TE Vfgh Erkenntnis 1991/10/17 A2170/90

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.10.1991
beobachten
merken

Index

30 Finanzverfassung, Finanzausgleich
30/02 Finanzausgleich

Norm

B-VG Art104 Abs2
B-VG Art137 / Klage zw Gebietsk
B-VG Art137 / Zinsen
FAG 1985 §1 Abs2 Z2 lita
FAG 1985 §1 Abs2 Z2 litb sublitbe
FAG 1989 §23 Abs5
FAG 1985 §24 Abs3
ZPO §393

Leitsatz

Zwischenerkenntnis über eine Klage des Landes Oberösterreich gegen den Bund auf Ersatz der Kosten für eine "verlorene Projektierung" im Straßenbau; Bestehen des Anspruches auf Abgeltung der aufgelaufenen Fremdkosten für die im Rahmen der Auftragsverwaltung vorgenommene Planung eines Teilstückes der A8 Innkreis Autobahn nach Aufhebung der Straßenverlaufsverordnung in diesem Bereich vor fast fünf Jahren ohne Neufestlegung des Straßenverlaufs dem Grunde nach zu Recht; fünfjährige Verjährungsfrist für vermögensrechtliche Ansprüche nach dem FAG 1985 und FAG 1989; Begehren auf Zinsenzuspruch gerechtfertigt

Spruch

Der Anspruch besteht dem Grunde nach zu Recht.

Die Entscheidung über die Prozeßkosten bleibt dem Enderkenntnis vorbehalten.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Die am 5. Dezember 1990 beim Verfassungsgerichtshof eingelangte, auf Art137 B-VG gestützte Klage des Landes Oberösterreich wegen Ersatzes der Kosten für eine "verlorene Projektierung" richtet sich gegen den Bund. Das klagende Land begehrt die Fällung folgenden Urteils:

"Die beklagte Partei Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der klagenden Partei Land Oberösterreich binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution

1. den Betrag von S 19,528.007,52 zuzüglich 4 % Zinsen ab 11. August 1986 zu bezahlen;

2. die Prozeßkosten zu ersetzen."

b) Die Klage wird wie folgt begründet:

"A. Sachverhalt:

1. Mit Verordnung des Bundesministers für Bauten und Technik vom 15. November 1974, BGBl. Nr. 694, wurde in Durchführung des §4 Abs1 des Bundesstraßengesetzes 1971, BGBl. Nr. 286, der Straßenverlauf der A8 Innkreis Autobahn im Bereich der Gemeinden Sattledt, Steinerkirchen an der Traun, Steinhaus, Wels, Gunskirchen, Krenglbach und Pichl bei Wels bestimmt.

Auf der Grundlage dieser Verordnung in Verbindung mit der Verordnung, mit der die Besorgung der Geschäfte der Bundesstraßenverwaltung dem Landeshauptmann übertragen wird, BGBl. Nr.131/1963, wurden vom Landeshauptmann von Oberösterreich im Rahmen der Auftragsverwaltung (Bundesstraßenverwaltung beim Amt der o. ö. Landesregierung) entsprechende Planungen und Projektierungen im Einvernehmen mit dem Bund durchgeführt bzw. in Auftrag gegeben.

2. Mit Verordnung des Bundesministers für Bauten und Technik vom 27. November 1985, BGBl. Nr. 510, wurde die Verordnung BGBl. Nr. 694/1974 von Plan-km 65,20 bis Plan-km 75,00, das ist der Abschnitt Wels-West bis Sattledt, aufgehoben.

3. Mit Schreiben des Amtes der o.ö. Landesregierung vom 11. Juli 1986, Zl. BauA-811/787-1986/Go/G, wurde dem Bundesministerium für Bauten und Technik eine genaue Zusammenstellung der aufgelaufenen Fremdkosten, gegliedert nach den Bereichen Projektskosten, Bodenuntersuchungen und Vermessungsarbeiten, übermittelt, wobei sich die Gesamtsumme aus allen Bereichen auf S 19,528.007,52 beläuft. Gleichzeitig wurde - unter Hinweis auf §1 Abs2 Z. 2 litb sublit. be des Finanzausgleichsgesetzes 1985 - um Überweisung dieses Betrages als vom Bund an das Land Oberösterreich zu refundierender Aufwand für 'verlorene' Projekte auf ein Konto des Landes Oberösterreich ersucht.

4. Mit Schreiben vom 27. Oktober 1986, Zl. 830.620/4-303/86, teilte das Bundesministerium für Bauten und Technik - ohne den Sachverhalt zu bestreiten - mit, daß eine Weiterführung der A8 Innkreis Autobahn in diesem Bereich beabsichtigt, der neue Verlauf jedoch noch nicht festgelegt sei. Erst nach Inkrafttreten einer neuen Verordnung sei daher abzusehen, 'welche Projekte tatsächlich als verlorener Aufwand zu gelten' hätten, weshalb erst dann eine Refundierung möglich sei.

5. Mit Schreiben des Amtes der o.ö. Landesregierung an das Bundesministerium für Finanzen vom 26. September 1990, Zl. Fin-212/23-Sta-1990, wurde - unter Bezugnahme auf das

h. Schreiben vom 11. Juli 1986 (vgl. oben Punkt 3.) - neuerlich ersucht, den Betrag von nunmehr S 22,772.331,72 (S 19,528.007,52 samt 4 % Zinsen vom 11. August 1986 bis 7. Oktober 1990) bis längstens 7. Oktober 1990 zu überweisen. Von dieser Aufforderung wurde gleichzeitig das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten in Kenntnis gesetzt.

Der Bund hat jedoch den vom Land Oberösterreich eingeforderten Betrag bis heute nicht bezahlt. Auch sonst hat der Bund den - geltend gemachten und belegten - Aufwand des Landes Oberösterreich in keiner der im FAG vorgesehenen Art, insbesondere auch nicht durch Pauschalabgeltung gemäß §1 Abs2 Z. 2 lita

FAG 1985/FAG 1989 abgegolten.

Das Land Oberösterreich ist daher zur Klagsführung genötigt.

Beweis zu A:

Im Aktenverzeichnis beigeschlossene Schreiben des Amtes der o. ö. Landesregierung vom 11. Juli 1986, Zl. BauA-811/787-1986/Go/G, und vom 26. September 1990, Zl. Fin-212/23-Sta-1990; Schreiben des Bundesministeriums für Bauten und Technik vom 27. Oktober 1986, Zl. 830.620/4-303/86.

B. Begründung des Anspruchs:

1. Gemäß Art104 Abs1 B-VG sind die Bestimmungen des Art102 B-VG über die mittelbare Bundesverwaltung auf die Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes (Art17 B-VG) nicht anzuwenden. Die mit der Verwaltung des Bundesvermögens betrauten Bundesminister können jedoch die Besorgung solcher Geschäfte dem Landeshauptmann und den ihm unterstellten Behörden im Land übertragen (sogenannte 'Auftragsverwaltung', Art104 Abs2 erster Satz B-VG).

Eine solche Übertragung hat hier durch die Verordnung BGBl. Nr. 131/1963, mit der die Besorgung der Geschäfte der Bundesstraßenverwaltung dem Landeshauptmann übertragen wird, stattgefunden. Dabei geht Art104 Abs2 dritter Satz B-VG davon aus, daß für die Kosten dieser Auftragsverwaltung grundsätzlich die Länder aufzukommen haben; 'inwieweit in besonderen Ausnahmefällen' vom Bund Kostenersatz (an die Länder) geleistet wird, wird durch Bundesgesetz bestimmt. Für Anwendungsfälle wie den vorliegenden hat der Bundesgesetzgeber eine solche Entscheidung über Kostenersätze an die Länder im Finanzausgleichsgesetz 1985 (und auch im Finanzausgleichsgesetz 1989) getroffen.

2. Für den Bereich des (Bundes-)Straßenbaus enthält das FAG 1985 und gleichlautend das FAG 1989 neben der Normierung eines Aufwandsersatzes in Form einer Pauschalabgeltung (§1 Abs2 Z. 2 lita) auch eine Regelung für Einzelabgeltungen. So gewährt §1 Abs2 Z. 2 litb sublit. be FAG 1985/FAG 1989 dem Land einen Anspruch auf Abgeltung des Aufwandes im Ausmaß der nachweisbaren Fremdkosten für Projekte für Strecken, für die eine Verordnung gemäß §4 Bundesstraßengesetz 1971 zugrunde lag, die jedoch aufgehoben wurde (sog. 'verlorene' Projekte).

3. Die zitierten gesetzlichen Tatbestandsmerkmale sind erfüllt:

-

Wie schon unter A. ausgeführt, wurde die Verordnung BGBl. Nr. 694/1974 durch die Verordnung BGBl. Nr. 510/1985 im hier maßgeblichen Abschnitt des Projektes aufgehoben.

-

Durch die Vorlage der Zusammenstellung des verlorenen Planungsaufwandes für den von der Aufhebung betroffenen Abschnitt der A8 Innkreis Autobahn wurden die bis zur Wirksamkeit der Verordnungsaufhebung (11. Dezember 1985) dem Land Oberösterreich entstandenen Fremdkosten in der ermittelten Höhe nachgewiesen.

              4.              Nach dem eindeutigen Wortlaut des §1 Abs2 Z. 2 litb sublit. be FAG 1985/FAG 1989 kommt es für die Qualifizierung eines Projektes als sogenanntes 'verlorenes' Projekt allein darauf an, daß dafür eine Verordnung gemäß §4 des Bundesstraßengesetzes 1971 zugrunde lag, die jedoch aufgehoben wurde. Dem von der beklagten Partei ins Treffen geführten Umstand, wonach bisherige Vorarbeiten möglicherweise für eine allfällige, durch Verordnung erst festzulegende neue Trassenführung verwendet werden könnten, kommt nach Auffassung der klagenden Partei keinerlei Relevanz zu. Vielmehr ist zu berücksichtigen, daß der Finanzausgleichsgesetzgeber - und zwar in Entsprechung diesbezüglicher Vereinbarungen der Finanzausgleichspartner - Einschränkungen der hier in Rede stehenden Aufwandsersätze ausdrücklich festgeschrieben hätte, wären solche Vereinbarungen tatsächlich beabsichtigt gewesen. Dies schon deshalb, weil insbesondere die jüngeren Finanzausgleichsgesetze auf der Grundlage des jeweiligen Finanzausgleichspaktums durch immer detailreichere und exaktere Kasuistik gerade in den Verpflichtungstatbeständen gekennzeichnet sind, sodaß insgesamt jedenfalls vom sprachlich klaren und in der Aussage eindeutigen Wortlaut der Bestimmung auszugehen ist.

Im Hinblick also auf die sich darbietende Sach- und Rechtslage kann die aus dem vorerwähnten Schreiben des Bundesministeriums für Bauten und Technik vom 27. Oktober 1986 zu entnehmende Haltung des Bundes als bloße Verzögerungstaktik empfunden werden; für das Land Oberösterreich ist eine vergleichbare Verzögerungstaktik des Bundes auch schon aus dem zur Zl. A145/89 beim Verfassungsgerichtshof protokollierten Klagsfall, der mit dem VfGH Erk. vom 26. September 1990, A145/89-9 dem Grunde nach entschieden wurde, bekanntgeworden.

C. Rechtzeitigkeit der Klage:

Die fünfjährige Verjährungsfrist des §24 Abs3 FAG 1985 für vermögensrechtliche Ansprüche, die sich 'auf dieses oder künftige Finanzausgleichsgesetze gründen', beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Anspruch erstmals hätte geltend gemacht werden können. Inhaltlich übereinstimmend sieht auch §23 Abs5 FAG 1989 eine derartige Verjährungsfrist vor.

Die aufhebende Verordnung BGBl. Nr. 510/1985 wurde am 10. Dezember 1985 kundgemacht und trat mit 11. Dezember 1985 in Kraft. Mit Beginn dieses Tages hätte der mit dieser Klage erhobene Anspruch erstmals geltend gemacht werden können, wenn nicht überhaupt davon auszugehen ist, daß der Anspruch nicht nur faktisch, sondern auch rechtlich erst ab dem Zeitpunkt geltend gemacht werden kann, zu dem das Ausmaß (die Höhe) der zu beanspruchenden Fremdkosten festgestellt (= errechnet) worden ist. Die Frist des §24 Abs3 FAG 1985 bzw. §23 Abs5 FAG 1989 endet somit frühestens mit Ablauf des 10. Dezember 1990, möglicherweise jedoch erst mit Ablauf des 10. Juli 1991 (weil erst mit dem vorerwähnten Schreiben vom 11. Juli 1986, Zl. BauA-811/787-1986/Go/G, die Berechnung der zu beanspruchenden Fremdkosten abgeschlossen worden war).

Die Klagserhebung erfolgt daher rechtzeitig.

D. Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes:

Nach Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen, noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

Mit dieser Klage des Landes Oberösterreich gegen den Bund wird, gestützt auf §1 Abs2 Z. 2 litb sublit. be und §24 Abs3 FAG 1985 bzw. §23 Abs5 FAG 1989, ein derartiger, ausschließlich im öffentlichen Recht wurzelnder, vermögensrechtlicher Anspruch geltend gemacht (vgl. VfSlg. 10.069, 11.204).

Die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes für diese Klage gemäß Art137 B-VG scheint gegeben."

2.a) Der (durch den Bundesminister für Finanzen vertretene) Bund erstattete am 8. Februar 1991 eine Gegenschrift, in der im wesentlichen ausgeführt wird:

"Der Bund vertritt zum Klagsbegehren des Landes Oberösterreich folgende Auffassung:

Es trifft zu, daß für den gegenständlichen Bereich der A8 Innkreis Autobahn 'Wels Sattledt' seit der seinerzeitigen Aufhebung der Verordnung über den Trassenverlauf in der Zwischenzeit noch keine neue Verordnung über eine nunmehrige Trassenführung erlassen worden ist.

Es ist dies bisher an zahlreichen Einsprüchen im Vorstadium (= Anhörungsverfahren gemäß §4, Abs5, BStG 1971 / Novelle 1983) gescheitert.

Der Abschnitt der A8 vom Knoten Sattledt (A 1 / A9) bis zur Gemeindegrenze Pichl bei Wels/Kematen am Innbach wurde mit BGBl. Nr. 694/1974 (Vdg. vom 15.11.1974) festgelegt (BM/wA Zl.: 539.639-II/16-74) und mit BGBl. Nr. 510/1985 teilweise (von km 65,20 - 75,0) aufgehoben (BM/wA Zl.: 924.508/1-VI/14-85). Das sodann im Jahre 1988 durchgeführte Anhörungsverfahren zwecks neuerlicher Erlassung einer Verordnung über den Trassenverlauf konnte - wie oben beschrieben - nicht abgeschlossen werden.

Im Schreiben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten an den Landeshauptmann von Oberösterreich, Zl.: 830.620/4-303/86 ist eine Refundierung keineswegs generell abgelehnt worden, sondern es wurde auf die Entscheidung über eine künftige Trassenführung verwiesen. Im Falle, daß Oberösterreich diese Regelung nicht akzeptiert hätte, wäre sicherlich ein Kompromiß dahingehend möglich gewesen, vorläufig zumindest einen Teilbetrag zu refundieren.

Da jedoch vom Land Oberösterreich keine Reaktion erfolgte, mußte angenommen werden, daß auch seitens Oberösterreich die neue Trassenführung abgewartet wird.

Im Hinblick darauf, daß die Refundierungsforderung seitens Oberösterreich während eines Zeitraumes von 4 Jahren nicht geltend gemacht worden ist, und auch die Verzögerung für die neue Trassenführung teilweise vom Land zu vertreten ist (siehe beiliegende Planungsgeschichte), wird die Zulässigkeit einer Zinsenforderung bestritten.

Bei einer Anzahl der Einsprüche von ca. 7000 war es auch seitens Oberösterreich vorauszusehen, daß die neue Trassenführung einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen wird.

Darüberhinaus wird darauf hingewiesen, daß seitens des Bundes eine Refundierung für Projekte nicht erfolgen kann, welche weiterhin als Grundlage dienen.

Zusammenfassend kann also gesagt werden, daß die Forderung von Oberösterreich für verlorene Projektierung in Höhe von S 19,528.007'52 nicht prinzipiell bestritten wird, sondern es müßte nach Festlegung der neuen Trasse 'Knoten Wels' geprüft werden, ob tatsächlich eine Weiterverwendung dieser einzelnen Arbeiten nicht mehr möglich ist bzw. schon jetzt von Oberösterreich nachgewiesen werden, daß eine weitere Verwertbarkeit der Projekte unwahrscheinlich sein dürfte.

..."

b) Da die Gegenschrift - entgegen dem §243 Abs2 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG - kein bestimmtes Begehren enthielt, wurde sie gemäß §84 ZPO iVm §§18 und 35 VerfGG dem Bund zur Verbesserung zurückgestellt.

In Entsprechung dieses Auftrages teilte der Bund in einem Schreiben vom 2. August 1991 mit:

"Das Land Oberösterreich stützt seinen Anspruch auf §1 Abs2 Z2 litb sublit. be FAG 1985/1989.

Diese Gesetzesstelle normiert nur, daß der Bund in diesem speziellen Fall eines verlorenen Planungsaufwandes den Ländern den entstehenden Aufwand ersetzt. Zur Frage, wann dieser Ersatz zu leisten ist, enthält die Gesetzesstelle keine Ausführungen. Dies ist in der Folge zu untersuchen:

Die Finanzausgleichspartner kamen im Paktum betreffend den Finanzausgleich ab dem Jahr 1985 überein, daß im Bereich der Bundesstraßenverwaltung zur problemloseren Zusammenarbeit im Bereich der Auftragsverwaltung bei der Durchführung der Bestimmungen des §1 Abs2 des FAG so vorgegangen wird, daß beide Seiten die in den Erläuterungen zum FAG enthaltenen näheren Ausführungen bei Interpretationsschwierigkeiten als Grundlage für Klarstellungen heranziehen werden (Pkt. 3, ho. GZ 60 0501/166-II/11/84).

Beweis:

Beigelegtes Resümeeprotokoll über die Paktierung des Finanzausgleiches ab dem Jahre 1985.

Die Erläuterungen zum FAG 1985 führen zu §1 Abs2 Z2 litb aus, wann im Hochbau verlorener Planungsaufwand vom Bund bzw. von den Ländern zu vertreten ist. Weiter heißt es: 'Im Bereich des Straßenbaues wird analog vorzugehen sein, wobei zu litbb davon auszugehen ist, daß eine Refundierung nur in jenen Fällen zu erfolgen hat, in denen die begründete Vermutung besteht, daß der Projektierung keine Bauführung folgen wird, eine Entscheidung hierüber aber auch nach Ablauf noch von fünf Jahren nicht erfolgt ist. Gleiches gilt hinsichtlich der Kosten für erforderliche Vorarbeiten, die oft längere Zeit zurückliegen und deren Kosten vielfach nur mit großem Verwaltungsaufwand noch festzustellen sind.'

Eine Refundierung nach §1 Abs2 Z2 litb hat danach also nur in solchen Fällen zu erfolgen, in denen die begründete Vermutung besteht, daß der Projektierung keine Bauführung folgen wird, hinsichtlich sublit. bb mit der zusätzlichen Bedingung, daß deren Ausführung nicht binnen fünf Jahren ab Genehmigung beginnt. Eine derartige zeitliche Befristung ist bei sublit. be jedoch nicht vorgesehen. Es wird hier also nur darauf abgestellt, daß eine begründete Vermutung besteht, daß der Projektierung keine Bauführung folgen wird.

Auch von der klagenden Partei wird nicht in Abrede gestellt, daß die Arbeiten an der genannten Teilstrecke Wels-Sattledt weitergeführt werden. Von einer begründeten Vermutung, daß der Projektierung keine Bauführung folgen wird, kann daher nicht die Rede sein.

Nach endgültiger Festlegung der Trassenführung wird feststehen, welchen vom Land Oberösterreich in Auftrag gegebenen Projektierungsarbeiten keine Ausführung folgen wird. Erst zu diesem Zeitpunkt kann die Bestimmung der sublit. be schlagend werden.

Diese Interpretation stimmt auch mit dem beabsichtigten Sinn der Abgeltungsregel des §1 Abs2 Z2 litb FAG 1985 überein: Es wurde nämlich als Problem angesehen, daß nicht verwirklichte Bauvorhaben keine Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Pauschalabgeltung bewirken. Dadurch ersetzt die Pauschalabgeltung möglicherweise nicht alle Kosten, die den Ländern durch die Besorgung dieser Geschäfte der Verwaltung des Bundesvermögens entstehen. Diesem Manko soll die Kostenersatzregel des §1 Abs2 Z2 litb FAG 1985/89 abhelfen. Sehr deutlich kommt dies im Ausdruck 'verlorener Planungsaufwand' zur Geltung. Ein solcher verlorener Planungsaufwand kann naturgemäß nur dann vorliegen, wenn feststeht, daß eine Planung endgültig nicht der Verwirklichung zugeführt werden soll. Solange jedoch die Arbeiten nach wie vor im Gange sind, ist dieser Tatbestand nicht verwirklicht.

Es wird nicht übersehen, daß §1 Abs2 litb FAG 1985/89 u. U. bewirkt, daß die vorläufige Kostentragung durch die Länder auch längere Zeiträume umfassen kann. Angesichts der Rechtssituation vor dem Inkrafttreten der genannten Gesetzesstelle - endgültige Kostentragung durch die Länder ohne Ersatz durch den Bund - und der in Art104 Abs2 dritter Satz B-VG festgelegten grundsätzlichen Kostentragungspflicht der Länder kann darin jedoch keine Unzumutbarkeit gesehen werden.

Die von der klagenden Partei zur Begründung ihres Anspruches herangezogenen Bestimmungen bilden somit insgesamt (noch) keine Grundlage für die eingeklagte Forderung.

Der Bund bestreitet daher die eingeklagte Forderung dem Grunde und der Höhe nach.

Hinsichtlich des Anspruches auf Verzugszinsen ist festzuhalten, daß, da der eingeklagte Betrag dem Grunde nach (noch) nicht zusteht, auch ein Anspruch auf Verzugszinsen nicht entstehen konnte. Die eingeklagte Forderung wird daher auch hinsichtlich des geforderten Zinsbetrags bestritten.

Namens des Bundes beantragt das Bundesministerium für Finanzen, der Verfassungsgerichtshof möge

a)

die Klage abweisen und

b)

der klagenden Partei den Ersatz der Prozeßkosten des Bundes auferlegen."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Klage erwogen:

1. Nach Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen, noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

Die klagende Partei macht einen vermögensrechtlichen Anspruch gegen den Bund geltend. Sie behauptet, daß ihr dieser aufgrund näher angeführter Bestimmungen des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) 1985 und des FAG 1989 zustehe. Ein solcher Anspruch wurzelt ausschließlich im öffentlichen Recht. Über ihn ist nicht im ordentlichen Rechtsweg zu entscheiden; es existiert auch keine Norm, nach der dieser Anspruch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen wäre (vgl. zB VfSlg. 9507/1982, 11.204/1987; VfGH 26.9.1990, A145/89).

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Klage zulässig.

2.a) Gemäß Art104 Abs1 B-VG finden die Bestimmungen des Art102 B-VG über die Einrichtung der mittelbaren Bundesverwaltung auf die nichthoheitliche Verwaltung des Bundes (Art17 B-VG) keine Anwendung. Die mit der Verwaltung des Bundesvermögens betrauten Bundesminister können aber die Besorgung solcher Geschäfte dem Landeshauptmann und den ihm unterstellten Behörden im Land übertragen (sog. "Auftragsverwaltung": Art104 Abs2 (Satz 1) B-VG; vgl. VfSlg. 10.477/1985). Eine derartige Delegierung wurde hier durch die Verordnung BGBl. 131/1963 vorgenommen, mit der die Besorgung der Geschäfte der Bundesstraßenverwaltung dem Landeshauptmann und den ihm unterstellten Behörden im Land übertragen wurde.

b) Art104 Abs2 (Satz 3) B-VG geht davon aus, daß für die Kosten dieser "Auftragsverwaltung" grundsätzlich die Länder aufzukommen haben; durch Bundesgesetz wird bestimmt, inwieweit "in besonderen Ausnahmefällen" der Bund (den Ländern) Kostenersatz zu leisten hat.

Eine solche Sonderbestimmung enthält §1 Abs2 Z2 FAG 1985 (nahezu gleichlautend dieselbe Vorschrift im FAG 1989):

"§1.(1) ...

(2) Bei den nach Art104 Abs2 B-VG den Ländern in der Bundesstraßenverwaltung sowie im Bundeshochbau und bei der Verwaltung bundeseigener Liegenschaften übertragenen Aufgaben wird der damit verbundene Aufwand wie folgt getragen:

1. ...

2. Der Bund ersetzt den Ländern den mit der Besorgung dieser Geschäfte entstehenden Aufwand für die Erfüllung der übertragenen Projektierungs-, Bauaufsichts-, Bauoberleitungs-, Bauführungs- und Verwaltungsaufgaben wie folgt:

a) durch eine Pauschalabgeltung von 10 vH im Bundesstraßenbau und 12 vH im Bundeshochbau und bei der Verwaltung bundeseigener Liegenschaften. Die Pauschalabgeltung umfaßt auch den mit der Heranziehung Dritter zur Besorgung dieser Geschäfte verbundenen Aufwand, soweit die Besorgung nicht durch Personal des Landes vorgenommen wird. Die Pauschalabgeltung ist bezogen auf die gesamten innerhalb eines Finanzjahres angefallenen voranschlagswirksamen Ausgaben, die in der Auftragsverwaltung des Bundes von den dem Landeshauptmann unterstellten Behörden im jeweiligen Land getätigt werden, nach Abzug des Pauschalabgeltungsbetrages und des Personal- und Sachaufwandes nach Z1. ...;

b) durch eine Abgeltung des Aufwandes im Ausmaß der nachweisbaren Fremdkosten für Projekte, wenn im Hochbau die Ausführung der vom Bund angeordneten Projekte nicht binnen drei Jahren nach Planungsabschluß in Angriff genommen oder deren Planung ausdrücklich eingestellt wird. Im Straßenbau, wenn bei den im Einvernehmen mit dem Bund erstellten Planungen folgende Umstände vorliegen:

ba) ...

bb) ...

bc) ...

bd) ...

be) Projekte für Strecken, für die eine Verordnung gemäß §4 Bundesstraßengesetz zugrunde lag, die jedoch aufgehoben wurde.

              bf)              ..."

              c)              Die Pauschalabgeltungsregel der lita des §1 Abs2 Z2 FAG 1985 und 1989 kommt zur Begründung des vorliegenden Klagsanspruches nicht in Betracht; diese Bestimmung greift nämlich, nach ihrem Wortlaut und ihrem sich aus dem Zusammenhalt mit der folgenden litb ergebenden Sinn, dann nicht Platz, wenn - wie im gegenständlichen Fall - das Straßenbauprojekt nicht realisiert wurde.

Die klagende Partei stützt daher ihren Anspruch denn auch - zu Recht - nicht auf die lita, sondern auf die litb sublit. be.

In der Klage wird - zutreffend - im Detail geschildert (s.o. I.1.b), daß für eine bestimmte Strecke der A8 Innkreis Autobahn mit der gemäß §4 Abs1 des Bundesstraßengesetzes 1971 erlassenen Verordnung BGBl. 694/1974 der Straßenverlauf festgelegt, und daß in der Folge mit Verordnung BGBl. 510/1985 die erstgenannte Verordnung für einen bestimmten Abschnitt aufgehoben wurde.

Die klagende Partei behauptet, daß für die Projektierung dieses Streckenabschnittes Fremdkosten in der Höhe von S 19,528.007,52 aufgelaufen seien.

3.a) Der beklagte Bund weist ausdrücklich darauf hin, daß er die Forderung des Landes Oberösterreich betreffend die "verlorene Projektierung" nicht prinzipiell bestreitet, hält aber der Geltendmachung des Anspruches zum jetzigen Zeitpunkt folgendes entgegen:

Eine Refundierung (seitens des Bundes) könne nicht für solche Projekte erfolgen, "welche weiterhin als Grundlage dienen".

Die Erlassung einer neuen Verordnung über den (nunmehrigen) Straßenverlauf sei bisher an zahlreichen Einsprüchen im Anhörungsverfahren gescheitert. Der Bund habe angenommen, daß auch das Land damit einverstanden sei, daß die Verordnung über die neue Trassenführung abgewartet werde. Wenn das Land eine Refundierung verlange, so müsse von ihm "schon jetzt ... nachgewiesen werden, daß eine weitere Verwertbarkeit der Projekte unwahrscheinlich sein dürfte".

Das Land Oberösterreich habe die Refundierungsforderung während eines Zeitraumes von vier Jahren nicht geltend gemacht.

Daraus leitet der Bund (ohne weitere Begründung) ab, daß das Zinsenbegehren ungerechtfertigt sei. Allenfalls kann dieser Hinweis auch als Andeutung verstanden werden, die Forderung sei verjährt.

b) All diese Argumente sind nicht geeignet, die Klage zu widerlegen:

aa) Zunächst ist festzuhalten, daß das (den Finanzausgleich für die Jahre 1985 bis 1988 regelnde) FAG 1985 seinem §24 Abs1 zufolge am 1. Jänner 1985 in Kraft getreten ist. Der Tatbestand des §1 Abs2 Z2 litb sublit. be FAG 1985, an den die Rechtsfolge des Eintrittes des Anspruches auf Abgeltung des Planungsaufwandes geknüpft ist, wurde mit Aufhebung der den Straßenverlauf bestimmenden Verordnung (BGBl. 694/1974) verwirklicht; diese aufhebende Verordnung (BGBl. 510/1985) gilt seit 11. Dezember 1985.

Der Klagsanspruch ist mithin nach der zuletzt zitierten Vorschrift des FAG 1985 zu beurteilen.

bb) Dem §24 Abs3 FAG 1985 und dem §23 Abs5 FAG 1989 zufolge verjähren vermögensrechtliche Ansprüche, die sich auf das FAG 1985 gründen, nach Ablauf von fünf Jahren. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der Anspruch erstmals hätte geltend gemacht werden können; im übrigen gelten die Bestimmungen des ABGB. Das Land Oberösterreich hätte den Anspruch keinesfalls vor Ablauf des 10. Dezember 1985 (Inkrafttreten der wiederholt erwähnten Verordnung BGBl. 510/1985) geltend machen können. Die vorliegende Klage ist am 5. Dezember 1990, also jedenfalls vor Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist, beim Verfassungsgerichtshof eingelangt.

cc) Das Land Oberösterreich forderte den Bund (zhd. des Bundesministers für Bauten und Technik) - gestützt auf §1 Abs2 Z2 litb sublit. be FAG 1985 - mit Schreiben vom 11. Juli 1986 (unter Anschluß einer aufgegliederten Zusammenstellung der aufgelaufenen Fremdkosten mit der Gesamtsumme von S 19,528.007,52) auf, ihm diesen Betrag zu überweisen. Diesem Verlangen kam der Bund bisher nicht nach.

Da der erwähnte Anspruch dem Grunde nach zu Recht besteht (s. die folgende sublit. dd), ist auch das Begehren auf Zuspruch von 4 % Zinsen ab 11. August 1986 (also ab einem Monat nach dem Schreiben vom 11. Juli 1986) gerechtfertigt (zum Anspruch auf Zinsen vgl. die ständige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, zB VfSlg. 5079/1965, 10.889/1986, 10.967/1986, 11.064/1986). Der Einwand des Bundes, das Land Oberösterreich habe die Refundierungsforderung während eines Zeitraumes von vier Jahren nicht geltend gemacht, ist geradezu unverständlich.

dd) Dem Wortlaut des §1 Abs2 Z2 litb sublit. be FAG 1985 zufolge entsteht der Anspruch auf die Abgeltung des Fremdkosten-Aufwandes, sobald die Straßenverlaufsverordnung (zur Gänze oder für ein bestimmtes Straßenstück) aufgehoben wurde. Irgendwelche weiteren Voraussetzungen sind nicht normiert.

Der Bund vertritt in seiner Gegenschrift die Annahme, der Anspruch entstehe erst, wenn feststehe, daß die Projektierungsleistungen nicht im Rahmen einer Neufestlegung des Straßenstückes ganz oder teilweise wiederverwendet werden können.

Es kann dahingestellt bleiben, ob - wie der Gesetzeswortlaut nahelegt - die Tatsache der formalen Aufhebung einer Straßenverlaufsverordnung in jedem Fall zur Begründung des Anspruches führt: Im Hinblick auf den seit der im Jahre 1985 erfolgten (teilweisen) Aufhebung der Straßenverlaufsverordnung (BGBl. 694/1974) verstrichenen längeren Zeitraum ist diese (soweit sie den von der Aufhebung erfaßten Straßenabschnitt betrifft) auch materiell außer Kraft getreten; sie wurde nämlich nicht etwa inzwischen durch eine inhaltlich (nahezu) gleiche Verordnung ersetzt. Der vom Land Oberösterreich gegen den Bund geltend gemachte Anspruch ist unter diesen Umständen jedenfalls entstanden und fällig.

Die Frage, ob die vom Bund dem Land zu refundierenden Projektierungskosten allenfalls in der Folge auf die Pauschalvergütung anzurechnen sind, falls die Projektierungsleistungen für das letztendlich realisierte Projekt verwendet werden können, ist hier nicht zu erörtern.

4. Da der Stand des Verfahrens eine Entscheidung über die Höhe des Anspruches nicht zuläßt (der beklagte Bund bestreitet die eingeklagte Forderung auch der Höhe nach), war mit Zwischenerkenntnis auszusprechen, daß der Anspruch dem Grunde nach zu Recht besteht (§393 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG).

Die Parteien werden zur Frage der Höhe des Anspruches Schriftsätze mit den zur Beurteilung dieser Frage nötigen Unterlagen einzubringen haben.

5. Die Entscheidung über den Kostenersatzanspruch gemäß §41 VerfGG bleibt dem Enderkenntnis vorbehalten (§§52 Abs2, 393 Abs4 ZPO).

6. Da die Schriftsätze der Parteien des verfassungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Akten erkennen lassen, daß durch eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten ist, wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden.

Schlagworte

VfGH / Klagen, Auftragsverwaltung, Finanzverfassung, Finanzausgleich (Aufwandersatz), VfGH / Verfahren, Zwischenerkenntnis, Aufwandersatz (Auftragserteilung), Straßenbau (Kosten), Straßenverlaufsfestlegung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:A2170.1990

Dokumentnummer

JFT_10088983_90A02170_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten