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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AuslBG §4 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der A Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 15. Februar 1993, Zl. IIc/6702 B, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei beantragte am 3. August 1992 die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für die jugoslawische Staatsangehörige G. als Teppichknüpferin (Betriebsgegenstand des Unternehmens der beschwerdeführenden Partei ist der "Handel und die Pflege von Orientteppichen").
Mit Bescheid vom 12. August 1992 lehnte das Arbeitsamt Bekleidung-Druck-Papier diesen Antrag gemäß § 4 Abs. 6 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) mit der Begründung ab, der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet. Darüber hinaus habe das "Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.
In ihrer Berufung brachte die beschwerdeführende Partei bezüglich § 4 Abs. 1 AuslBG vor, daß bisher keine Ersatzkraftstellung erfolgt sei und der offene Arbeitsplatz als "Teppichstopferin" nach wie vor vakant sei. Hinsichtlich der Überschreitung der Landeshöchstzahl werde festgestellt, daß es sich bei der beantragten Ausländerin um eine in Österreich integrierte Ausländerin handle. Sie sei verheiratet und ihr Ehegatte verfüge über eine Beschäftigungsbewilligung bei einer inländischen Firma. Die im § 4 Abs. 6 Z. 2 aufgezählten besonders wichtigen Gründe seien im übrigen lediglich demonstrativ und nicht taxativ. Die beantragte Ausländerin sei von dritter Seite empfohlen worden, sei pünktlich und verläßlich und als Teppichstopferin qualifiziert. Auch wenn dieses Berufsbild nicht als Fachberuf im Sinne des § 4b AuslBG zu werten sei, falle die beantragte Ausländerin dennoch unter diese Bestimmung des AuslBG, weil sie einen hohen Integrationsgrad in Österreich habe. Es werde daher ersucht, den Sachverhalt dem Verwaltungsausschuß vorzutragen und der Beschäftigungsbewilligung zuzustimmen.
In der Folge teilte das Arbeitsamt der beschwerdeführenden Partei mit, daß sie aus dem Stand der arbeitslos vorgemerkten Personen Arbeitskräfte anbieten könne, die für die Tätigkeit, für die die Ausländerin beantragt worden sei, zur Verfügung stünden. Daraufhin erteilte die beschwerdeführende Partei einen Vermittlungsauftrag für die offene Stelle als Teppichknüpfer/in. Als erforderliche Zusatzqualifikation war eine erforderliche Praxis angegeben.
In einer vom Arbeitsamt verlangten Rückmeldung über das Ergebnis einer Vorstellung eines vermittelten - namentlich genannten - Arbeitnehmers, teilte die beschwerdeführende Partei am 21. September 1992 mit, die Einstellung sei nicht erfolgt, weil die zugewiesene Person nicht fachmännisch knüpfen könne.
Mit Schreiben vom 23. November 1992 ersuchte die belangte Behörde die beschwerdeführende Partei, die Dienstzeugnisse von G., welche ihre Vorbeschäftigung als Teppichknüpferin dokumentierten, in Ablichtung, erforderlichenfalls in beglaubigter deutscher Übersetzung, zu übersenden.
In einem am 30. November 1992 vom Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Partei der belangten Behörde übermittelten "Verwendungszeugnis" teilte die beschwerdeführende Partei mit, G. sei gemäß der Bescheinigung nach § 20b AuslBG seit 2. November 1992 in ihrer Firma als Teppichstopferin tätig. Die beschwerdeführende Partei sei mit ihren Leistungen sehr zufrieden und würde sie bei Bewilligungserteilung auch weiter beschäftigen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 1, § 4 Abs. 6 und § 13a AuslBG in der Fassung der Novelle vom 27. Dezember 1991, BGBl. Nr. 684/1991, keine Folge. Nach Wiedergabe der einschlägigen Bestimmungen des AuslBG führte die belangte Behörde (ausschließlich zu § 4 Abs. 1 AuslBG) begründend aus, eine Überprüfung auf dem Arbeitsmarkt habe ergeben, daß derzeit für die konkret beantragte Beschäftigung geeignete Ersatzarbeitskräfte zur Verfügung stünden, die zur Vermittlung vorgemerkt seien und gleichzeitig - anders als die beantragte Ausländerin - dem gemäß § 4b AuslBG begünstigten Personenkreis angehörten. Es seien daher der beschwerdeführenden Partei die Möglichkeit einer Ersatzkraftstellung angeboten und in der Folge fünf Ersatzkräfte anstelle der "Beantragten" zugewiesen worden. Der am 21. September 1992 vorstellig gewordene Bewerber sei mit der Begründung abgelehnt worden, er könne nicht fachmännisch knüpfen. Aus diesem Grund sei die beschwerdeführende Partei mit Schreiben vom 23. November 1992 um Vorlage entsprechender Dienstzeugnisse für die beantragte Ausländerin ersucht worden, um mit deren Hilfe objektiv feststellen zu können, ob diese für die in Aussicht genommene Tätigkeit besser geeignet sei, als die vom Arbeitsamt zugewiesenen Kräfte. Die gewünschten Unterlagen hätten nicht beigebracht werden können. Die Berufungsausführungen seien daher gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG nicht geeignet, die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für die beantragte Ausländerin zu begründen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall stützt die belangte Behörde im Spruch ihre ablehnende Entscheidung auf § 4 Abs. 1, § 4 Abs. 6 und § 13a AuslBG idF der Novelle BGBl. Nr. 684/1991.
Nach § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde.
Nach § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Beschäftigungsbewilligung, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
Hinsichtlich der Prüfung der Arbeitsmarktlage im Sinne des § 4 Abs. 1 ist im § 4b AuslBG festgelegt, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nur zuläßt, wenn für den zu besetzenden Arbeitsplatz keine Personen, die bestimmt genannten begünstigten Gruppen (Inländer, Flüchlinge, Ausländer mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung etc.) in der mit der Aufzählung vorgegebenen Reihenfolge angehören, vermittelt werden können.
Im Beschwerdefall erübrigen sich Erwägungen zur Berechtigung der Ablehnung des Antrags der Beschwerdeführerin im erschwerten Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG, weil die belangte Behörde darauf in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht weiter eingegangen ist.
Es kommt daher entscheidend nur darauf an, ob die belangte Behörde mit Recht davon ausgehen konnte, daß der Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung aus § 4 Abs. 1 AuslBG abzuleitende Umstände entgegenstehen.
Nach dieser Gesetzesstelle ist die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung an zwei Voraussetzungen geknüpft, nämlich
1. daran, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und
2. wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
Bei Fehlen auch nur eines dieser beiden Tatbestandselemente ist den Arbeitsämtern die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung verwehrt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. beispielsweise das Erkenntnis vom 2. Juli 1987, 87/09/0051) darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird aber immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer (in der Reihenfolge nach § 4b AuslBG) zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben.
Diese Beweisführung erübrigt sich dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein abgelehnt wird (vgl. in diesem Sinne das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1987, Zl. 87/09/0012, sowie vom 25. November 1987, Zl. 87/09/0164).
Im Beschwerdefall hat die Beschwerdeführerin die Stellung von Ersatzkräften nicht von vornherein abgelehnt, doch glaubte die belangte Behörde daraus, daß die beschwerdeführende Partei im Zuge des Berufungsverfahrens keine entsprechenden Dienstzeugnisse der beantragten Ausländerin vorgelegt hat, schlüssig ableiten zu können, diese sei für die in Aussicht genommene Tätigkeit nicht besser geeignet als die durch das Arbeitsamt zugewiesenen Kräfte (allerdings ist diesbezüglich nur die Zuweisung - und die Ablehnung - EINER Arbeitskraft aktenkundig). Diese Schlußfolgerung ist jedoch unzulässig; es liegt ihr auch ein mangelhaftes Verfahren zugrunde. Keineswegs sind damit die im Rahmen des § 4 Abs. 1 AuslBG rechtserheblichen Fragen hinreichend geklärt, ob es nun überhaupt taugliche Ersatzkräfte zur Deckung des von der beschwerdeführenden Partei geltend gemachten Arbeitskräftebedarfes gibt, oder ob deren Einstellung allenfalls aus von der beschwerdeführenden Partei zu vertretenden Gründen unterblieben ist (siehe dazu z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. September 1993, 93/09/0139).
Es ist das Recht jedes Arbeitgebers, sofern er damit nicht gegen zwingendes Recht verstößt, die Anforderungen festzusetzen, die er an eine von ihm zu beschäftigende Person stellt. Finden diese Anforderungen in objektiven Notwendigkeiten eine Grundlage, dann gehören sie zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen der Beschäftigung, die bei einer Prüfung nach § 4 Abs. 1 AuslBG zugrundezulegen sind (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Oktober 1993, 93/09/0090, und die dort weiters angegebene Judikatur). Mit dem Schreiben vom 27. November 1992 hat die beschwerdeführende Partei zwar keine Dienstzeugnisse für die beantragte Ausländerin betreffend ihre Vorbeschäftigung als Teppichknüpferin vorgelegt, aber eindeutig zu erkennen gegeben, daß diese ihren Anforderungen zur Gänze entspricht. Bei Bedenken an dieser Aussage und der daraus getroffenen Annahme, etwa der am 21. September 1992 zugewiesene Arbeitnehmer sei unberechtigt abgewiesen worden, hätte die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei aber Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen geben müssen (§ 37 und § 45 Abs. 3 AVG). Insbesondere wäre ihr im Rahmen des Parteigehörs die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen gewesen, warum G. im Gegensatz zu den zugewiesenen Ersatzkräften für die zu besetzende Stelle geeignet erschien. In diesem Zusammenhang kann auch der in der Gegenschrift vertretenen Argumentation, nur eine von dritter Seite stammende Urkunde sei geeignet, die für das angestrebte Dienstverhältnis vorausgesetzte Qualifikation nachzuweisen, nicht gefolgt werden.
Da nach dem Beschwerdevorbringen, das sich auch näher mit den Gründen der Ablehnung der am 21. September 1992 zugewiesenen Ersatzkraft beschäftigt, nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der aufgezeigten Mängel zu einem anderslautenden Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Aufwandersatz war wegen fehlender Antragstellung gemäß § 59 Abs. 1 VwGG nicht zuzuerkennen.
Schlagworte
Beweismittel Auskünfte Bestätigungen StellungnahmenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993090112.X00Im RIS seit
20.11.2000