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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 13. Jänner 1993, Zl. 38 1201/6-IV/1/92, betreffend Aufwandersatz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird soweit er das Mehrbegehren des Beschwerdeführers in der Höhe von S 4.300,-- abgewiesen hat, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht seit 1. Oktober 1964 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seit 1. Juli 1982 übt er die Funktion eines Gruppenleiters der Prüfungsabteilung Strafsachen eines Wiener Finanzamtes aus.
Im Zuge seiner dienstlichen Tätigkeit mußte er am 19. April 1991 im Finanzamt Oberwart einen Beschuldigten vernehmen, wozu die Mitnahme umfangreicher Unterlagen erforderlich war. Der Beschwerdeführer trat die Dienstreise unter Verwendung seines eigenen Kraftfahrzeuges an; seitens des Dienstgebers wurde ihm kein Kraftfahrzeug beigestellt. Auf der Fahrt zum Finanzamt Oberwart erlitt er auf der Südautobahn einen Unfall, wobei sein (von ihm selbst gelenktes) Kraftfahrzeug beschädigt wurde.
Der Beschwerdeführer begehrt den Ersatz dieses Schadens als Aufwandersatz (§ 20 GG 1956); im Beschwerdeverfahren ist nur mehr die Frage der Kürzung seines - ansonsten dem Grunde und der Höhe nach unstrittigen - Ersatzanspruches wegen eines allfälligen Eigenverschuldens strittig.
Nach erfolgter telefonischer Vorausmeldung übermittelte der Beschwerdeführer der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit Eingabe vom 25. April 1991 eine Darstellung des den Unfallhergang betreffenden Sachverhaltes und ersuchte um Entscheidung über die Zuerkennung des angesprochenen Aufwandersatzes. Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, brachte er darin vor:
"Am 19. April 1991 begab ich mich gem. erhaltener Weisung mit meinem privaten Kfz (Verwendung auf Kilometergeldbasis) zeitgerecht auf Dienstreise mit Zielort Finanzamt Oberwart (i.ev. weiters Kirchfidisch).
Auf der Südautobahn (A2) geriet ich in Fahrtrichtung Graz etwa bei Kilometer 86 im Bereich einer unübersichtlichen Rechtskurve bei einer Fahrgeschwindigkeit von ca. (höchstens) 70 km/h in leichtes Driften des ganzen Fahrzeuges, das sich aus der rechten Spur leicht in Richtung (zunächst freier) Überholspur bewegte. Da ich dergestalt das Fahrzeug am Kurvenausgang wieder in Kontrolle zu bringen hoffte, ließ ich das Fahrzeug entsprechend gleiten. An korrigierende Lenk- oder andere Manöver (ich hatte bereits ausgekuppelt) war nicht zu denken.
Knapp vor dem Kurvenende bemerkte ich ein in der Überholspur bereits verunglücktes, etwa 80 Meter weiter querstehendes Fahrzeug (PKW), welches die Überholspur sowie einen (geringen) Teil der ersten Spur verstellte. Da an ein wirksames Brems- oder Lenkmanöver nicht zu denken war, versuchte ich die Geschwindigkeit meines Fahrzeuges dadurch zu verringern, daß ich sanft gegen die (linke) Leitschiene zu lenken (zumal das Fahrzeug ohnedies noch leicht in diese Richtung tendierte). Mein erster Gedanke war, daß ich durch die erhöhte Reibung der Leitschiene mein Fahrzeug noch rechtzeitig zum Stillstand bringen könnte. Durch die zu geringe Bodenhaftung schlitterte mein Kfz - nach dem Touchieren der linken Leitschiene - am querstehenden PKW, in Fahrtrichtung gesehen rechts, vorbei. Infolge der Straßenglätte und der offensichtlich leicht nach rechts geneigten Fahrbahn war ich jedoch nicht in der Lage zu verhindern, daß mein Kfz anschließend wieder mit der (jetzt allerdings rechten) Längsseite die rechte Leitschiene "erwischte". Diese jedoch heftiger als vorerst die linke; anschließend wurde das Fahrzeug wieder auf die Fahrbahn zurückgeschleudert, wo ich es nach einer gewissen Strecke (vielleicht 100 m) kontrolliert zum Stillstand bringen konnte. Dadurch daß das Kfz von der Abstellspur wieder auf die Fahrbahn zurückgeschleudert worden war, entging ich einem Auffahrunfall auf ein in der Abstellspur abgestelltes Fahrzeug (mit bereits erheblich beschädigtem Heck).
Da ich an dem - offensichtlich - vorangegangenen Unfall keinen Anteil hatte, also nicht als Schädiger der beiden anderen Kfz"s in Betracht kam, weiters infolge des jeweils schrägen Aufprallwinkels eine Beschädigung der Verkehrseinrichtungen (Leitschienen) nicht verwirklicht worden sein dürfte, habe ich den Vorfall in Form einer tel. Sachverhaltsdarstellung dem Autobahngendarmerieposten Hartberg, Stmk., gemeldet. ...
M.E. trifft mich kein (nennenswertes) Verschulden an dem Unfall, weil die Fahrbahnglätte erst unmittelbar nach bzw. im Zuge der unübersichtlichen Kurve auftrat und in den diesbezüglichen Verkehrsdurchsagen (Ö3-Verkehrsfunk) über keinerlei Behinderungen im Zuge der A2 berichtet wurde. Als die Fahrbahn jedoch einige Kilometer vor der Unfallstelle (salz-?)naß wurde, habe ich vorsorglich die Geschwindigkeit des Kfz"s auf ca. 70 km/h verringert und wurde in der Folge von (wenigen) anderen Fahrzeugen (möglicherweise auch den "Unfallautos") überholt. ..."
In der Folge reichte der Beschwerdeführer seiner Dienstbehörde die vom zuständigen Landesgendarmeriekommando für Steiermark, Verkehrsabteilung - Außenstelle Hartberg aufgenommene Protokollierung über die von ihm am 22. April 1991 erfolgte Verständigung (des Autobahngendarmeriepostens Hartberg) nach. In diesem Formular ist unter der Rubrik
Lichtverhältnisse: "Tageslicht, bewölkt", und unter der Rubrik
Straßenzustand: "Winterglätte gestreut" vermerkt. Bezüglich der näheren Unfallsumstände wird folgendes angeführt:
"Nach Angaben des K mußte dieser sein Fahrzeug aufgrund eines vor ihm geschehenen Unfalles abbremsen. Die Fahrbahn sei jedoch glatt gewesen und habe er erkannt, daß er sein Fzg nicht mehr anhalten hätte können. Daher habe er leicht nach links gezogen, sei in weiterer Folge gegen die Mittelleitschiene geraten, habe diese gestreift und sei anschließend sein Fahrzeug nach rechts geschleudert worden. Das auf der Fahrbahn quer stehende Unfallfahrzeug habe er dabei nicht berührt, jedoch habe er die Außenleitschiene ebenfalls mit seinem Fzg leicht berührt. Er habe schließlich sein Fzg ca. 300 Meter weiter zum Stillstand bringen können.
Fremdschaden sei keiner entstanden."
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die (infolge Überganges der Zuständigkeit gemäß § 73 AVG zur Entscheidung berufene) belangte Behörde dem Beschwerdeführer einen Betrag von S 25.629,20 als Ersatz des ihm durch jene auswärtige Dienstverrichtung entstandenen Mehraufwandes (Schaden) zuerkannt und das Mehrbegehren von S 4.300,-- abgewiesen. Begründend wurde nach Wiedergabe des in diesem Erkenntnis bereits wiedergegebenen unstrittigen Sachverhaltes sowie des Inhaltes des Antrages und der Protokollierung durch die Gendarmerie wie auch des Ganges des Verwaltungsverfahrens ausgeführt, der Beamte habe gemäß § 20 Abs. 1 GG 1956 Anspruch auf Ersatz des Mehraufwandes, der ihm in Ausübung des Dienstes oder aus Anlaß der Ausübung des Dienstes notwendigerweise entstanden sei. Der Ersatz eines derartigen Mehraufwandes werde, soweit es sich nicht um den Ersatz eines Schadens handle, durch ein besonderes Bundesgesetz geregelt (§ 20 Abs. 2 GG 1956). Die unabdingbare Erforderlichkeit der Benützung des eigenen Kraftfahrzeuges für die Bewältigung der dem Beschwerdeführer aufgetragenen Tätigkeit sei hier gegeben.
Was die Frage eines Verschuldens an dem gegenständlichen Unfall anbelange, sei "aufgrund des aktenkundigen Sachverhaltes davon auszugehen, daß die Fahrgeschwindigkeit nicht ausreichend an die herrschenden winterlichen Verhältnisse angepaßt" gewesen sei. Allfällige Rundfunkmeldungen über den Straßenzustand könnten grundsätzlich das Vorliegen eines Verschuldens nicht ausschließen, weil es auf die ständige konkrete Beobachtung der Fahrbahn durch den Lenker selbst ankomme. In diesem Sinne sei im vorliegenden Fall ein leicht fahrlässiges Verhalten anzunehmen, sodaß jedenfalls ein Eigenverschuldensanteil in Abzug gebracht werden müsse. "In Entsprechung zu der in Organhaftpflichtangelegenheiten gepflogenen Praxis" sei aufgrund des dem Beschwerdeführer anzulastenden, oben dargelegten Verschuldensgrades eine Verminderung seines Ersatzanspruches gegen den Dienstgeber um S 4.300,-- (was in etwa einem 1/7 des Schadensbetrages entspreche) geboten. Auf § 3 des Organhaftpflichtgesetzes, der im Fall der Beistellung des Kraftfahrzeuges durch den Dienstgeber zur Anwendung gekommen wäre, sei hiebei sinngemäß Bedacht zu nehmen gewesen.
Gegen den abweislichen Teil dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde aus den Gründen der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und der inhaltlichen Rechtswidrigkeit.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Teil des Bescheides in seinem Recht auf vollen Aufwandersatz im Sinne des § 20 GG 1956 durch unrichtige Anwendung dieser Norm, sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, daß Parteiengehör und die Bescheidbegründung (§ 1, 8 DVG, 37, 39, 60 AVG) verletzt.
Im Beschwerdefall ist § 20 GG 1956 in der seit 1. Juli 1990 geltenden Fassung (Novellierung des Abs. 2 durch Art. II Z. 3 des BG BGBl. Nr. 447/1990) anzuwenden.
Die belangte Behörde hat die Grundsätze, nach denen der angesprochene Aufwandersatz zu beurteilen ist, zwar zutreffend erkannt (was der Beschwerdeführer auch nicht in Zweifel zieht), ihre Sachverhaltsfeststellungen sind aber unzureichend, sodaß der Verwaltungsgerichtshof auf dieser Grundlage die erforderliche inhaltliche Überprüfung des angefochtenen Bescheidteiles nicht vorzunehmen vermag: Der Verweis auf einen "aktenkundigen Sachverhalt", ohne ihn genau zu bezeichnen, gestattet nicht die Überprüfung der Wertung der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer seine Fahrgeschwindigkeit nicht ausreichend an die herrschenden winterlichen Verhältnisse angepaßt hätte. Die belangte Behörde gibt in der Begründung des angefochtenen Bescheides auch nicht zu erkennen, ob sie nun dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Antrag vom 25. April 1991 ganz oder teilweise gefolgt ist, wie auch, ob sie etwa einen rechtserheblichen Unterschied zwischen diesem Vorbringen vom 25. April 1991 und dem Inhalt der (verkürzten) Protokollierung durch die Gendarmerie vom 22. April 1991 sieht (mitunter können geringfügige Unterschiede im Sachverhalt bei der Beurteilung, ob der Lenker eines Kraftfahrzeuges die gebotene Sorgfalt unterlassen hat, bedeutsam sein). Auch reicht es nicht aus, das Ausmaß des Abzuges bloß durch einen Hinweis auf das Organhaftpflichtgesetz zu begründen.
Der angefochtene Bescheid war daher, insoweit dem Begehren des Beschwerdeführers nicht entsprochen wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993120069.X00Im RIS seit
20.11.2000