TE Vwgh Erkenntnis 1994/4/14 94/18/0028

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Veröffentlicht am 14.04.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs2;
FrG 1993 §19;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des A in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 29. September 1993, Zl. Frb 4250/93, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (der belangten Behörde) vom 29. September 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, die Ausweisung verfügt.

In sachverhaltsmäßiger Hinsicht gelangte die belangte Behörde zu der Annahme, daß der Beschwerdeführer im September 1992, ohne im Besitz eines eigenen Reisepasses zu sein - er sei im Reisepaß seines Vaters miteingetragen gewesen -, und ohne Sichtvermerk nach Östereich eingereist sei und auch seither keinen Sichtvermerk erlangt habe. Sie zog daraus den rechtlichen Schluß auf den unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet (§ 15 Abs. 1 Z. 1 FrG) und hielt - unter Bedachtnahme auf § 19 FrG - die Voraussetzungen für die Ausweisung des Beschwerdeführers für gegeben (§ 17 Abs. 1 leg. cit.). Was die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grunde des § 19 FrG anlangt, wies die belangte Behörde auf das Bestehen familiärer Beziehungen des Beschwerdeführers zu seinem in Österreich lebenden Vater sowie darauf hin, daß sich die Mutter und fünf Geschwister des Beschwerdeführers nach wie vor in der Türkei aufhielten. Ungeachtet des gegebenen Eingriffes in das Familienleben des Beschwerdeführers sei seine Ausweisung im öffentlichen Interesse eines geordneten Fremdenwesens dringend geboten.

2. Gegen diesen Bescheid wandte sich der Beschwerdeführer zunächst mit Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser trat die Beschwerde nach Ablehnung von deren Behandlung (Beschluß vom 15. Dezember 1993, B 1941/93-6) dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 12. Jänner 1994, B 1941/93-8).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

II

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Verfahrensmängel erblickt die Beschwerde darin, daß es die belangte Behörde unterlassen habe festzustellen, wie lange der Vater des Beschwerdeführers bereits in Österreich lebe, und sie zu Unrecht nicht festgestellt habe, daß der Beschwerdeführer legal nach Österreich eingereist sei.

1.2. Diese Rüge ist nicht zielführend. Zum einen ist das Versäumnis der Feststellung, wie lange sich der Vater des Beschwerdeführers bereits in Österreich aufhält, im Hinblick darauf nicht wesentlich, daß die belangte Behörde ohnehin aufgrund der Beziehung des Beschwerdeführers zu seinem hier lebenden Vater einen im Grunde des § 19 FrG relevanten Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers durch die Ausweisung angenommen hat. Zum anderen ist in der Beschwerde die im bekämpften Bescheid getroffene Feststellung unbestritten geblieben, daß der Beschwerdeführer im September 1992 ohne gültigen österreichischen Sichtvermerk eingereist sei. Auf dem Boden dieser wesentlichen Sachverhaltsannahme konnte die belangte Behörde rechtens nicht den Schluß ziehen, der Beschwerdeführer sei "legal nach Österreich eingereist".

2.1. Die Beschwerde vertritt die Ansicht, daß gegen einen Ausländer, der "länger in Österreich gelebt oder massivere Familienbande hier hat" nur mehr die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, nicht jedoch eine Ausweisung in Betracht komme. Dies ergebe sich nicht nur aus der "ganz offenkundigen Logik des Gesetzes", sondern auch aus der beispielsweisen Aufzählung des § 17 Abs. 2 FrG, der jeweils die Ausweisung binnen eines Monats nach der Einreise vorsehe.

2.2. Dieser Auffassung vermag der Gerichtshof nicht beizupflichten. Einerseits findet sie in der hier maßgeblichen Norm des § 17 Abs.1 FrG mangels jeglichen in diese Richtung deutbaren Hinweises keine Deckung. Andererseits spricht gerade die Aufzählung der durch die Ein-Monat-Frist gekennzeichneten Ausweisungstatbestände im § 17 Abs. 2 FrG dafür, daß eine Ausweisung nach der keine zeitliche Einschränkung enthaltenden Bestimmung des § 17 Abs. 1 leg. cit. auch nach längerer Zeit eines unrechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich zulässig ist, wobei diesfalls - im Gegensatz zu den Fällen des § 17 Abs. 2 FrG - auf § 19 leg. cit., also das Privat- und Familienleben des Fremden Bedacht zu nehmen ist (vgl. auch die Erläuterungen zur RV 692 BlgNR 18.GP,37).

3.1. Die Beschwerde vermißt eine faire Güterabwägung. Der angefochtene Bescheid enthalte eine Überbetonung der öffentlichen Interessen, um die privaten Interessen "scheinbar bestmöglich zu verdrängen, also inquisitorisch und nicht objektiv zu agieren". Die belangte Behörde habe auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30.Juni 1993, B 319/93 u.a., verschwiegen, in dem betont worden sei, daß bei "Entscheidungen in Fremdenpolizeisachen" bestehende enge familiäre Bindungen in Österreich, wie der Aufenthalt des Vaters des (damaligen) minderjährigen Beschwerdeführers, zu berücksichtigen seien. Auch im vorliegenden Fall wohne der Vater des mj. Beschwerdeführers in Österreich.

3.2. Die belangte Behörde hat zwar das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht ausdrücklich genannt, der Sache nach der dort zum Ausdruck gebrachten Rechtsanschauung indes vollinhaltlich Rechnung getragen, indem unter Zugrundelegung der Beziehung des Beschwerdeführers zu seinem im Bundesgebiet lebenden Vater ein nach § 19 FrG relevanter Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers durch die Ausweisung bejaht wurde. Dies stellte freilich für die belangte Behörde kein rechtliches Hindernis dar, die Zulässigkeit der Ausweisung gegen den Beschwerdeführer im Grunde der besagten Norm dennoch als gegeben anzusehen - dann nämlich, wenn sie zur Ansicht gelangte, es sei diese Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten.

Die belangte Behörde ist zu dieser rechtlichen Beurteilung gelangt. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, daß sie hiebei einem Rechtsirrtum unterlegen wäre. Denn der unrechtmäßige Aufenthalt eines Fremden, dem, wie beim Beschwerdeführer, nie ein rechtmäßiger vorausgegangen ist, stellt eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung, näherhin eines geordneten Fremdenwesens, von solchem Gewicht dar, daß das Dringend-geboten-sein der Ausweisung und damit die Zulässigkeit dieser Maßnahme i.S. des § 19 FrG zu bejahen ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 13.Jänner 1994, Zl. 93/18/0584).

4. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994180028.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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