TE Vwgh Erkenntnis 1994/4/14 94/18/0008

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Veröffentlicht am 14.04.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §18 Abs2 Z8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des R, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 10. Dezember 1993, Zl. III 148/93, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 20. Dezember 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen italienischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 Z. 2 und 8 sowie den §§ 19, 20 und 21 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr.838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei seinen Angaben zufolge Lehrling in einem (näher bezeichneten) Unternehmen mit dem Sitz in Italien, welches Spezialmarmorverlegungsarbeiten durchführe. Er hätte sich seit Jänner 1993 in kurzen Abständen in Innsbruck aufgehalten, und zwar zum Zweck der Verlegung eines speziellen Marmorbodens im Einkaufszentrum in V. Eine Beschäftigungsbewilligung hätte er dazu nicht beantragt, ebensowenig eine Aufenthaltsbewilligung. Er hätte sich insoweit in einem Rechtsirrtum hinsichtlich der zu erledigenden Formalitäten befunden. Das Arbeitsamt hätte für seine Tätigkeit jederzeit eine befristete Beschäftigungsbewilligung erteilt, zumal er und seine Dienstgeber Spezialisten auf dem Gebiet der Marmorverlegung wären.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführer mit - in Rechtskraft erwachsenem - Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 7. Juli 1993 wegen Übertretung des Fremdengesetzes und des Meldegesetzes bestraft worden sei. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer am 7. Juli 1993 von einem Organ des Arbeitsamtes Innsbruck auf einer näher bezeichneten Baustelle bei einer Beschäftigung betreten worden, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht hätte ausüben dürfen. Damit seien die Tatbestände des § 18 Abs. 2 Z. 2 und Z. 8 FrG erfüllt. Aufgrund dessen sei auch die im § 18 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt. Der Beschwerdeführer habe sich nur kurz (von Jänner bis Juli 1993) im Bundesgebiet aufgehalten; der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen befinde sich - unbestritten - in Italien. Es liege somit kein relevanter Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers i.S. des § 19 FrG vor, weshalb auch nicht mehr darauf eingegangen zu werden brauche, ob das Aufenthaltsverbot nach dieser Bestimmung dringend geboten sei; ebensowenig bedürfe es aufgrund dessen einer Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG (Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes entspreche der für seine Erlassung maßgeblichen Umständen; sie orientiere sich an der Frist des § 55 Abs. 1 VStG.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete indes auf die Erstattung einer Gegenschrift.

II

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. In der Beschwerde bleibt unbestritten, daß der Beschwerdeführer einmal wegen Übertretung des Fremdengesetzes und einmal wegen Übertretung des Meldegesetzes rechtskräftig bestraft wurde. Damit ist der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt, demzufolge als bestimmte Tatsache i.S. des § 18 Abs. 1 leg. cit. zu werten ist, wenn der Fremde mehr als einmal wegen dieses Bundesgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes 1969, des Meldegesetzes 1991 oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers spielt insoweit die Kategorie der "schwerwiegenden" Verwaltungsübertretung keine rechtserhebliche Rolle, da nach dem klaren Wortlaut des § 18 Abs.2 Z. 2 FrG eine mehr als einmalige Übertretung der vorgenannten Gesetze kein Beispiel einer "schwerwiegenden" Verwaltungsübertretung, sondern für sich eine "bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1" darstellt und derart neben den ebenfalls für sich eine solche Tatsache darstellenden Fall einer mehr als einmaligen schwerwiegenden Verwaltungsübertretung tritt (was eine Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG in Form der Kombination einer rechtskräftigen Bestrafung wegen einer schwerwiegenden Verwaltungsübertretung und wegen einer Übertretung einer der vier genannten Gesetze nicht ausschließt).

1.2. Die Beschwerde läßt auch unbekämpft, daß der Beschwerdeführer auf einer Baustelle von einem Organ des Arbeitsamtes Innsbruck bei "Schwarzarbeit" betreten - als Lehrling in dem die besagten Arbeiten ausführenden Unternehmen war er im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses (§ 2 Abs.2 AuslBG) tätig, ohne daß für ihn die dazu erforderliche Beschäftigungsbewilligung (§ 3 Abs. 2 leg. cit.) erteilt worden wäre - und solcherart der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG erfüllt worden sei. Daß für den Beschwerdeführer - so die Beschwerde - jederzeit eine befristete Beschäftigungsbewilligung erteilt worden wäre und die Unterlassung der Einholung einer solchen lediglich auf Unwissenheit bzw. Vergeßlichkeit zurückzuführen sei, weshalb eine Qualifikation als "schwerwiegendes Vergehen i.S. des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG" keinesfalls gerechtfertigt sei, ist ein Vorbringen, das an der Sache vorbeigeht, da die belangte Behörde das Betreten-worden-sein des Beschwerdeführers bei "Schwarzarbeit" nicht diesem Tatbestand subsumiert hat.

2.1. Ungeachtet der Verwirklichung der Tatbestände des § 18 Abs. 2 Z.2 und Z. 8 FrG vermag der Gerichtshof dem von der belangten Behörde daraus gezogenen rechtlichen Schluß, es sei die Annahme gerechtfertigt, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde (§ 18 Abs. 1 Z. 1 FrG), nicht beizupflichten.

2.2. Dazu, weshalb die rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Übertretung des Fremdengesetzes und wegen Übertretung des Meldegesetzes die im § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme nicht zu stützen geeignet ist, wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Ausführungen unter Pkt. 2 des hg. Erkenntnisses vom heutigen Tag, Zl. 94/18/0006, verwiesen.

2.3. Was die Betretung des Beschwerdeführers durch ein Organ des Arbeitsamtes bei "Schwarzarbeit" anlangt, so unterscheidet sich auch insofern der maßgebliche Sachverhalt grundlegend von jenen Fällen, die der Gesetzgeber des Fremdengesetzes mit der Einfügung der Z. 8 des § 18 Abs. 2 primär erfassen wollte, nämlich die "Schwarzarbeit" von (vielfach dazu "angelockten") Fremden, die ausschließlich oder doch vornehmlich zum Zweck der Aufnahme dieser Art von Arbeit nach Österreich einreisen (vgl. die Erläuterungen zur RV 692 BlgNR 18GP, 38). Beim Beschwerdeführer handelt es sich weder nach den Feststellungen der belangten Behörde noch nach dem Inhalt der Akten um einen Fremden, der als "billige Arbeitskraft" nach Österreich gelockt worden war oder sich hier als solche angeboten hatte, vielmehr um einen in einem Ausbildungsverhältnis stehenden minderjährigen Fremden, der von seinen italienischen Arbeitgebern zur Ausführung von Spezialarbeiten in Österreich eingesetzt worden war und der auf diese Weise seine Arbeitsleistung kurzzeitig im Bundesgebiet erbracht hatte. Daß dadurch die öffentliche Ordnung, näherhin das öffentliche Interesse an einem geordneten Arbeitsmarkt, in einem solchen Ausmaß beeinträchtigt wird, wie dies durch die Tätigkeit typischer "Schwarzarbeiter" der Fall ist, und damit eine Gefährdung vorliegt, die eine Annahme i.S. des § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG gerechtfertigt erscheinen läßt, ist nicht zu erkennen.

3. Nach dem Gesagten hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt und damit den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z.1 VwGG aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994180008.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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