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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Paliege, über die Beschwerde der C in X, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 10. Dezember 1992, Zl. 12/150-2/1992, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.520,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters von Innsbruck vom 13. Oktober 1992 wurde die Beschwerdeführerin für schuldig erkannt, sie habe es als Obfrau und sohin als im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG satzungsgemäß zur Vertretung des "X-Vereines" nach außen berufenes Organ zu verantworten, daß durch diesen Verein in der Zeit vom 26. Februar 1991 bis zum 10. Dezember 1991 in Innsbruck, T-Straße 3, in einem, zu den genehmigten Betriebsräumen und allfälligen weiteren Betriebsflächen hinzugenommenen Betriebsraum, und zwar im Kellerlokal des dortigen Veranstaltungszentrums mit einem Ausmaß von ca. 150 m2, das Gastgewerbe ausgeübt worden sei, indem dort ein Getränkeausschank erfolgt und kleine Imbisse verabreicht worden seien, ohne daß der genannte Verein über die hiefür gemäß § 201 GewO 1973 erforderliche Genehmigung verfügt hätte. Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 368 Z. 13 in Verbindung mit § 201 GewO 1973 sowie in Verbindung mit § 9 VStG begangen, weshalb über sie gemäß § 368 (Einleitungssatz) leg. cit eine Geldstrafe in der Höhe von S 8.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) verhängt wurde.
Auf Grund der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin, in der sie dessen ersatzlose Behebung und Einstellung des Strafverfahrens beantragte, erging der angefochtene Bescheid, mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG "der Berufung Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben" wurde. Hiezu wurde ausgeführt, daß der der belangten Behörde vorliegende Sachverhalt es zwar als möglich erscheinen lasse, daß die Beschwerdeführerin die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen habe. Dies könne ihr aber aufgrund der Ergebnisse des bisherigen (ergänzungsbedürftigen) Ermittlungsverfahren nicht eindeutig nachgewiesen werden. Das angefochtene Straferkenntnis sei daher zu beheben, das Verwaltungsstrafverfahren jedoch nicht einzustellen gewesen. Die Strafbehörde erster Instanz werde das Verwaltungsstrafverfahren fortzuführen oder einzustellen haben. Obzwar gemäß § 24 VStG die Bestimmungen des § 66 Abs. 2 AVG im Verwaltungsstrafverfahren nicht anzuwenden seien, wäre die von der belangten Behörde gewählte Vorgangsweise "möglich", weil der erstinstanzliche Bescheid lediglich behoben, die Angelegenheit aber nicht zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verwiesen werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich (erkennbar) im Recht auf Erledigung der Verwaltungsstrafsache mittels Sachentscheidung durch die aufgrund der erhobenen Berufung zuständige Behörde verletzt. Sie bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bzw. einer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe entgegen den Ausführungen "im Kopf des Berufungserkenntnisses" keine Entscheidung in der Sache gemäß § 66 Abs. 4 AVG, sondern unzulässigerweise eine kassatorische Entscheidung im Sinne des (im Verwaltungsstrafverfahren nicht anwendbaren) § 66 Abs. 2 AVG getroffen. Daran vermöge auch der Umstand, daß der angefochtene Bescheid eine ausdrückliche "Zurückverweisung" an die Behörde erster Instanz nicht ausspreche, nichs zu ändern. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergebe sich nämlich, daß die Behörde erster Instanz "trotz fehlender Zurückverweisung zu entscheiden" habe, "ob das Verwaltungsstrafverfahren fortgeführt oder eingestellt" werde.
Ausgehend von der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach nur der, dessen Rechtsstellung eine verschiedene ist, je nach dem, ob der Bescheid einer Verwaltungsbehörde aufrecht bleibt oder aufgehoben wird, eine Verletzung seiner Rechte durch diesen Bescheid behaupten und deshalb vor dem Verwaltungsgerichtshof Beschwerde erheben kann (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 (1987), 412 f referierte hg. Judikatur), ist die vorliegende Beschwerde zulässig. Der der Rechtskraft fähige Abspruch eines Bescheides besteht nämlich nicht nur aus dem Spruch des Bescheides alleine, sondern aus dem Spruch in Verbindung mit der Begründung, soweit sich aus dieser der für die Behörde maßgebende Sachverhalt - d.h. der als Anknüpfungspunkt für die rechtliche Beurteilung dienende Sachverhalt - ergibt (vgl. z.B. das Erkenntis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. September 1983, Zlen. 83/04/0125, 0252). Im vorliegenden Beschwerdefall ist daher davon auszugehen, daß durch die (tragenden) Gründe des angefochtenen Bescheides in Verbindung mit seinem Spruch eine, über den Umfang der Kassation des erstinstanzlichen Bescheides hinausgehende Sachentscheidung verneint wurde. Da ein Berufungswerber einen aus § 66 Abs. 4 AVG erfließenden Anspruch darauf hat, daß die Berufungsbehörde in der Sache entscheidet (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1986, Zl. 85/11/0278), wurde mit dem angefochtenen Bescheid über diesen Anspruch der Beschwerdeführerin abgesprochen und es ist daher ihre Rechtsstellung eine verschiedene, je nachdem ob der angefochtene Bescheid aufrecht bleibt oder aufgehoben wird.
Die Beschwerde ist auch berechtigt:
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde, soferne die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Die Ausnahme des § 66 Abs. 2 AVG ist im Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 24 VStG nicht anzuwenden. "Sache" der Berufungsbehörde ist die Verwaltungssache, die den Gegenstand des Verfahrens der Vorinstanz gebildet hat, soweit der darüber ergangene Bescheid angefochten wurde (vgl. dazu die bei Hauer-Laukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens4 (1990), 540 folgende, referierte hg. Judikatur). Aufgabe der Berufungsbehörde im Verwaltungsstrafverfahren ist es daher nach § 66 Abs. 4 AVG - soweit nicht der Fall vorliegt, daß ausschließlich die Kassation des angefochtenen Bescheides den rechtmäßigen Zustand herstellen kann -, über die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat zu entscheiden und nicht (bloß) über die Rechtmäßigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung.
Im Gegensatz dazu hat die belangte Behörde, indem sie den erstinstanzlichen Strafbescheid mit der Begründung behoben hat, der ermittelte Sachverhalt lasse eine Beurteilung, ob die Beschwerdeführerin die ihr angelastete Tat begangen habe, nicht zu und es obliege daher der erstinstanzlichen Strafbehörde, zu entscheiden, ob das Strafverfahren fortgesetzt oder eingestellt werde, zwar eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des erstinstanzlichen Strafbescheides getroffen, eine Entscheidung über die Tat hingegen dezidiert abgelehnt. Insoweit sie sich aber in Verkennung der Rechtslage geweigert hat, eine Entscheidung über die der Beschwerdeführerin vorgeworfene Tat zu treffen, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993040021.X00Im RIS seit
20.11.2000