TE Vfgh Beschluss 1991/11/25 B1085/90

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Veröffentlicht am 25.11.1991
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Hausdurchsuchung
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb Ausübung nicht erfolgte
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb

Leitsatz

Zurückweisung einer Beschwerde gegen eine Hausdurchsuchung mangels Vorliegen eines Aktes behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt infolge Freiwilligkeit der Folgeleistung

Spruch

Die Beschwerde wird, soweit sich diese gegen eine behauptete Hausdurchsuchung am 3. August 1990 um ca. 18.00 Uhr richtet, zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Mit Beschwerde vom 6. September 1990 beantragte die Beschwerdeführerin die kostenpflichtige Feststellung, daß sie "durch die ohne richterlichen Hausdurchsuchungsbefehl bzw. ohne Vorweisung einer Bescheinigung im Sinne des §141 Abs3 StPO vorgenommene Hausdurchsuchung (am 31.7.1990 für die Zeit von ca. 18 Uhr bis 18.30 Uhr und) am 4.8.1990 von ca. 18 Uhr bis 18.15 Uhr durch Gendarmeriebeamte des GPK Stadl-Paura im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Schutz des Hausrechtes (Artikel 9 StGG und §2 Hausrechtsgesetz) verletzt worden" sei. Aufgrund der Sachverhaltsdarstellung in der Gegenschrift der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 16. Oktober 1990, Z Sich-460/1990/J, nach der am 24. Juli 1990 Beamte des Gendarmeriepostens Stadl-Paura aus eigener Macht in der Wohnung der Beschwerdeführerin und am 3. August 1990 ein Beamter des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich dort eine Hausdurchsuchung durchgeführt hätten, beantragte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 13. November 1990 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter gleichzeitiger Vorlage einer verbesserten Beschwerde, in der das Datum der ersten Hausdurchsuchung auf den 24. Juli 1990 und das der behaupteten zweiten auf den 3. August 1990 ausgebessert wurde.

1.2. Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 4. März 1991, B1085/90-11, wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen, und die Beschwerde, soweit sie die Hausdurchsuchung vom 24. Juli 1990 betraf, zurückgewiesen. Weiters wurde ausgesprochen, daß die Entscheidung über die Beschwerde, soweit sich diese gegen eine Hausdurchsuchung am 3. August 1990 richte, gesondert ergehen werde; demgemäß bezieht sich die vorliegende Entscheidung nur auf diesen Vorgang.

1.3. Aufgrund des Hinweises der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land in ihrer Gegenschrift wurde hinsichtlich der behaupteten Hausdurchsuchung am 3. August 1990 das Vorverfahren mit der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich in Linz als belangter Behörde weitergeführt, die mit Schriftsatz vom 22. Dezember 1990, Zl. II-658/90, sowohl die Verwaltungsakten als auch eine Gegenschrift vorlegte, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat Beweis erhoben durch Einvernahme von Bez.-Insp. W L und K P sowie der Beschwerdeführerin als Partei im Rechtshilfeweg. Aufgrund der Einvernahmen, des Parteienvorbringens und der vorgelegten Verwaltungsakten nimmt er folgenden Sachverhalt als gegeben an:

Am 24. Juli 1990 langte unter anderem sowohl beim Landesgendarmeriekommando als auch bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich in Linz ein sogenanntes Sammelfernschreiben der Bundespolizeidirektion Wels ein, worin alle informiert wurden, daß der am selben Tag geflüchtete Untersuchungshäftling D K festzunehmen sei. Laut Dienstvorschreibung des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich wurde Bez.-Insp. L beauftragt, unter anderem nach D K zu fahnden. Im Zuge der Fahndungstätigkeit erhielt er einen vertraulichen Hinweis, daß sich D K in seiner Wohnung in Stadl-Paura aufhalte. L begab sich am 3. August 1990 um ca. 18.00 Uhr zur Wohnung des Gesuchten, wo auf sein Läuten hin K P - die Schwiegermutter der Beschwerdeführerin - die Wohnungstür öffnete. Er erklärte, daß gegen D K ein Vorführungsbefehl vorliege und dieser daher zu verhaften sei. Die Verständigung bereitete gewisse Schwierigkeiten, weil sich K P kaum der deutschen Sprache fähig zeigte. Sie gab dem einschreitenden Gendarmeriebeamten jedoch zu verstehen, daß er die Wohnung betreten und nachschauen könne, indem sie mit den Worten "schauen, schauen" die Tür ganz öffnete, zur Seite ging und L in die Wohnung einließ. Nachdem er sich vergewissert hatte, daß D K nicht anwesend war, verließ er wieder die Wohnung.

2.2. Die hier wesentliche Feststellung, daß Bez.-Insp. L die Schwiegermutter der Beschwerdeführerin, K P, freiwillig das Betreten der Wohnung gestattete, stützt sich auf folgende Beweiswürdigung:

Während Bez.-Insp. L grundsätzlich eine sehr ausführliche und weitgehend in sich widerspruchsfreie Zeugenaussage vor dem Rechtshilfegericht Bezirksgericht Linz machte und seit seinem Dienstbericht vom 3. August 1990 - dem Tag der Amtshandlung - (vgl. dazu auch seinen Bericht an das Kreisgericht Wels vom 6. August 1990) davon ausging, daß es sich um eine freiwillig gestattete Nachschau gehandelt habe, hatte die am 3. August 1990 allein anwesende Zeugin K P für diesen Tag am Beginn ihrer Vernehmung vor dem Bezirksgericht Lambach einen ganz anderen Vorgang in Erinnerung. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, daß auch die Beschwerdeführerin ursprünglich zwei falsche Daten der Vornahme der behaupteten Hausdurchsuchungen bekanntgab. Auch wenn L bei seiner ersten Einvernahme am 4. Dezember 1990 zur Wortwahl der Schwiegermutter der Beschwerdeführerin noch aussagte: "D K sei nicht da, ich könne schauen" und dies auf Grund der mangelnden Deutschkenntnisse der Schwiegermutter der Beschwerdeführerin vielleicht nicht richtig sein mag, folgt der Verfassungsgerichtshof auch hier der Aussage L's vor dem Bezirksgericht Linz, weil er die Situation dort detaillierter schilderte und bei der ersten Einvernahme die Frage der Wortwahl noch keine zentrale Rolle im Hinblick auf die Freiwilligkeit der Amtshandlung gespielt hatte. Aus den dargelegten Erwägungen sieht sich der Verfassungsgerichtshof nicht veranlaßt, den gegenteiligen Behauptungen der als Zeugin einvernommenen Schwiegermutter der Beschwerdeführerin zu folgen.

Bemerkt sei noch, daß die als Partei einvernommene Beschwerdeführerin zur Klärung des Vorfalles aus eigener Anschauung nichts beizutragen vermochte, weil sie sich zum fraglichen Zeitpunkt nicht in ihrer Wohnung befand.

2.3.1. Das beim Verfassungsgerichtshof im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 (Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1988), BGBl. 685/1988, das ist der 1. Jänner 1991 (ArtX Abs1 Z1 des genannten BVG), bereits anhängig gewesene Verfahren ist kraft der Übergangsbestimmung des ArtIX Abs2 leg.cit. nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen (s. dazu: ArtII des Bundesgesetzes vom 6. Juni 1990, BGBl. 329/1990).

2.3.2. Gemäß Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idF der Nov. BGBl. 302/1975 erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person. Darunter fallen Verwaltungsakte, die bis zum Inkrafttreten der B-VG-Novelle 1975, BGBl. 302, nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes als sogenannte faktische Amtshandlungen (mit individuell-normativem Inhalt) bekämpfbar waren, wie dies für Hausdurchsuchungen zutrifft, die Sicherheitsorgane aus eigener Macht vornehmen (zB VfSlg. 9389/1982, 9766/1983, 10.850/1986).

2.3.3. Wie die Sachverhaltsfeststellungen zeigen, hatte die Schwiegermutter der Beschwerdeführerin die Nachschau in der gegenständlichen Wohnung am 3. August 1990 um ca. 18.00 Uhr aus freiem Willen gestattet.

Die hier erörterte Amtshandlung entbehrt also, weil ihr K P freiwillig zugestimmt hatte, eines (normativen) Zwangscharakters (s. zB VfSlg. 5738/1968, 6696/1972). Sie ist daher nicht als eine in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person gerichteter Verwaltungsakt iS des Art144 Abs1 Satz 2 B-VG zu werten (VfSlg. 10.850/1986).

Die Beschwerde war sohin insoweit, als sie sich gegen die behauptete Hausdurchsuchung am 3. August 1990 richtet, wegen offenbarer Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Zuständigkeit, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Hausrecht, Hausdurchsuchung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:B1085.1990

Dokumentnummer

JFT_10088875_90B01085_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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