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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §69 Abs1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des R in U, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom 12. November 1993, Zl. 250.315/2-II/B/13/93, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens betreffend Anerkennung einer ausländischen Urkunde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. November 1992 wurde die dem Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Deutschland ausgestellte Urkunde vom 7. November 1983 über eine mit Erfolg abgeschlossene Ausbildung als Masseur und medizinischer Bademeister gemäß § 6 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste, BGBl. Nr. 460/1992 (MTD-Gesetz), als einem österreichischen Diplom über eine Ausbildung als "Diplomierter Physiotherapeut" gleichwertig anerkannt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde das mit dem Bescheid vom 12. November 1992 abgeschlossene Verfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3 AVG von Amts wegen wieder aufgenommen.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdeführer hat in einem weiteren Schriftsatz eine Äußerung zur Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist. Gemäß § 69 Abs. 3 AVG kann unter den Voraussetzungen des Abs. 1 die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden.
Vorauszuschicken ist, daß der angefochtene Bescheid die Wirkung hat, daß der Bescheid vom 12. November 1992 außer Kraft getreten ist, sodaß der seinerzeitige Antrag des Beschwerdeführers auf Anerkennung der in Rede stehenden Urkunde als einem Österreichischen Diplom gleichwertig wieder offen ist. Die Beschwerde ist im Hinblick auf die damit durch die Erlassung des angefochtenen Bescheides jedenfalls für die Dauer des wiederaufgenommenen Verfahrens verbundenen Auswirkungen auf die Rechte des Beschwerdeführers zulässig.
Die Begründung des angefochtenen Bescheides erschöpft sich - abgesehen von der Wiedergabe des Inhaltes von Gesetzesbestimmungen - darin, daß der dringende Verdacht bestehe, der Beschwerdeführer habe den Bescheid vom 12. November 1992 durch eine gerichtlich strafbare Handlung, im besonderen durch Vorlage eines unrichtigen Lehrplanes erschlichen.
Der Beschwerdeführer rügt in diesem Zusammenhang, daß das Gesetz als Wiederaufnahmsgrund u.a. die Begehung einer strafbaren Handlung, durch die der rechtskräftige Bescheid erschlichen worden ist, verlangt; im angefochtenen Bescheid sei lediglich vom Verdacht einer solchen die Rede.
Nach dem insoferne eindeutigen Wortlaut des § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG ist es für eine Wiederaufnahme zwar nicht erforderlich, daß die Partei wegen der strafbaren Handlung bereits verurteilt ist. Der Wiederaufnahmsgrund - insbesondere die strafbare Handlung - muß von der das Verfahren wiederaufnehmenden Behörde aber auf Grund der ihr vorliegenden Unterlagen als erwiesen angenommen werden. Ein bloßer Verdacht kann zwar zur Einleitung eines Wiederaufnahmeverfahrens führen, aber keinen Wiederaufnahmsgrund darstellen, der es rechtfertigte, die Rechtskraft zu durchbrechen und gegebenenfalls (wie hier) eine rechtskräftig zuerkannte Berechtigung wieder aufzuheben.
Da die Behörde dies verkannt und die in Rede stehende Wiederaufnahme ausschließlich auf den ihrer Meinung nach gegebenen Verdacht einer strafbaren Handlung des Beschwerdeführers gestützt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Dazu kommt, daß - wie der Beschwerdeführer ebenfalls zutreffend rügt - insoferne auch Verfahrensvorschriften verletzt wurden, als die belangte Behörde die Bestimmungen über das Parteiengehör verletzt hat, indem sie es unterlassen hat, dem Beschwerdeführer die ihrer Auffassung nach gegebene Diskrepanz zwischen dem eingeholten Lehrplan der ausländischen Anstalt und den vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben - der Beschwerdeführer hat nach der Aktenlage entgegen der Begründung des angefochtenen Bescheides keinen Lehrplan vorgelegt - vorzuhalten. Sie hat es ferner unterlassen, diese ihre Erwägungen im angefochtenen Bescheid im einzelnen darzustellen. Sie irrt ferner, wenn sie in der Gegenschrift die Auffassung vertritt, es habe sich bei der Einholung des in Rede stehenden Lehrplanes nicht um ein "Ermittlungsverfahren gemäß § 60 AVG" gehandelt. Sie irrt auch, wenn sie sich zur Rechtfertigung ihres Vorgehens auf ein Verhalten des Beschwerdeführers - die Nichtbefolgung einer Vorladung - nach Erlassung des angefochtenen Bescheides beruft.
Der Verwaltungsgerichtshof kann infolgedessen nicht beurteilen, ob die Behörde von einem Sachverhalt ausgeht, der tatsächlich auf Erschleichen des Bescheides vom 12. November 1992 durch den Beschwerdeführer schließen läßt oder der vielmehr eine Nachlässigkeit der belangten Behörde bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes erkennen läßt, wobei letzteres keinen Wiederaufnahmsgrund darstellte (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Februar 1986, Zl. 84/09/0216, und vom 25. Juni 1992, Zl. 91/09/0137). Selbst wenn sich die Behörde auf Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren gestützt hat, auf die sie angewiesen war, wäre zu beachten gewesen, ob es ihr nach Lage des Falles nicht hätte zugemutet werden können, die Richtigkeit der Parteiangabe von Amts wegen durch weitere Erhebungen zu überprüfen (vgl. das Erkenntnis vom 7. Juli 1992, Zl. 90/08/0164).
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da Schriftsatzaufwand nur für die Beschwerde gebührt und Stempelgebührenersatz lediglich in Höhe von S 510,-- (S 240,-- für zwei Beschwerdeausfertigungen, S 240,-- für zwei Ausfertigungen der Replik und S 30,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zugesprochen werden konnte.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993110271.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
08.12.2010