Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ASVG §33 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Müller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der Volksbank-K reg.Gen.m.b.H., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 13. Oktober 1993, Zl. VII/2-5572/5-1993, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei:
Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, St. Pölten, Dr. Karl Renner-Promenade 14-16), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 30. März 1993 stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, daß die Provisionen, die drei Dienstnehmern der Beschwerdeführerin in den Jahren 1989 bis 1991 im Zusammenhang mit dem Abschluß von Bauspar- und Versicherungsverträgen zugeflossen seien, beitragspflichtiges Entgelt darstellten und die Beschwerdeführerin daher verpflichtet sei, die daraus resultierenden Beiträge und Umlagen in Höhe von insgesamt S 59.282,55 zu entrichten, wobei auch für 1989 Verjährung noch nicht eingetreten sei. Begründend wurde ausgeführt, der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 17. September 1991, Zl. 90/08/0004, die Rechtsmeinung einer Gebietskrankenkasse, wonach die von den Dienstnehmern einer Bank aufgrund der von ihnen vermittelten Bauspar- und Versicherungsverträge vereinnahmten Provisionen beitragspflichtiges Entgelt darstellten, bestätigt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sei es auch im gegenständlichen Fall als nicht zweifelhaft anzusehen, daß die Tätigkeit der bei ihr beschäftigten Angestellten im Zusammenhang mit der Vermittlung von Bauspar- und Versicherungsverträgen auch ihre betrieblichen Interessen fördere (Kundenpflege). Bezeichnend hierfür sei u.a., daß die betreffenden Leistungen beworben und den Dienstnehmern für ihre Aktivitäten Betriebseinrichtungen sowie die Arbeitszeit zur Verfügung gestellt werde. Da nicht angenommen werden könne, daß ein Unternehmer solche Möglichkeiten einem Dritten für dessen ausschließliches Interesse einräume, sei zwangsläufig auf das betriebliche Interesse zu schließen. Da die Beschwerdeführerin trotz des schon im September 1991 ergangenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes, das im Bankenbereich durch interne Kommunikation umgehend bekannt geworden sei, erst nach zweimaliger Aufforderung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse die erforderlichen Veranlassungen bezüglich der Abrechnung der auf die Vermittlungsprovisionen für 1989 entfallenden Beiträge getroffen habe, komme im gegenständlichen Fall der fünfjährige Verjährungszeitraum zum Tragen und sei deshalb auch das Feststellungsrecht hinsichtlich der Beiträge für 1989 nicht verjährt.
In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch wandte die Beschwerdeführerin ein, sie habe - anders als in dem dem zitierten Verwaltungsgerichtshoferkenntnis zugrundeliegenden Fall - für den Abschluß von Bausparverträgen durch ihre Mitarbeiter bzw. Dienstnehmer keinerlei Provisionen vereinnahmt. Es bestehe daher absolut keine Einflußnahme auf die Vermittlungstätigkeit durch sie. Auch lägen keine wie immer geführten Aufzeichnungen über eine Vermittlungstätigkeit vor. Die Vermittlungsgeschäfte liefen nicht über die Beschwerdeführerin, sondern würden direkt zwischen der M-Sparkasse und dem jeweiligen Vermittler abgewickelt. Selbstverständlich spreche sich die Beschwerdeführerin nicht gegen eine solche Vermittlungstätigkeit aus, ein Eigeninteresse und ein betriebsbezogenes Leistungsinteresse liege jedoch sicherlich nicht vor. Hiezu sei festzuhalten, daß gerade in unserer Zeit angesichts des erhöhten Kostenbewußtseins der Banken ein Eigeninteresse des Kreditinstitutes am deutlichsten durch Provisionszahlungen direkt an den Dienstgeber absehbar wäre. Eine anders geartete Förderung des betriebsbezogenen Leistungsinteresses sei der Beschwerdeführerin nicht bewußt und bekannt. Weiters träfen im Beschwerdefall auch die in dem genannten Erkenntnis weiter angeführten Entscheidungsgrundlagen nicht zu. Es würden weder Kosten für Schulungen noch Reise- oder Werbekosten für die Mitarbeiter von der Beschwerdeführerin getragen. Mangels eines hinreichenden Kausalzusammenhanges zwischen den Leistungen ihrer Dienstnehmer und deren Bezüge von der M-Sparkasse sei eine Zurechnung der letzteren zum Entgelt nach § 49 Abs. 1 ASVG unbegründet. In eventu sei aber die Vorschreibung von Beiträgen und Umlagen für das Jahr 1989 infolge eingetretener Verjährung unbegründet. Aus der Datierung des genannten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes könne nicht geschlossen werden, daß es schlagartig von einem Tag auf den anderen bekannt geworden sei. Das Bewußtsein der Tragweite dieses Erkenntnisses sowie der daraus resultierenden Meldeerfordernisse habe aus Sicht der beteiligten Banken erst ab der entsprechenden Publikation im Wege des Rundschreibens der M-Sparkasse vom Dezember 1991 und in der weiteren Folge durch die umfassende Information im Wege der Rundschreiben des Östereichischen Genossenschaftsverbandes einsetzen können. Dazu komme, daß die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse von sich aus frühestens ab Beginn 1992 Aktivitäten in Richtung einer Aufforderung der Beitragspflichtigen, der neuen Rechtslage zu entsprechen, gesetzt hätte. Seit Beginn dieses Jahres seien jedenfalls die für die organisatorische Abwicklung und Erfüllung der nunmehrigen Erfordernisse nötigen Maßnahmen erarbeitet worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. Begründet wurde diese Entscheidung damit, daß die Vermittlung von Bauspar- und Versicherungsverträgen ohne Zweifel - wie bei vergleichbaren Instituten - auch die betrieblichen Interessen der Beschwerdeführerin gefördert habe. Wenn im Gegenstand möglicherweise auch geringfügige Abweichungen im Vergleich zu anderen Volksbanken gegeben seien, so dürfe nicht außer acht gelassen werden, daß den Beschäftigten sowohl betriebliche Einrichtungen als auch die Arbeitszeit für die Vertragsabschlüsse unbestrittenermaßen zur Verfügung gestellt worden seien. Daraus folge, daß die den drei betroffenen Dienstnehmern der Beschwerdeführerin zugeflossenen Provisionen als Entgelt im sozialversicherungsrechtlichen Sinn zu qualifizieren seien. Was die Einspruchsausführungen hinsichtlich der Beiträge für 1989 anlange, so sei gewiß nicht zu bestreiten, daß Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes nicht immer umgehend der breiten Öffentlichkeit bekannt würden. Jedoch sei durch die interne Kommunikation im Bankenbereich zweifellos bekannt gewesen, daß die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse bereits im Jahre 1989 Vermittlungsprovisionen als beitragspflichtiges Entgelt erachtet habe. Darüber hinaus sei im Dezember 1991 ein entsprechendes Rundschreiben der M-Sparkasse an alle Volksbanken ergangen, in dem ausdrücklich auf das mehrmals zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen worden sei. Hinzuweisen sei auch auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach sich ein Meldepflichtiger alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung notwendigen Kenntnisse verschaffen und deren Mangel im Falle einer darauf zurückzuführenden Meldepflichtverletzung als Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt vertreten müsse. Damit hätte die Beschwerdeführerin spätestens im Dezember 1991 die erforderlichen Veranlassungen hinsichtlich der Abrechnung der Beiträge treffen bzw. zumindest mit der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Verbindung aufnehmen müssen. Sie habe dies aber nicht getan. Dies zeige, daß die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Abrechnung der auf die Vermittlungsprovisionen entfallenden Beiträge keineswegs die entsprechende Sorgfalt habe walten lassen. Damit sei die Anwendung der fünfjährigen Verwendungsfrist des § 68 Abs. 1 ASVG gerechtfertigt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit allen im Beschwerdefall relevanten Fragen bereits ausführlich in seinen Erkenntnissen vom 22. März 1994, Zl. 93/08/0149, Zl. 93/08/0176 und Zl. 93/08/0177, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, befaßt.
Unter Bedachtnahme auf die diesbezüglichen Ausführungen im erstzitierten Erkenntnis ist es nicht rechtsirrig, wenn die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse und ihr folgend die belangte Behörde die Beitragspflicht der strittigen Provisionen schon deshalb bejaht hat, weil die Beschwerdeführerin der bezüglichen Tätigkeit ihrer Dienstnehmer im Rahmen ihres Betriebes zugestimmt und hiefür ihre Einrichtungen sowie die Dienstzeit ihrer Angestellten zur Verfügung gestellt hat. Auch im vorliegenden Fall hat sich die Beschwerdeführerin, wie sie im Einspruch ausführte, "selbstverständlich" nicht gegen diese Aktivitäten ausgesprochen, sie vielmehr - nach dem Beschwerdevorbringen - als "Serviceeinrichtung" für ihre Kunden betrachtet.
Hingegen ist die Frage der Verjährung des Feststellungsrechtes hinsichtlich der vor dem 31. Dezember 1989 fällig gewordenen Beiträge für solche Provisionen noch keiner abschließenden Beurteilung zugänglich. Die Beantwortung dieser Frage hängt nach den Ausführungen der Erkenntnisse vom 22. März 1994, Zl.93/08/0176 und Zl. 93/08/0177, davon ab, ob der Beschwerdeführerin schon vor den Zeitpunkten, zu denen hinsichtlich dieser Provisionen Meldungen im Sinne des § 34 Abs. 1 oder Abs. 2 ASVG zu erstatten waren oder erstattet wurden, von der mitbeteiligten Partei die nunmehrige Rechtsauffassung über die Beitragspflicht auch dieser Provisionen mitgeteilt wurde. Ohne eine solche Mitteilung bestand grundsätzlich keine Erkundigungspflicht im Sinne der in den genannten Erkenntnissen dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Sie wurde - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - auch nicht durch das bloße Bekanntwerden des Umstandes, daß die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse bereits im Jahre 1989 Vermittlungsprovisionen als beitragspflichtiges Entgelt erachtet habe, ausgelöst. Hiefür ist vielmehr entscheidend, welchen Inhalt die diesbezügliche "interne Kommunikation im Bankenbereich" hatte. Unabhängig davon hätte aber - wiederum nach den Grundsätzen in den zuletzt zitierten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes - selbst eine dadurch ausgelöste Erkundigungspflicht nicht notwendig eine Verlängerung der Verjährungsfrist hinsichtlich aller im Jahre 1989 fällig gewordenen Beiträge zur Folge gehabt.
Da eine ziffernmäßige Trennung der nach den obigen Ausführungen möglicherweise verjährten von den unverjährten Beiträgen nicht möglich ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil einerseits nach den §§ 48 Abs. 1 Z. 2 und 49 Abs. 2 VwGG als Ersatz für den Schriftsatzaufwand nur der in der genannten Verordnung festgesetzte Pauschbetrag und nicht darüber hinaus ein von ihm errechneter Betrag an Umsatzsteuer zusteht, und andererseits wegen der bestehenden sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 Abs. 1 Z. 2 ASVG) Stempelgebühren nicht zu entrichten waren.
Schlagworte
Entgelt Begriff ProvisionEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993080274.X00Im RIS seit
11.07.2001