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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. November 1993, Zl. 4.318.027/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, der am 7. Juli 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 18. Februar 1992, mit dem festgestellt worden war, bei ihm lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 30. November 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Nach den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist, habe er bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 13. Juli 1991 angegeben, er sei im Jahre 1977 in der römisch-katholischen Kirche getauft worden und habe zuvor keiner Religionsgemeinschaft angehört. Nach dem Ableben seines Vaters "glaublich" im April 1991, habe der Beschwerdeführer erstmals von dessen Mitgliedschaft bei der "Action Group", einer heidnischen Sekte, die von der nigerianischen Regierung nicht anerkannt werde, erfahren. Die Sekte habe von der Familie des Beschwerdeführers verlangt, vom Leichnam seines Vaters einen Körperteil abzutrennen, was diese aber abgelehnt habe. Die Nichteinhaltung von Vorschriften dieser Sekte werde mit dem Tode bestraft. Es sei daher in der Folge zwischen der "christlichen Gruppe" und der "Action Group" zu einem "regelrechten Krieg" gekommen, in dessen Verlauf sogar Personen getötet worden seien. Auch der Beschwerdeführer habe, ohne dies mit Sicherheit sagen zu können, Anhänger der "Action Group" getötet. Die evangelische Kirche habe sich mit der römisch-katholischen verbunden und ebenfalls gegen die "Action Group" gekämpft, wobei der Pastor der evangelischen Kirche getötet worden sei. Aus Furcht, ebenfalls getötet zu werden, habe der Beschwerdeführer Benin City verlassen und sich nach Warri begeben, wo ihn Glaubensbrüder finanziell unterstützt und ihm die Flucht ermöglicht hätten. Die nigerianische Polizei habe den Beschwerdeführer vermutlich wegen Mordes gesucht, wobei er im Fall seiner Verhaftung mit sofortiger Tötung ohne Gerichtsverfahren zu rechnen habe. Weiters habe die Gefahr bestanden, von der "Killergruppe" der "Action Group" getötet zu werden. Der Beschwerdeführer habe sich daher zur Flucht entschlossen und sei mit einem im März 1990 ohne Schwierigkeiten ausgestellten Reisepaß und einem bulgarischen und einem jugoslawischen Visum, die er sich in Lagos besorgt habe, am 7. Mai 1991 auf dem Luftweg aus Nigeria nach Sofia ausgereist.
In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides kritisiert, seine erstinstanzlichen Angaben bekräftigt und darüber hinaus ausgeführt, während der Begräbnisfeierlichkeiten für seinen Vater seien auch Mitglieder der angeführten Sekte erschienen und hätten auf ihrer Forderung, einen Körperteil des Leichnams zu entfernen, beharrt. In der Folge sei es zu einem Kampf gekommen. Der Beschwerdeführer als Sohn des Verstorbenen sei der Sekte "ein besonderer Dorn im Auge" gewesen, weshalb die aufgebrachte Menge versucht habe, ihn zu töten. Nur mit größter Mühe sei es ihm gelungen zu entkommen, während andere zu Tode gekommen seien. Er sei daraufhin für die Sekte zum Feindbild geworden, das es zu beseitigen gegolten habe. Dies ginge meist ohne Aufsehen und so, als ob ein Unfall geschehen wäre, vonstatten. Da dagegen auch die Polizei machtlos sei, sei dem Beschwerdeführer nur die Flucht aus seinem Heimatland geblieben.
Die belangte Behörde hat der Berufung des Beschwerdeführers insbesondere deshalb keine Folge gegeben, weil es sich bei den Vorgängen im Zusammenhang mit den Forderungen der "Action Group" nicht um konkrete, gegen den Beschwerdeführer gerichtete, von staatlichen Stellen ausgehende oder von diesen geduldete Verfolgung gehandelt habe. Auf Grund der unwidersprochen gebliebenen Darstellung des Vorbringens des Beschwerdeführers, der unbestritten nie behauptet hat, einer von staatlichen Stellen ausgehenden, auf Konventionsgründe zurückzuführenden Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein, ist diese Beurteilung des Sachverhaltes durch die belangte Behörde schlüssig. Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang auch durchaus zu Recht darauf hingewiesen, daß er seinen Angaben zufolge nicht einmal den Versuch unternommen habe, sich staatlichen Schutzes zu bedienen.
Die vom Beschwerdeführer vermutete polizeiliche Fahndung hat die belangte Behörde darauf zurückgeführt, daß er im Verdacht gestanden sei, an strafrechtlich zu ahndenden Handlungen beteiligt gewesen zu sein. Auch dieser Argumentation der belangten Behörde ist beizupflichten, weil die vom Beschwerdeführer selbst angestellte Vermutung, er habe Angehörige der "Action Group" getötet, durchaus der allgemeinen Kriminalität zuzurechnen ist, und diese Teilnahme nicht in einem derartigen Naheverhältnis zu einer politischen Tätigkeit oder politischen Meinung bzw. religiösen Gesinnung steht, welches es rechtfertigen würde, die wegen dieser Tat drohende Strafverfolgung als Verfolgung wegen politischer oder religiöser Gesinnung (oder aus einem der anderen in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 angeführten Gründe) anzusehen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1992, Zl. 92/01/0086). Der Beschwerdeführer wäre daher - wie die belangte Behörde grundsätzlich richtig erkannt hat - gehalten gewesen, sich dem allenfalls gegen ihn erhobenen Vorwurf der Tötung von Mitgliedern der "Action Group" in einem ordentlichen Gerichtsverfahren zu stellen.
Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde die Auffassung vertritt, die "Action Group" bzw. deren "ablehnungswürdige Machenschaften" seien vom Staat geduldet, steht er damit im Widerspruch zu seiner vor der Behörde erster Instanz erhobenen Behauptung, diese Sekte sei von der nigerianischen Regierung nicht anerkannt.
Wenn der Beschwerdeführer unter dem Titel der Rechtswidrigkeit des Inhaltes rügt, aus den Ausführungen der belangte Behörde über die Gerichtsbarkeit in Nigeria könne nicht darauf geschlossen werden, es sei für ihn ein rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechendes Gerichtsverfahren gewährleistet, ist ihm zuzugestehen, daß es die belangte Behörde unterlassen hat, ihm zu ihren diesbezüglichen Feststellungen das Parteiengehör zu gewähren. Dieser Verfahrensmangel kann indes nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, weil die belangte Behörde angesichts des Umstandes, daß es sich bei der vor der Behörde erster Instanz geäußerten Befürchtung, ohne Gerichtsverfahren getötet zu werden, lediglich um eine im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren in keiner Weise näher begründete Vermutung handelt, auch bei Vermeidung dieses Mangels zu keinem anderen Bescheid hätte gelangen können.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist im Beiziehung eines Amtsdolmetschers nicht verpflichtend vorgesehen. Gemäß § 18 Abs. 1 Asylgesetz 1991 reicht die Beiziehung eines Dolmetschers - also auch eines solchen, der nicht die Funktion eines Amtsdolmetschers innehat - für eine dem Asylwerber ausreichend verständliche Sprache aus. Daß aber der der Vernehmung des Beschwerdeführers unbestritten beigezogene Dolmetscher etwa seine Angaben falsch oder die ihm gestellten Fragen für den Beschwerdeführer unverständlich übersetzt hätte, hat er selbst nicht behauptet.
Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren und somit auch ohne Durchführung der beantragten Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994190261.X00Im RIS seit
20.11.2000