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44 ZivildienstNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verletzung im Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung mangels Glaubhaftmachung von Gewissensgründen; keine Verletzung im GleichheitsrechtSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1.1. Die Zivildienstkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDK), Senat 5, wies mit Bescheid vom 20. November 1990, Z156.486/1-ZDK/5/90, einen von H P - unter Bezugnahme auf §2 Abs1 Zivildienstgesetz 1986, BGBl. 679 (ZDG), idF BGBl. 598/1988 - gestellten Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht - nach mündlicher Verhandlung - gemäß §2 Abs1 iVm §6 Abs1 leg.cit. als unbegründet ab.
1.1.2. Der dagegen von H P erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDOK), Senat 4, vom 26. April 1991, Z156.486/2-ZDOK/4/91, gleichfalls nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, gemäß §66 Abs4 AVG nicht Folge gegeben.
1.2.1. Gegen diesen Bescheid der ZDOK richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde des H P an den Verfassungsgerichtshof; der Beschwerdeführer beruft sich darin auf die Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG, behauptet ferner, er sei in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG iVm Art2 StGG) verletzt worden, und begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides als verfassungswidrig.
1.2.2. Die ZDOK als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten beider Instanzen vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.
2. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:
2.1. Die Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG besagt, daß Wehrpflichtige im Sinn des Wehrgesetzes 1978, wv. als Wehrgesetz 1990, BGBl. 305, auf ihren Antrag (und zwar nach Maßgabe des §5 Abs1 und 3 ZDG, der das Antragsrecht - in hier allerdings unerheblicher Weise - beschränkt) von der Wehrpflicht zu befreien sind, wenn sie es - von Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen - aus schwerwiegenden, glaubhaften Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen andere Menschen anzuwenden und daher bei Leistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot geraten würden; sie sind zivildienstpflichtig. Der Verfassungsgerichtshof vertritt in seiner mit VfSlg. 8033/1977 eingeleiteten ständigen Rechtsprechung die Auffassung, daß diese Vorschrift das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung beinhaltet (vgl. auch VfSlg. 9391/1982, 9785/1983, 9839/1983, 9840/1983, 9842/1983, 9971/1984, 9985/1984, 10.021/1984, 10.111/1984).
2.2. Dieses Grundrecht wird nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nicht bloß dadurch verletzt, daß die Behörde die im §2 Abs1 ZDG umschriebenen materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Wehrpflichtbefreiung unrichtig beurteilt; eine solche Verletzung ist - da sich der Schutzumfang des Grundrechtes auf die für den Nachweis der Voraussetzungen maßgebende Vorgangsweise der Glaubhaftmachung (Bescheinigung) miterstreckt - auch dann gegeben, wenn der Behörde wesentliche Verstöße in diesem verfahrensrechtlichen Bereich unterlaufen oder wenn sie dem Antragsteller überhaupt die Möglichkeit nimmt, das Vorliegen der materiellen (Befreiungs-)Bedingungen glaubhaft zu machen (vgl. zB VfSlg. 8787/1980, 9362/1982, 9785/1983, 9946/1984, 9970/1984, 9989/1984, 9990/1984, 10.021/1984, 10.053/1984, 10.056/1984, 10.111/1984, 10.154/1984, 10.247/1984, 10.264/1984).
Wie der Verfassungsgerichtshof in diesem Zusammenhang schon wiederholt aussprach (VfSlg. 8268/1978, 8391/1978, 9785/1983, 9985/1984), zählen zu den hier wahrzunehmenden Verstößen auf verfahrensrechtlichem Gebiet auch wesentliche Fehler bei der Beweiswürdigung einschließlich der Würdigung der Parteiaussage als Bescheinigungsmittel.
2.3.1. Die belangte Behörde geht nun richtig davon aus, daß der Antragsteller, zieht man alle seine Einlassungen im Administrativverfahren gebührend in Betracht, den Standpunkt einnahm, infolge seiner - allgemeinen und vorbehaltlosen - Ablehnung der Anwendung von Waffengewalt in schwere Gewissensnot zu geraten, wenn er Wehrdienst leisten müsse.
Eine derartige (an sich taugliche) Behauptung muß aber, sollen die Voraussetzungen für die Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung erfüllt sein, nicht nur aufgestellt, sondern kraft §6 Abs2 ZDG auch glaubhaft gemacht werden (vgl. zB VfSlg. 9573/1982).
2.3.2. Die ZDOK legte ausführlich dar, weshalb sie der Ansicht anhänge, daß hier schwerwiegende Gewissensgründe iS des ZDG nicht glaubhaft seien.
Entgegen der in der Beschwerdeschrift der Sache nach schwergewichtig in Form einer bloßen appellatorischen Kritik verfochtenen Auffassung ließ sich die belangte Behörde dabei aber weder materielle noch gravierende prozessuale Rechtsverletzungen zu Schulden kommen, und zwar auch nicht im Bereich der freien Würdigung des Bescheinigungsmaterials: In Wahrheit will die Beschwerde mit ihren vorwiegend die Art und Dichte der Begründung des Berufungsbescheides kritisierenden Ausführungen ebenso wie mit ihren sonstigen, sich inhaltlich meist in einer subjektiven Wertung der behördlichen Beweiswürdigung erschöpfenden Darlegungen offenkundig bloß die Schlußfolgerungen der ZDOK in tatsächlicher Beziehung als unrichtig und verfehlt hinstellen. Sie vermag damit den Umständen nach allerdings nicht aufzuzeigen, daß die beweiswürdigenden Überlegungen der Berufungsbehörde der allgemeinen Lebenserfahrung oder den Gesetzen des logischen Denkens widersprechen. Nur in diesem Fall aber könnte im gegebenen Zusammenhang - nach gefestigter Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes - von einem verfassungsrechtlich relevanten, groben Verstoß verfahrensrechtlicher Art die Rede sein, der nach §2 ZDG aufzugreifen wäre (zB VfSlg. 9732/1983, 9985/1984, 10.111/1984).
2.3.3. Der Verfassungsgerichtshof kann der ZDOK also nach Lage des Falles nicht entgegentreten, wenn sie in Prüfung und Wägung der wesentlichen Verfahrensergebnisse, und zwar unter Bedachtnahme auf das bisherige Verhalten des Antragstellers (§6 Abs2 ZDG) sowie auf dem Boden seiner Argumentation im Administrativverfahren und des von ihm gewonnenen Eindrucks, in freier Beweiswürdigung zur Ansicht gelangte, daß Gewissensgründe nicht (iS des §6 Abs2 ZDG) glaubhaft gemacht wurden (vgl. hiezu die Vorjudikatur, wonach (grundsätzlich) keine Verpflichtung besteht, die auf Grund unmittelbaren persönlichen Eindruckes gebildete Überzeugung vom Beweiswert der Angaben einer Person (näher) zu begründen: zB VfSlg. 9573/1982, 10.247/1984, 10.249/1984).
2.3.4. Abschließend folgt daraus, daß der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung (§2 Abs1 ZDG) nicht verletzt wurde.
2.4.1. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Gesetzesbestimmungen unter dem Aspekt des auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebots wurden nicht geltend gemacht und kamen - aus der Sicht dieses Beschwerdefalls - auch sonst nicht hervor. Bei dieser Betrachtung schied im übrigen die Vorschrift des §2 Abs1 ZDG, da es sich um eine Verfassungsbestimmung handelt, von vornherein aus.
2.4.2. Da es auch an jeglichen Anhaltspunkten dafür fehlt, daß die belangte Behörde dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte, könnte das - vom Beschwerdeführer relevierte - Gleichheitsrecht nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 7466/1974, 8238/1978, 9233/1981) nur dann verletzt sein, wenn der angefochtene Bescheid ein Willkürakt wäre.
Es finden sich jedoch keine wie immer gearteten Hinweise dafür, daß die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung von subjektiven, in der Person des Beschwerdeführers gelegenen Momenten bestimmt oder von anderen unsachlichen Erwägungen geleitet worden sei.
2.4.3. Daher ergibt sich, daß der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht ebenfalls nicht verletzt wurde.
2.5. Angesichts des Umstandes, daß schließlich auch keine Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm hervorkam, mußte die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden.
3. Da einesteils die hier maßgebenden Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bereits genügend klargestellt sind, andernteils ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht offenkundig nicht verletzt wurde, konnte diese Entscheidung gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.
Schlagworte
ZivildienstEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:B853.1991Dokumentnummer
JFT_10088875_91B00853_00