen bei den Kaufpreiszahlungen, die Reaktion des Mitbeteiligten nach Übermittlung der nunmehr mit einem unrichtigen Kaufpreis versehenen Rechnung und die Vorgangsweise beim zweiten Import nach der Erfahrung des ersten sind Verdachtsgründe, die nicht bloß damit abgetan werden können, der Mitbeteiligte habe die Gewahrsame an den PKW gutgläubig erlangt.

Da die belangte Behörde in Verkennung dieser Umstände gar nicht geprüft hat, ob der Mitbeteiligte andere Tatbestände des Finanzstrafgesetzes erfüllt haben könnte, und auch diesbezüglich solche die Einstellung des Finanzstrafverfahrens begründenden Feststellungen nicht getroffen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid wegen Feststellungsmangels mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Ein Aufwandersatz war nicht zuzusprechen.

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993160088.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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