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19/05 Menschenrechte;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des B, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 9. März 1994, Zl. SD 284/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 9. März 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen ägyptischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 2 und 7 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr.838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer sei (seinen Angaben zufolge) im August 1982 in das Bundesgebiet eingereist. Der von ihm gestellte Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Oktober 1984 rechtskräftig abgewiesen worden. In der Folge habe der Beschwerdeführer mehrmals befristete Sichtvermerke erhalten; in der Zeit vom 13. Oktober 1989 bis 23. Mai 1991 und ab 1. September 1991 sei sein Aufenthalt in Österreich unrechtmäßig. Der Beschwerdeführer sei dreimal wegen unerlaubten Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtskräftig bestraft worden. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer gegen das Meldegesetz verstoßen, sei des öfteren unsteten Aufenthaltes gewesen und sei infolge seiner Drogenabhängigkeit immer wieder mit strafrechtlichen Normen in Konflikt geraten. Am 31. Mai 1988 sei er vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden; aufgrund seiner Mittellosigkeit sei die Ersatzfreiheitsstrafe von 90 Tagen vollstreckt worden. Am 14. Februar 1992 habe ihm die Erstbehörde den beantragten Sichtvermerk versagt. Am 26. Mai 1993 sei er wegen Suchtgiftbesitzes rechtskräftig verurteilt worden.
Aufgrund der Bestrafungen wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt. Hinsichtlich des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 7 leg. cit. sei festzuhalten, daß ein Fremder von sich aus initiativ darzulegen habe, daß er über die für seinen Unterhalt notwendigen Mittel verfüge. Diesbezüglich könne der Beschwerdeführer, der selbst über kein Einkommen verfüge, nichts Entscheidendes vorbringen. Die eidesstattliche Erklärung der österreichischen Staatsbürgerin Eva St., daß sie dem Beschwerdeführer im Fall seiner Entlassung aus der Schubhaft Quartier geben und ihn polizeilich anmelden werde, nütze wenig. Die Alimentation ohne regelmäßiges Einkommen aus legaler Tätigkeit sei auf Dauer keinesfalls gesichert. Dies könne auch die von Eva St. erklärte Bereitschaft zur Hilfeleistung nur interimsmäßig, nicht auf Dauer, lindern. Es lägen somit auch die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 7 FrG vor. Das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers, seine Drogenabhängigkeit und sein illegaler Aufenthalt rechtfertigten die Annahme, daß sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde bzw. anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe.
Das Aufenthaltsverbot stelle im Hinblick auf den langjährigen, allerdings nur teilweise legalen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich einen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben dar. Dessenungeachtet sei aber diese Maßnahme zur Verhinderung strafbarer Handlungen, zum Schutz der Rechte und Freiheiten Dritter, zum Schutz der Voksgesundheit, aber auch im Interesse einer geordneten Fremdenpolitik dringend geboten (§ 19 FrG). Sein bisheriges Verhalten in Österreich habe deutlich gezeigt, daß der Beschwerdeführer keine Bedenken habe, sich sowohl über strafrechtliche als auch maßgebliche fremdenpolizeiliche Vorschriften hinwegzusetzen. Angesichts dieses Sachverhaltes müsse den öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes ein weitaus größeres Gewicht beigemessen werden als den damit verbundenen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie, zumal er der Unterhaltspflicht für sein Kind auch aus dem Ausland nachkommen könne. Es sei das Aufenthaltsverbot demnach auch im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG zulässig.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesem Grund aufzuheben.
II
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerde vertritt die Ansicht, daß der Beschwerdeführer, der inzwischen von seiner Drogensucht habe befreit werden können, im Hinblick darauf keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und andere öffentliche Interessen darstelle. Außerdem seien Befürchtungen hinsichtlich einer finanziellen Belastung des österreichischen Staates nicht gerechtfertigt.
1.2. Mit diesem Vorbringen läßt die Beschwerde außer acht, daß der Beschwerdeführer - unbestritten - wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes dreimal rechtskräftig nach dem Fremdengesetz bestraft und darüber hinaus wegen fahrlässiger Tötung und wegen Suchtgiftbesitzes jeweils vom Gericht rechtskräftig verurteilt worden ist. Mit den genannten verwaltungsbehördlichen Bestrafungen ist nicht nur der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG verwirklicht, sondern aufgrund der damit gegebenen Beeinträchtigung der einen hohen Stellenwert einnehmenden öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen auch die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt. Die Rechtfertigung dieser Annahme wird durch die den genannten gerichtlichen Verurteilungen zugrundegelegenen strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers noch unterstrichen.
Was die Bestreitung der Erfüllung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 7 FrG anlangt, so stimmt der Gerichtshof mit der belangten Behörde insofern überein, als die (eidesstattliche) Erklärung einer österreichischen Staatsbürgerin, sie werde den Beschwerdeführer nach seiner Entlassung aus der Schubhaft bei sich aufnehmen (Unterkunft und Verpflegung gewähren) und polizeilich anmelden, keineswegs ausreicht darzutun, daß der Beschwerdeführer tatsächlich über die erforderlichen Mittel zur Bestreitung seines Unterhaltes verfüge. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, auf die im angefochtenen Bescheid zutreffend verwiesen wird, wäre es zur Erbringung des diesbezüglichen, vom Beschwerdeführer initiativ zu erbringenden Nachweises erforderlich gewesen, die Einkommens-, Vermögens- und Wohnverhältnisse, allfällige Unterhaltspflichten und sonstige finanzielle Verpflichtungen der Eva St., untermauert durch hinsichtlich ihrer Richtigkeit nachprüfbare Unterlagen, der Behörde bekanntzugeben. Nur solcherart wäre diese zu einer verläßlichen Beurteilung dahin, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers nicht zu einer finanziellen Belastung der Republik Österreich führt, in der Lage gewesen (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 20. Februar 1992, Zl. 92/18/0032, und vom 25. Mai 1992, Zl. 92/18/0170, zur insoweit inhaltsgleichen Bestimmung des § 3 Abs. 2 Z. 7 FrPolG). Da der Beschwerdeführer seiner diesbezüglichen erhöhten Mitwirkungspflicht nicht nachkam, durfte die belangte Behörde die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers i.S. des § 18 Abs. 2 Z. 7 FrG annehmen und auch aufgrund dessen den Tatbestand des § 18 Abs. 1 leg. cit. als verwirklicht ansehen.
2.1. Die Beschwerde wirft der belangten Behörde vor, es unterlassen zu haben, eine auf ausreichenden Ermittlungen hinsichtlich der Integration des Beschwerdeführers gestützte Interessenabwägung durchzuführen. Hinreichende Ermittlungen hätten ergeben, daß die österreichische Staatsbürgerin Eva St. tatsächlich eine Bezugsperson des Beschwerdeführers darstelle, dieser seinen allfälligen weiteren Aufenthalt in Österreich tatsächlich unter der Adresse der Eva St. nehme und von der Genannten Unterkunft und Verpflegung wie auch finanzielle Unterstützung erhalte, sodaß eine "absolute Integration in Österreich gegeben ist". Bei richtiger Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß ein Anwendungsfall des § 20 FrG vorliege. Dies insbesondere auch, wenn man bedenke, daß sich der Beschwerdeführer bereits zwölf Jahre in Österreich aufhalte, für ein Kind sorgepflichtig sei und hier seine einzige Bezugsperson lebe.
2.2. Damit gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, die von der belangten Behörde im Grunde des § 19 wie auch des § 20 Abs. 1 FrG bejahte Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes mit Erfolg in Zweifel zu ziehen.
Ungeachtet des von ihr angenommenen Eingriffes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers erachtete die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot zu Recht als i.S. des § 19 FrG dringend geboten. Das den mehrfachen Verurteilungen und Bestrafungen zugrundegelegene Fehlverhalten des Beschwerdeführers und die damit zum Ausdruck gebrachte Neigung, sich über maßgebliche Rechtsnormen hinwegzusetzen, gefährden mehrere der im Art. 8 Abs. 2 MRK angeführten öffentlichen Interessen, insbesondere jene an der Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen und eines geordneten Fremdenwesens, in einem Ausmaß, das die Verhängung des Aufenthaltsverbotes notwendig macht.
Auch wenn die nach § 20 Abs. 1 FrG zu berücksichtigende Integration des Beschwerdeführers ein nicht unbeachtliches Ausmaß erreichte, wobei freilich der mehrjährige unerlaubte Aufenthalt diesen Gesichtspunkt in seinem Gewicht deutlich einschränkt, der Beschwerdeführer für ein Kind sorgepflichtig ist und in Österreich seine einzige "Bezugsperson" (Eva St.) lebt, so kommt diesen Umständen doch keinesfalls ein Gewicht zu, das die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie als schwerer wiegend erscheinen läßt als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Dies nicht zuletzt im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer der Unterhaltspflicht seinem Kind gegenüber auch vom Ausland nachkommen kann und die besagte "Bezugsperson" nicht vom Schutzbereich "seiner Familie" (§ 20 Abs. 1 FrG) erfaßt ist.
3. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren abzuweisen.
Schlagworte
Beweismittel Urkunden Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweislast Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994180163.X00Im RIS seit
20.11.2000