TE Vwgh Erkenntnis 1994/4/13 94/12/0038

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.04.1994
beobachten
merken

Index

63/02 Gehaltsgesetz;

Norm

GehG 1956 §12 Abs3 idF 1993/256;
GehG 1956 §12 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde der Dr. U in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 15. November 1993, Zl. 115.194/30-III/16/93, betreffend Vorrückungsstichtag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund des Beschwerdevorbringens und des vorgelegten angefochtenen Bescheides geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

Die Beschwerdeführerin steht als Professorin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Ihre Dienststelle ist eine Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule in Wien.

Ihr öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis wurde mit 1. Oktober 1986 begründet. Zuvor war sie nach Abschluß des Studiums der Rechtswissenschaften und des Studiums der Wirtschaftspädagogik vorübergehend im Finanzdienst beschäftigt und legte auch die Prüfung für den höheren Finanzdienst ab. Anschließend war sie bis 31. März 1978 Universitätsassistentin am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien, Lehrkanzel für Finanzrecht. Ab 3. September 1979 stand sie bereits als Vertragslehrerin im Schuldienst (woran sich in der Folge dieses am 1. Oktober 1986 begründete öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis anschloß). Im Beschwerdefall strittig ist der Zeitraum vom 1. April 1978 bis zum 2. September 1979, dessen Endzeitpunkt teilweise aber auch mit 18. September 1978 angegeben wird (was einen Schreibfehler indiziert; dem Unterschied kommt aber im Beschwerdefall keine entscheidende Bedeutung zu).

Mit Bescheid des Stadtschulrates für Wien vom 11. September 1990 wurde der Vorrückungsstichtag der Beschwerdeführerin mit dem 2. November 1967 festgesetzt, wobei die strittigen Zeiten vom 1. April 1978 bis zum

2. (18.) September 1979 nur zur Hälfte angerechnet wurden.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung und beantragte die Vollanrechnung (auch) dieser Zeiten. Im Berufungsverfahren brachte sie dazu vor, daß sie im strittigen Zeitraum einen Lehrauftrag über österreichisches Steuerrecht an der Universität Wien innegehabt habe. Diesbezüglich sei die Durchführung von Pflichtübungen wesentlich für die Entwicklung ihrer pädagogischen und didaktischen Fähigkeiten gewesen. Dabei sei sie auch freiberuflich tätig gewesen. Zum einen hätte dies den publizistischen Bereich betroffen: Sie hätte durch Erstellung von Leitsätzen der Judikatur und des Schrifttums am "Hohenecker" - Index mitgearbeitet und für die österreichische Steuer-Zeitung eine Übersicht über die facheinschlägige Literatur betreut, sowie darüber hinaus selbst Artikel geschrieben, die veröffentlicht worden seien. Zum anderen aber - worin das Schwergewicht ihrer damaligen Tätigkeit gelegen sei - sei sie mit der Erstellung von Gutachten sowohl für eine Wirtschaftstreuhänderkanzlei, wie auch für eine Rechtsanwaltskanzlei befaßt gewesen. Durch diese vielfältige Betätigung hätte sie überdurchschnittliche Kenntnisse in Staats- und Verwaltungsrecht, Handelsrecht, sowie Steuer- und Abgabenrecht gewonnen. Neben der laufenden Vertiefung ihrer Kenntnisse hätte sie (auch) die Fähigkeit erworben, rechtliche Probleme umfassend zu behandeln. Darüber hinaus hätte sie auch Seminare besucht und eine juristische Zeitschriftenrundschau betreut, sodaß sie in besonderer Weise stets auf dem neuesten Stand der Entwicklung in den betreffenden Gebieten gewesen sei.

Demnach sei es überhaupt keine Frage, daß sie ohne diese spezifischen Vordienstzeiten vom 1. April 1978 bis zum "18." September 1979 im Lehrberuf nur eine wesentlich geringerwertige Leistung hätte erbringen können, was im vollen Ausmaß auch für ihre Verwendung im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis ab dessen Beginn gelte.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, daß gemäß § 12 Abs. 3 Gehaltsgesetz (GG) 1956 Zeiten, in denen der Beamte eine Tätigkeit ausgeübt habe, mit Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen im öffentlichen Interesse insoweit zur Gänze berücksichtigt werden könnten, als die Tätigkeit für die erfolgreiche Verwendung des Beamten von besonderer Bedeutung sei. Eine Vortätigkeit sei dann von besonderer Bedeutung, wenn der durch sie verursachte Erfolg der Verwendung ohne sie nur in einem beträchtlich geringerem Ausmaß gegeben wäre. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei bei Beurteilung der im § 12 Abs. 3 GG 1956 genannten Tatbestandsmerkmale des "öffentlichen Interesses" und der "besonderen Bedeutung" stets von jener Situation auszugehen, die zum Zeitpunkt der Aufnahme in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis zum Bund gegeben gewesen sei. Die Prüfung, ob diese Tatbestandsmerkmale vorlägen, sei also in jedem Dienstverhältnis (privatrechtlichem oder öffentlich-rechtlichem) neu vorzunehmen. Im gegenständlichen Berufungsverfahren komme es nur auf die Bedeutung der Vortätigkeit für den Verwendungserfolg zum Zeitpunkt der Anstellung der Beschwerdeführerin als Bundeslehrerin mit 1. Oktober 1986 an.

Die Beschwerdeführerin habe bei Beginn des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zum Bund die Gegenstände Staatsbürgerkunde und Rechtslehre sowie Volkswirtschaftslehre an jener Bundeshandelsakademie/ Bundeshandelsschule in Wien unterrichtet. Aufgrund der ausgeübten Vorpraxis habe die Beschwerdeführerin sowohl ihre Rechtskenntnisse erweitern als auch Einblick in die Arbeitsweise von Rechtsanwalts- und Steuerberatungskanzleien gewinnen können, was zweifellos einen praxisnahen Unterricht gewährleiste. Daraus könne abgeleitet werden, daß ihre Vortätigkeit für ihre nunmehrige Unterrichtsgestaltung wertvoll und nützlich sei. Auch das zuständige Schulaufsichtsorgan bestätige, daß sie den Lehrstoff laut Lehrplan-Verordnung dem Stande der Wissenschaft entsprechend anschaulich und gegenwartsbezogen gestalte. Allein diese Umstände, als auch der wiederholt vorgebrachte Hinweis auf Praxisnähe bzw. Praxisbezogenheit, die nach den lehrplanmäßigen Bestimmungen ohnedies gefordert und als normalmäßig angesehen würden, ließen das Tatbestandsmerkmal der "besonderen Bedeutung" - wie es § 12 Abs. 3 GG 1956 fordere - noch nicht als gegeben erscheinen. Die Erteilung eines praxisnahen Unterrichtes stelle vielmehr eine vom Lehrplan geforderte allgemein gültige und jeden Lehrer obliegende Aufgabe dar.

Es sei selbstverständlich, daß jeder im Beruf stehende Lehrer, egal in welcher Sparte er tätig sei, aufgrund der ständigen Weiterentwicklung auf allen Gebieten gezwungen sei, sein Fachwissen zu erweitern, wenn er den Anforderungen seines Berufes entsprechen wolle. Es solle keineswegs bestritten werden, daß die freiberufliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin dieser Weiterbildung dienlich gewesen sei; ihre Auffassung, daß eine solche in der heutigen Zeit notwendige Vervollkommnung der erlernten Fähigkeiten einer Extrahonorierung im öffentlichen Interesse bedürfe, werde jedoch nicht geteilt.

Zum Zeitpunkt der Ernennung zur Beamtin in die Verwendungsgruppe L1 mit 1. Oktober 1986 sei die Beschwerdeführerin bereits mehr als 7 Jahre als Vertragslehrerin in gleicher Verwendung tätig gewesen. Es sei wohl anzunehmen, daß sie sich in diesem langen Zeitraum die für ihre Dienstobliegenheiten notwendige Fertigkeiten aneignen habe können. In diesem Zusammenhang müsse festgehalten werden, daß sich ein Bediensteter während seiner früher erbrachten Praxiszeiten einschlägiges Wissen angeeignet habe. Es dürfe dabei aber nicht übersehen werden, daß auch bei Bestehenbleiben dieser Tatsache jedenfalls dann, wenn zwischen ihr und dem Zeitpunkt der vorzunehmenden Prüfung eine verhälnitsmäßig lange Zeit verstrichen sei, seither eingetretene Umstände, die unbezweifelbar gleichfalls Ursachen für den Verwendungserfolg seien, die Bedeutung der weiter zurückliegenden Ursache verringern und deren allfällige BESONDERE Bedeutung aufheben würden. Die zeitlich doch zurückliegende Praxiszeit der Beschwerdeführerin sei somit gegenüber der jahrelangen, dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis unmittelbar vorangegangenen Tätigkeit als Vertragslehrerin in den Hintergrund getreten. Bei einer derartigen Sachlage könne daher nicht behauptet werden, daß der Erfolg ihrer Verwendung als Bundeslehrer ohne die Praxiszeit nur in einem beträchlich geringerem Ausmaß gegeben gewesen wäre, denn jeder Lehrer müsse nach Ablegung der Lehramtsprüfung bzw. des Hochschulstudiums und absolviertem Probejahr voll im Unterricht einsetzbar sein.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Festsetzung des Vorrückungsstichtages unter gesetzmäßiger Entscheidung über Vordienstzeitenanrechnung nach § 12 Abs. 3 GG 1956 durch unrichtige Anwendung dieser Norm, sowie der Verfahrensvorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung (§§ 1, 8 DVG, 37, 39, 60a AVG) verletzt.

Nach dem im Beschwerdeverfahren maßgeblichen ersten Satz des § 12 Abs. 3 des Gehaltsgesetztes 1956 (Abs. 3 in der hier anzuwendenden Fassung gemäß Art. 8 des Kompetenzbereinigungsgesetzes, BGBl. Nr. 256/1993) können bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtages Zeiten gemäß Abs. 1 lit. b leg. cit., in denen der Beamte eine Tätigkeit ausgeübt oder ein Studium betrieben hat, mit Zustimmung des Bundekanzlers im öffentlichen Interesse insoweit zur Gänze berücksichtigt werden, als die Tätigkeit oder das Studium für die erfolgreiche Verwendung des Beamten von besonderer Bedeutung ist.

Zutreffend hat die belangte Behörde erkannt, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes völlig gleichgelagerte Vortätigkeiten als Vertragsbediensteter in der Dauer mehrerer Jahre, die dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis unmittelbar vorangegangen sind, die Bedeutung weiter zurückliegender (Praxis-)Zeiten hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Verwendungserfolg als öffentlich-rechtlich Bediensteter in den Hintergrund treten lassen (vgl. dazu z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. September 1976, Zl. 1312/76 = Slg. NF Nr. 9136/A; vom 13. Jänner 1977, Zl. 2419/76; vom 25. Jänner 1978, Zl. 587/76; vom 13. Februar 1980, Zl. 2047/78; vom 1. März 1982, Zl. 81/12/0033, vom 28. Mai 1984, Zl. 84/12/0001; vom 23. September 1991, Zl. 90/12/0097; vom 18. März 1992, Zl. 90/12/0120 oder auch vom 16. Dezember 1992, Zl. 91/12/0020).

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin gibt keinen Anlaß, von dieser Wertung abzugehen, zumal sie auch nicht vorbringt, daß die strittige Vortätigkeit Ernennungs- oder Definitivstellungserfordernis für ihr öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis war (zur Bedeutung dieses Umstandes unter dem Gesichtspunkt des § 12 Abs. 3 GG 1956 vgl. das Erkenntnis vom 23. September 1991, Zl. 90/12/0097 und die dort zitierte Vorjudikatur) oder nach sonstigen Vorschriften für die von ihr tatsächlich am Beginn ihres öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses ausgeübte Tätigkeit vorgeschrieben war (zu beiden Aspekten siehe auch das bereits zitierte Vorerkenntnis vom 18. März 1992, Zl. 90/12/0120). Damit ist aus der eingehenden Argumentation der Beschwerdeführerin, es sei an sich schon von besonderer Bedeutung, wenn wenigstens einzelne Lehrer eine Berufserfahrung hätten, die über den schulischen Bereich (im weiteren Sinn) herausgehe, wie auch, daß der Unterricht durch die Erfahrungen aus ihrer Vortätigkeit eine zusätzliche Dimension erhalte (was näher ausgeführt wird) hier zur Lösung der strittigen Rechtsfrage nichts zu gewinnen, sodaß die belangte Behörde auch zutreffend diesbezügliche nähere Feststellungen (die von der Beschwerdeführerin vermißt werden) unterlassen hat. Bei der gegebenen Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob eine Vollanrechnung des strittigen Zeitraumes nach § 26 Abs. 3 VwGG im Rahmen ihres dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis vorgelagerten privatrechtlichen Dienstverhältnisses hätte erfolgen müssen.

Da somit bereits die vorliegende Beschwerde erkennen läßt, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war sie ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994120038.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten