TE Vwgh Erkenntnis 1994/4/21 94/19/0289

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Veröffentlicht am 21.04.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Stöberl und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. November 1992, Zl. 4.303.427/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, der am 26. September 1990 in das Bundesgebiet eingereist ist und noch am selben Tag den Asylantrag gestellt hat, hat bei seiner am 4. Oktober 1990 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich erfolgten niederschriftlichen Befragung angegeben, er gehöre keiner politischen Organisation an. Von 1978 bis 1981 sei er Sympathisant der Modjahedin gewesen und habe Zeitungen und Flugzettel verteilt. Nachdem im Jahre 1981 die Modjahedin militant geworden seien, hätte er sich von ihnen jedoch distanziert. Allerdings habe er weiterhin Proteste gegen das Regime durch Parolen auf Wänden kundgetan. Im Juni 1983 sei er von Revolutionswächtern beim Beschmieren von Wänden mit Parolen in Shiraz ertappt und für eine Woche festgenommen und nach Festnahme zusammengeschlagen worden, wobei er nach seiner Entlassung eine Verpflichtungserklärung habe unterschreiben müssen, jederzeit für das Revolutionskomitee erreichbar zu sein. 1984 habe er die Aufnahmeprüfung an die Universität im Iran bestanden, sei jedoch in der Folge wegen seiner politischen Vergangenheit vom Studium ausgeschlossen worden. Er habe die reguläre Militärzeit von 24 Monaten abgeleistet, doch dann sei ein Befehl des Verteidigungsministeriums gekommen, daß alle Soldaten um vier Monate länger dienen müßten. Auch dies habe er befolgt. Mitte April 1988 habe er sich jedoch geweigert, dem Befehl Folge zu leisten, auf kurdische Landsleute zu schießen, weshalb er vom Militär desertiert sei. Er sei jedoch nicht nach Shiraz ins Elternhaus gefahren, sondern nach Teheran zu seiner Mutter, weil er sich dort sicherer gefühlt habe. Da er desertiert sei, habe er auch keinen Ausweis über die Ableistung des Militärdienstes und damit auch keinen Reisepaß erhalten, ohne solche Ausweise sei ein junger Mann in Persien vogelfrei. Er habe auch das Land nicht legal verlassen können, da er die unsichere Lage jedoch nicht mehr länger habe aushalten können und Gefahr bestanden habe, verhaftet und wegen Desertion hingerichtet zu werden, habe er sein Heimatland verlassen.

In der gegen den abweislichen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 31. Jänner 1991 erhobenen Berufung bekräftigte der Beschwerdeführer im wesentlichen diese seine Angaben, führte jedoch darüber hinaus aus, die Zulassungsprüfung für die Universität habe er im Jahre 1985 bestanden. Infolge Einspruches des "islamischen Schulvereines", der auf strengste Einhaltung der islamischen Regeln des Khomeni-Regimes achte und in der Schule "oberste Instanz" bedeute, sei er am 7. April 1986 zum Studium nicht zugelassen, sondern an diesem Tag zum Militärdienst einberufen worden. Er habe in "iranisch Kurdistan" den irakisch-iranischen Krieg zwei Jahre lang miterleben müssen. Im Jahre 1988 hätten iranische Kurden einen Aufstand gegen das islamische Regime in Teheran versucht, woraufhin es den Soldaten befohlen worden sei, auf diese Rebellen zu schießen und sie zu töten. Es sei ihm als Perser befohlen worden, auf eigene Landsleute zu schießen und das inmitten eines Krieges, der aus der Sicht der Iraner ein "Verteidigungskrieg" gewesen sei. Er habe sich daher geweigert, diesen grausamen und unmenschlichen Befehlen nachzukommen, weshalb er hätte verhaftet werden sollen. Infolge der rechtzeitigen Warnung eines Freundes sei er desertiert, sonst wäre er wohl heute nicht mehr am Leben. Aus diesem Grunde habe er auch Angst vor erneuter Verhaftung und Folter sowie vor dem Verlust des Lebens. Er habe sich unter ständiger Gefahr "erwischt" zu werden, über ein Jahr versteckt gehalten, die Gefahr sei jedoch größer geworden, sodaß er habe nach Österreich fliehen müssen, um sein Leben zu retten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und begründete dies im wesentlichen damit, die von ihm behauptete Verfolgung scheine nicht aus asylrechtsbegründenden Gründen, sondern eher auf Grund von Verstößen gegen die innerstaatliche Rechtsordnung des Heimatstaates des Beschwerdeführers erfolgt zu sein. Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer bekundeten Sympathie zu den Volksmodjahedin und seiner diesbezüglichen Aktivitäten fehle im Hinblick darauf, daß diese im Zeitraum von 1978 bis 1983 geschehen seien, jeglicher zeitliche Konnex zu seiner erst im Jahre 1990 erfolgten Flucht aus seinem Heimatland. Hinsichtlich des Zeitraumes von 1983 bis 1990 sei von ihm eine Verfolgung asylrechtsrelevanter Natur nicht behauptet worden, sodaß die Behörde davon ausgehe, daß auch keine dahingehende Verfolgung zu gewärtigen sei. Immerhin habe der Beschwerdeführer die Schule mit einem Abschluß beenden können und die Zulassungsprüfung zum Hochschulstudium bestanden, die letztendliche Nichtzulassung zum Studium sei nicht als asylrechtlich relevante Verkürzung seines Rechtes auf Bildung anzusehen. Bezüglich seiner Militärdienstzeit, die der Beschwerdeführer durch Desertion eigenmächtig beendet habe, sei auszuführen, daß es grundsätzlich jedem Staat freistehe, durch innerstaatliche Rechtsordnung seine Staatsbürger zu einer Militärdienstzeit zu verpflichten. Im allgemeinen habe Desertion dann strafrechtliche Konsequenzen und es sei auch im vorliegenden Fall auf Grund der Darstellung des Beschwerdeführers davon auszugehen, daß die Gründe für das Verlassen des Heimatlandes in der Furcht vor dieser strafrechtlichen Verfolgung liege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird und über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Insoweit der Beschwerdeführer nunmehr in seiner Beschwerde das erste Mal die Behauptung aufstellt, er sei bereits im Jahre 1986 vom islamischen (schiitischen) Glauben zum christlichen Glauben übergewechselt, so stellt sich diese Behauptung als eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr beachtliche Neuerung im Sinne des § 41 VwGG dar, sodaß dem Verwaltungsgerichtshof ein Eingehen darauf nicht möglich ist. Insoweit der Beschwerdeführer erstmals in der Beschwerde behauptet, dieses Vorbringen sei bereits in erster Instanz erstattet, jedoch entweder vom beigezogenen Dolmetsch nicht übersetzt oder vom Schriftführer nicht protokolliert worden, so ist er darauf zu verweisen, daß er eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens im aufgezeigten Sinne bereits im Berufungsverfahren hätte geltend machen müssen, weshalb im verwaltungsgerichtlichen Verfahren darauf nicht mehr einzugehen war. Der Beschwerdeführer hat vielmehr anläßlich seiner Erstbefragung am 4. Oktober 1990 auf die Frage nach seinem Religionsbekenntnis "Schiit" geantwortet, was vom Beschwerdeführer als offenkundig unrichtig zu rügen ebenfalls unterlassen wurde. Die belangte Behörde hatte - davon ausgehend - keine Veranlassung, Erhebungen über vom Beschwerdeführer nicht aufgestellte Behauptungen anzustellen. Zwar bestimmt der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 AsylG 1991, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet und die angebotenen Bescheinigiungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen, diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung von der aus § 37 aVG iVm mit § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen konkreten Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 AsylG 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung dieser Angaben zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber eine Verpflichtung der Behörde, Asylgründe, die der Asylwerber anläßlich seiner Ersteinvernahme gar nicht behauptet hat, zu ermitteln, nicht abgeleitet werden (vgl. u.a. auch hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1994, Zl. 92/01/1104 und die dort angeführte Judikatur).

Aber auch die Behauptung des Beschwerdeführers, wegen seiner bis 1983 erfolgten politischen Tätigkeiten Verfolgung gewärtigen zu müssen, kann der Beschwerde nicht zum erhofften Ergebnis verhelfen, besteht doch angesichts der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten politischen Aktivitäten im Jahr 1983 und seiner Flucht aus dem Heimatland im September 1990 kein ausreichender zeitlicher Konnex mehr, der zur Glaubhaftmachung des Vorliegens AKTUELLER Verfolgungsgefahr geeignet wäre.

Was die Behauptung des Beschwerdeführers anlangt, auf Grund seiner im April 1988 erfolgten Verweigerung eines Schießbefehls mit anschließender Desertion Verfolgung ausgesetzt zu sein, kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie dies nicht als Fluchtgrund im Sinne des § 1 Z 1 AsylG 1991 ansah. Dies schon deshalb, weil der Beschwerdeführer zwar angab, sich "etwas über ein Jahr" versteckt gehalten zu haben, jedoch nichts dazu sagte, wie er sich den langen Zeitraum bis zu seiner Flucht im September 1990 angeblichen behördlichen Verfolgungsmaßnahmen entzogen hat.

Die sich daher als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994190289.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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