TE Vwgh Erkenntnis 1994/4/21 94/19/1004

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.04.1994
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AsylG 1991 §21 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnB;
FlKonv Art43;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/19/1005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerden 1. des V und 2. des S, beide in L, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 21. Februar 1994, Zl. 4.343.980/1-III/13/94 (betreffend Erstbeschwerdeführer) und Zl. 4.343.981/1-III/13/94 (betreffend Zweitbeschwerdeführer), beide betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind nach dem Inhalt der Beschwerden und der damit vorgelegten Ausfertigungen des jeweils angefochtenen Bescheides Staatsangehörige Afghanistans und haben am 1. Februar 1994 beantragt, ihnen Asyl zu gewähren. Anläßlich ihrer noch am selben Tage durchgeführten niederschriftlichen Einvernahmen haben die Beschwerdeführer jeweils angegeben, sich vor ihrer Einreise ins österreichische Bundesgebiet im Iran, vier Monate in Rußland (im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung für Moskau) und eine Woche in der Tschechischen Republik aufgehalten zu haben.

Mit den Bescheiden jeweils gleichfalls vom 1. Februar 1994 wies das Bundesasylamt die Asylanträge der Beschwerdeführer ab. In ihren jeweiligen Berufungen führten die Beschwerdeführer aus, der Asylausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 liege bei ihnen nicht vor; sie seien in keinem Drittstaat vor Verfolgung, insbesondere vor Rückschiebung nach Afghanistan, sicher gewesen.

Mit den bekämpften Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Die Beschwerdeführer hätten nicht darzutun vermocht, daß sie keinen Rückschiebeschutz genossen haben sollten. Es sei daher davon auszugehen, daß sie bereits im Iran, in Rußland sowie in der Tschechischen Republik Verfolgungssicherheit erlangt hätten, weshalb die Asylgewährung gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 ausgeschlossen und das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 des zitierten Gesetzes nicht mehr zu prüfen gewesen sei.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, im wesentlichen gleichlautenden Beschwerden, mit denen die Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen Beschwerden in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführer gehen auch in ihrem Vorbringen vor dem Gerichtshof selbst davon aus, daß sie sich (u.a.) in der Tschechischen Republik aufgehalten haben. Sie wenden sich unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit dagegen, daß die belangte Behörde auf die "objektiv abstrakt gegebene Schutzmöglichkeit" abstelle; es sei vielmehr zu prüfen, ob im individuellen Fall ein tatsächlicher Schutz gegeben wäre. Auch führe nicht jede Berührung mit dem Territorium eines objektiv sicheren Drittstaates zum Asylausschluß, zumal wenn der Flüchtende diesen objektiv sicheren Drittstaat nur im Zusammenhang mit seinem Fluchtweg benutze. Damit bringen die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht etwas vor, das darauf hinweisen könnnte, daß sie nicht vor ihrer Einreise nach Österreich zumindest bereits in der Tschechischen Republik vor Verfolgung sicher gewesen wären. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die Erkenntnisse vom 26. Jänner 1994, Zl. 93/01/1083, sowie vom 27. Jänner 1994, Zl. 93/01/0058), ist Verfolgungssicherheit im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 anzunehmen, wenn der Asylwerber im Drittstaat keiner Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt war und auch wirksamen Schutz vor Abschiebung in den Verfolgerstaat hatte, wobei es nicht darauf ankommt, wie lange sich der Beschwerdeführer in dem Drittstaat aufgehalten hat, welche Absichten er dabei verfolgt hat und ob sein Aufenthalt den dortigen Behörden bekannt und von diesen geduldet war.

Da nach den Kundmachungen des Bundeskanzlers betreffend den Geltungsbereich der Genfer Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge sowie den Geltungsbereich des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 806 und 807/1993, die Tschechische Republik mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1993 erklärt hat, sich auch weiterhin an die genannten Übereinkommen gebunden zu erachten und die bis 31. Dezember 1992 als einheitliches Staatsgebiet bestehende Tschechoslowakei am 26. November 1991 die Beitrittsurkunde zur Genfer Flüchtlingskonvention ohne Einschränkung hinterlegt hat (s. BGBl. Nr. 260/1992), kann es nicht als unschlüssig angesehen werden, wenn die belangte Behörde die Verfolgungssicherheit der Beschwerdeführer im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 hinsichtlich der Tschechischen Republik angenommen hat. Daß sich die Beschwerdeführer hiebei nur auf der Durchreise nach Österreich befunden haben, ist rechtlich ohne Bedeutung, kam es doch nicht auf die Dauer und das Motiv ihres (nur vorübergehenden) Aufenthaltes in der Tschechischen Republik an. Vielmehr war für die Beschwerdeführer Verfolgungssicherheit zumindest bereits ab dem Zeitpunkt gegeben, in dem sie dieses fremde Staatsgebiet betreten hatten (vgl. das hg. Erkennntnis vom 10. März 1994, Zl. 94/19/0915), wobei sie in der Beschwerde keine relevanten, die Ansicht der belangten Behörde entkräftenden Gründe genannt haben, die sie gehindert hätten, dort länger zu bleiben und bereits dort um Asyl anzusuchen.

Die Beschwerdeführer rügen zwar, daß keinerlei Erhebungen über die "Umstände ihres Aufenthaltes in den Drittländern ..., insbesondere zur Frage des Rückschiebungsschutzes" vorgenommen worden seien, unterlassen aber selbst konkrete Behauptungen in dieser Richtung, weshalb ein allenfalls vorliegender derartiger Verfahrensmangel nicht als wesentlich erkannt werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. November 1993, Zl. 93/01/1139).

Dem Hinweis der Beschwerdeführer auf den Beschluß Nr. 15 (XXX) des Exekutiv-Kommitees für das Programm des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen aus dem Jahre 1979, wonach die Vorstellungen des Asylsuchenden hinsichtlich des Landes, in welchem er um Asyl nachsuchen möchte, soweit wie möglich berücksichtigt werden sollten (Punkt h iii), ist zu entgegnen, daß dieser Beschluß (mangels gesetzlicher Verwirklichung) nur empfehlenden Charakter besitzt. Es kommt daher nicht auf den Ort der "Fluchtbeendigung" im Sinne der Vorstellungen des Asylwerbers sondern darauf an, ob der Flüchtende unter Bedachtnahme auf das (auf die Vermeidung weiterer Verfolgung ausgerichtete) Sicherheitsbedürfnis seinen "Fluchtweg" schon vor der Einreise nach Österreich hätte abbrechen können" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1994, Zlen. 93/01/0021, 0022).

Da die Beschwerdeführer somit bereits in der Tschechischen Republik Verfolgungssicherheit gefunden hätten, war auf die Frage, ob dies auch für Rußland und den Iran zutrifft, nicht einzugehen.

Da somit bereits der Beschwerdeinhalt jeweils erkennen ließ, daß die behaupteten Rechtswidrigkeiten nicht vorliegen, waren die Beschwerden ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen (§ 35 Abs. 1 VwGG).

Aus diesem Grunde erübrigte sich auch ein gesonderter Abspruch des Berichters über die Anträge, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994191004.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten