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L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauG Vlbg 1972 §23 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des B in F, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 14. April 1993, Zl. 1-254/92/K3, betreffend Übertretung der Vorarlberger Bauordnung (weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid erkannte die belangte Behörde den Beschwerdeführer für schuldig, er habe
"am 30.11.1991 um 9.50 Uhr bei dem Wohnhausneubau
in ... F ... von der Firma W Schindelarbeiten an dem am Boden
stehenden Dach des angebauten Turmes durchführen lassen, obwohl mit Bescheid der Gemeinde F vom 28.11.1991, zugestellt am 29.11.1991, um 16.20 Uhr, die Einstellung der Arbeiten gemäß § 40 Abs. 1 Baugesetz verfügt wurde."
Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 55 Abs. 1 lit. f Baugesetz in Verbindung mit dem erwähnten Baueinstellungsbescheid begangen. Es werde über den Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 2 Baugesetz eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzarreststrafe von acht Tagen verhängt; der Beitrag zu den Verfahrenskosten wurde mit S 2.000,-- festgesetzt.
Nach der Begründung ging die belangte Behörde von folgendem Sachverhalt aus: Der Bürgermeister der Gemeinde F habe mit Bescheid vom 28. November 1991 gegenüber dem Beschwerdeführer nach § 40 Abs. 1 des Baugesetzes die Einstellung der Arbeiten bezüglich des Wohnhausneubaus über der bestehenden Pizzeria verfügt. In diesem Bescheid sei die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen worden. Dieser Bescheid sei dem Beschuldigten am 29. November 1991 um 16.20 Uhr eigenhändig zugestellt worden. Entgegen diesem Bescheid seien am 30. November 1991 um 9.50 Uhr bei dem Wohnhausneubau in F, Haus Nr. 77, "an dem am Boden stehenden Dach des Turmes Schindelarbeiten" durchgeführt worden. Der Beschuldigte habe die Absicht gehabt, das Dach nach den Schindelarbeiten auf den Turm zu heben. Anläßlich des Einschreitens der Gendarmerie um
9.50 Uhr sei bereits ein Drittel des Turmdaches mit Schindeln eingedeckt gewesen. Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung die Auffassung vertreten, er habe durch diese Arbeiten nicht gegen den Baueinstellungsbescheid verstoßen, da er das Dach nicht auf den Turm, sondern nur "weiter nach vorne an den
Rand des Parkplatzes ... heben" lassen habe wollen. Dieser
Verantwortung des Beschuldigten schenke die belangte Behörde jedoch keinen Glauben, weil der Beschwerdeführer selbst zum Zeitpunkt des Einschreitens (der Gendarmerie) angegeben habe, er wolle das Dach auf den Turm hinaufbringen, um den Turm gegen Regen abzudecken und er sei nicht bereit gewesen, sich von diesem Vorhaben abhalten zu lassen. Überdies habe der Beschwerdeführer angegeben, er habe dem Kranwagenfahrer, als dieser am Tattag zur Baustelle gekommen sei, gesagt, daß aufgrund der Baueinstellung das Dach nicht mehr auf den Turm gehoben werden könne. Der Kranfahrer habe jedoch ausgeführt, als er damals bei der Baustelle des Beschwerdeführers angekommen sei, seien gleichzeitig auch der Bürgermeister (und ein weiterer Gemeindebediensteter) eingetroffen, die ihm erklärt hätten, daß der Bau eingestellt sei und er keine weiteren Arbeiten durchzuführen hätte. Auf die weiteren Gespräche habe er nicht mehr geachtet, weshalb er nicht mitbekommen habe, ob es allenfalls darum gegangen wäre, "das Dach lediglich auf die Seite zu bringen". Es erscheine der belangten Behörde auch völlig lebensfremd, daß der Beschwerdeführer, hätte er wirklich die Absicht gehabt, das Dach lediglich auf die Seite heben zu lassen, dies dem Bürgermeister nicht gesagt hätte. Die belangte Behörde gehe insgesamt davon aus, daß der Beschwerdeführer "zum Tatzeitpunkt am Tatort Schindelarbeiten am Dach des Turmes durchführen hat lassen". Das Dach habe sich zu diesem Zeitpunkt noch am Boden in unmittelbarer örtlicher Nähe zum Turm befunden. Die Schindelarbeiten am Dach des Turmes seien offensichtlich deshalb zu einem Zeitpunkt vorgenommen worden, als sich das Dach noch am Boden und nicht bereits auf dem Turm befunden habe, da nach den Angaben des Beschwerdeführers ein Anbringen der Schindeln nach dem Aufsetzen des Daches auf den Turm nicht möglich gewesen wäre. Nach Abschluß der Schindelarbeiten hätte nun das Dach auf den Turm gehoben werden sollen. In diesem Zusammenhang sei es unerheblich, ob der Baueinstellungsbescheid schon in Rechtskraft erwachsen gewesen sei oder nicht; entscheidend sei vielmehr, daß die Vollstreckbarkeit zum Tatzeitpunkt gegeben gewesen sei. Es sei auch unerheblich, daß dem Beschwerdeführer zu einem späteren Zeitpunkt gestattet worden sei, das Dach auf den Turm aufzusetzen. Dadurch, daß die oben erwähnten Schindelarbeiten durchgeführt worden seien, habe der Beschwerdeführer eingestellte Arbeiten fortführen lassen und somit den Tatbestand der im Spruch zitierten Gesetzesbestimmung verwirklicht. Notstand im Sinne des § 6 VStG liege nicht vor. Nach Zitierung des § 19 VStG führt die belangte Behörde zur Strafdrohung aus, daß Verwaltungsübertretungen gemäß § 55 Abs. 1 des Baugesetzes gemäß § 55 Abs. 2 leg. cit. mit einer Geldstrafe bis zu S 100.000,-- oder mit Arrest bis zu drei Monaten zu bestrafen seien. Durch das Verhalten des Beschwerdeführers sei das öffentliche Interesse an einer gesetzmäßigen Errichtung von Bauvorhaben in nicht unerheblichem Maße beeinträchtigt worden. Es könne ihm allerdings zugute gehalten werden, daß die Tat keine sonstigen nachteiligen Folgen nach sich gezogen habe. Als Verschulden werde Vorsatz angenommen. Milderungs- bzw. Erschwerungsgründe seien keine hervorgekommen. Die Strafe der Erstbehörde (S 30.000,--) sei herabzusetzen gewesen, da das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten eingeschränkt worden sei (strafbar sei nur die Fortführung der Arbeiten, nicht aber die Auftragserteilung hiezu) und Bauarbeiten nur während eines kurzen Zeitraums und in einem geringen Umfang durchgeführt worden seien. Im übrigen entspreche die festgesetzte Strafe den Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnissen des Beschwerdeführers (wird näher ausgeführt).
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluß vom 29. November 1993, B 1078/93, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
In seiner vor dem Verwaltungsgerichtshof erstatteten Beschwerdeergänzung macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 55 des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 39/1972, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 47/1983, begeht eine Verwaltungsübertretung, wer nach § 40 Abs. 1 oder 2 eingestellte Arbeiten fortsetzt oder fortführen läßt. Diese Bestimmungen lauten:
"§ 40
Baueinstellung und Mängelbehebung
(1) Ergibt eine Überprüfung einen Grund zur Beanstandung nach § 39 Abs. 1 lit. a, so hat die Behörde gegenüber dem Bauausführenden oder seinem Auftraggeber die Einstellung der Arbeiten zu verfügen.
(2) Ergibt die Überprüfung einen Grund zur Beanstandung nach § 39 Abs. 1 lit. b oder c, so hat die Behörde die Behebung des Mangels zu verfügen und sie über eine angemessene Frist festzusetzen. Wird dieser Verfügung nicht entsprochen, so ist nach Abs. 1 vorzugehen."
Nach der Aktenlage wurde dem Beschwerdeführer ein Bescheid vom 28. November 1991 am 29. November 1991 (Datum der Übernahme des Bescheides) zugestellt, nach dessen Spruch gemäß § 40 Abs. 1 Baugesetz die sofortige Einstellung der Bautätigkeit hinsichtlich des "Wohnhausneubaus über der bestehenden Pizzeria" verfügt und gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid ausgeschlossen wurde.
Der Beschwerdeführer war daher bis zu einer allfälligen Behebung des Ausspruchs über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (bzw. gegebenenfalls bis zur Aufhebung des Bescheides in der Hauptsache) zur Einhaltung dieser Baueinstellung verpflichtet, so auch im Zeitraum des ihm angelasteten strafbaren Verhaltens am 30. November 1991 (also einen Tag nach Zustellung dieses Bescheides). Ein Zuwiderhandeln gegen diesen Baueinstellungsbescheid war daher gemäß § 55 Abs. 1 lit. f Baugesetz strafbar. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde geltend macht, die Verfügung der Baueinstellung sei - unter verschiedenen, in der Beschwerde näher genannten Gesichtspunkten - rechtswidrig gewesen, kommt es darauf im Hinblick auf den ihm gegenüber rechtswirksam erlassenen Bescheid vom 28. November 1991 nicht an.
Soweit der Beschwerdeführer eine "unrichtige Lösung der Schuldfrage im Sinne des § 5 VStG" und damit der Sache nach geltend macht, er sei zu Unrecht bestraft worden, kommt der Beschwerde jedoch im Ergebnis Berechtigung zu:
Im Rahmen des so umschriebenen Beschwerdepunktes ist der Verwaltungsgerichtshof nämlich nicht an die in der Beschwerde genannten Beschwerdegründe gebunden, sondern er hat vielmehr alle für die Entscheidung der Frage, ob das betreffende subjektive Recht des Beschwerdeführers verletzt worden ist oder nicht, maßgebenden Gründe zu beachten und daher eine für die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit im Rahmen der Beschwerdepunkte maßgebende inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auch dann aufzugreifen, wenn sie vom Beschwerdeführer weder ausdrücklich noch nach dem Inhalt der Beschwerde geltend gemacht wurde (vgl. u.a. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Slg. Nr. 11.525/A, uva.).
Ein solcher Fall liegt hier insoweit vor, als der Beschwerdeführer aus in der Beschwerde nicht genannten, aber vom Verwaltungsgerichtshof dessen ungeachtet aus eigenem aufzugreifenden Gründen in dem von ihm geltend gemachten Beschwerdepunkt verletzt wurde: Die belangte Behörde legt dem Beschwerdeführer nämlich - ausdrücklich - nur zur Last, er habe von einem näher bezeichneten Unternehmen "Schindelarbeiten an dem am Boden stehenden Dach des angebauten Turmes durchführen lassen". Dieses Turmdach sollte - nach den Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde - nach Abschluß dieser "Schindelarbeiten" auf den Turm gehoben werden.
Demgegenüber können Arbeiten der genannten Art, die an einer Dachkonstruktion VOR deren Aufbringung auf ein Bauwerk, verrichtet werden, auch dann nicht als bewilligungspflichtige Bauarbeiten am Bauwerk selbst angesehen werden, wenn diese Arbeiten in unmittelbarer Nähe zum Bauplatz durchgeführt werden. Solche Arbeiten fallen auch unter keine der im § 23 Abs. 1 BauG genannten bewilligungspflichtigen Baumaßnahmen und konnten daher auch durch den Bescheid, mit welchem die Fortsetzung der Bauarbeiten am Bauwerk des Beschwerdeführers untersagt wurde, nicht erfaßt sein. Es war daher dem Beschwerdeführer nicht verboten, den Dachaufsatz des Turms - wenn auch zur Vorbereitung der späteren Aufbringung dieses Dachaufsatzes auf den Turm - durch "Schindelarbeiten" fertigzustellen.
Es kann bei dieser Sachlage offen bleiben, ob das von der belangten Behörde festgestellte Verhalten des Beschwerdeführers als Versuch einer strafbaren Handlung im Sinne des § 8 VStG in Verbindung mit § 55 Abs. 5 Baugesetz (wonach der Versuch der in dieser Bestimmung genannten Verwaltungsübertretungen strafbar ist) gewertet werden könnte, weil die belangte Behörde den Beschwerdeführer nicht wegen des Versuchs, sondern wegen des vollendeten Delikts bestraft hat. Für das fortgesetzte Verfahren sei jedoch darauf hingewiesen, daß als Versuch nur eine zur wirklichen Ausübung der Tat (nämlich der Verrichtung von Bauarbeiten am Bauwerk) führende Handlung in Betracht kommt. Die Vollendung der Schindelarbeiten an dem am Boden stehenden Turmdach sind nicht nur mit einer unmittelbar bevorstehenden (verbotenen) Montage des Daches auf dem Bauwerk zu erklären und weisen daher keine solche Nähe zur (allfälligen) Ausführungshandlung auf, daß von einem strafbaren Versuch gesprochen werden könnte.
Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß es einer Auseinandersetzung mit dem übrigen Beschwerdevorbringen bedurfte.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Da nach der zuletzt genannten Verordnung an Schriftsatzaufwand lediglich ein (pauschalierter) Betrag von S 11.120,-- zugesprochen werden kann, entbehrt das Mehrbegehren, gerichtet auf den Ersatz von 20 % Umsatzsteuer aus dem Betrag von S 11.120,-- der Rechtsgrundlage. An Ersatz für Stempelgebühren konnte ebenfalls nur ein Betrag von S 360,-- für den dreifach einzubringenden Ergänzungsschriftsatz zugesprochen werden, da weitere Stempelgebühren im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht zu entrichten waren. Das Kostenmehrbegehren war daher insoweit abzuweisen.
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Erklärung und Umfang der Anfechtung AnfechtungserklärungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994060007.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
27.09.2012