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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §20 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des F in G, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 13. Juli 1993, Zl. UVS 30.5-154/92-9, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 13. Juli 1993 wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug schuldig erkannt, am 4. Juni 1991 um ca. 12.00 Uhr in Graz, Conrad von Hötzendorf Straße - Brockmanngasse, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws auf der Conrad von Hötzendorf Straße in nördlicher Richtung fahrend die Fahrgeschwindigkeit nicht den gegebenen Straßenverhältnissen (regennasse Fahrbahn) angepaßt zu haben, da er gegen eine an dieser Kreuzung die Fahrbahn überquerende Fußgängerin gestoßen sei. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 1 StVO 1960 begangen, weshalb gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. über ihn eine Geldstrafe (Ersatzarreststrafe) verhängt wurde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 20 Abs. 1 StVO 1960 (erster Satz) hat der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen, sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Die im jeweiligen Einzelfall zulässige höchste Fahrgeschwindigkeit ergibt sich somit aus der Kombination aller in dieser Gesetzesstelle genannten maßgeblichen Komponenten, wobei sich die absolute Obergrenze der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch die im Gesetz (§ 20 Abs. 2 StVO 1960) oder durch Verordnung im Einzelfall normierten Grenzen ergibt.
Der belangten Behörde ist grundsätzlich darin zuzustimmen, daß diese gesetzlichen bzw. durch Verordnung vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeiten nur unter besonders günstigen Verhältnissen eingehalten werden dürfen. Bei der Beurteilung, ob im Einzelfall die Einhaltung einer solchen Höchstgeschwindigkeit der Bestimmung des § 20 Abs. 1 leg. cit. widerspricht, ist allerdings zu beachten, daß ein Minus bei einzelnen der nach dieser Gesetzesstelle für die Wahl der Geschwindigkeit maßgeblichen Faktoren gegebenenfalls durch ein Plus der anderen ausgeglichen werden kann. Für einen Schuldspruch nach § 20 Abs. 1 erster Satz StVO 1960 genügt es bei einer an der Grenze der nach § 20 Abs. 2 zulässigen Höchstgeschwindigkeit gelegenen eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit daher nicht, lediglich Feststellungen darüber zu treffen, daß hinsichtlich einer (oder einzelner) der in dieser Gesetzesstelle für die Ermittlung der zulässigen Fahrgeschwindigkeit maßgeblichen Komponenten ungünstige Verhältnisse bestanden. Es muß vielmehr auch geprüft werden, ob dieses Minus nicht durch ein Plus der anderen Komponenten ausgeglichen wird.
Bezogen auf den Beschwerdefall war es daher verfehlt, wenn sich die belangte Behörde - ausgehend von der Feststellung, der Beschwerdeführer habe zum Tatzeitpunkt im Ortsgebiet eine Fahrgeschwindigkeit vom 49 km/h eingehalten - damit begnügte, festzustellen, es hätten "schlechte Sichtverhältnisse" und regennasse Fahrbahn geherrscht. Abgesehen davon, daß, sofern nicht andere Umstände hinzutreten (was aber von der belangten Behörde nicht festgestellt wurde), im Sommer zu Mittag bei "bedecktem bis bewölktem" Himmel durch "leichten Regen" bei einer Fahrgeschwindigkeit von rund 50 km/h wohl noch keine relevante Sichtbehinderung bewirkt wird, hätte es weiterer Feststellungen, insbesondere über die Straßenverhältnisse hinsichtlich Straßenbreite, Straßenverlauf, Zustand der Fahrnbahndecke etc., bedurft, um abschließend beurteilen zu können, ob die vom Beschwerdeführer eingehaltene Fahrgeschwindigkeit tatsächlich der Vorschrift des § 20 Abs. 1 erster Satz StVO 1960 widersprach.
Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Geschwindigkeit AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993030301.X00Im RIS seit
12.06.2001