TE Vwgh Erkenntnis 1994/4/21 93/09/0469

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Veröffentlicht am 21.04.1994
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AufG 1992;
AuslBG §20;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs3 Z7 idF 1992/475;
AuslBG §4 Abs6 idF 1991/684;
AuslBG §4 Abs6 Z2 lita idF 1990/450;
B-VG Art140 Abs1;
MRK Art6 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der F Gesellschaft m.b.H. & Co. in W, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Vorarlberg vom 18. November 1993, Zl. III/6700, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei stellte am 6. September 1993 beim Arbeitsamt Bregenz den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den bosnischen Staatsbürger V. für die berufliche Tätigkeit als "Monteur Trockenausbau" mit einem Bruttostundenlohn von S 110,--. Spezielle Kenntnisse oder Ausbildung wurden nicht gefordert.

Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit Bescheid vom 30. September 1993 gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet; darüber hinaus habe "das Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die beschwerdeführende Partei vor, sie könnte gerade jetzt einige Großaufträge übernehmen; dafür würden jedoch zusätzliche Fachkräfte gebraucht. Seit Wochen versuche sie, über das Arbeitsamt und durch Anzeigen in den Zeitungen Trockenbau-Fachkräfte zu finden, jedoch bisher ohne jeden Erfolg. Ohne zusätzliche, erfahrene Leute könnten die erwähnten Aufträge nicht übernommen werden. Dies würde aber die Gefährdung der Arbeitsplätze auch der übrigen Mitarbeiter (bis auf den Vater von V. ausnahmslos Inländer) bedeuten.

Im Berufungsverfahren erging seitens der belangten Behörde am 29. Oktober 1993 eine "Verständigung vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens", die (neben einer Wiedergabe des § 4 Abs. 6 AuslBG) folgenden Inhalt hatte:

"Der Bundesminister für Arbeit und Soziales hat mit Verordnung gemäß § 13a Z. 3 AuslBG, BGBl. Nr. 598/1992, für das Bundesland Vorarlberg eine Landeshöchstzahl für die Beschäftigung von Ausländern zur Sicherung der Bundeshöchstzahl gemäß § 12a AuslBG mit 17.000 für das Jahr 1993 festgesetzt. Mit Stichtag Ende September 1993 betrug laut amtlicher Statistik die Zahl der auf die Landeshöchstzahl anzurechnenden Ausländer in Vorarlberg 25.561.

Die für das Bundesland festgesetzte Landeshöchstzahl ist überschritten. Beschäftigungsbewilligungen können daher nur bei Vorliegen der besonderen Voraussetzungen nach § 4 Abs. 6 AuslBG erteilt werden. Der schon im Verfahren der ersten Instanz anzuhörende - paritätisch aus Arbeitgeber - und Arbeitnehmervertretern zusammengesetze - Vermittlungsausschuß hat aus arbeitsmarktpolitischen und volkswirtschaftlichen Erwägungen keine einhellige Zustimmung zur Ausstellung der Beschäftigungsbewilligung erteilt.

Im Zuge des gegenständlichen Verfahrens führen Sie in erster Linie an, daß der beantragte Ausländer als Schlüsselkraft zu Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer gem. § 4 Abs. 6 Z. 2a AuslBG benötigt werde. Das Landesarbeitsamt Vorarlberg kann sich Ihrer Ansicht nicht anschließen und sieht nicht allein in der Beschäftigung gerade des beantragten Ausländers die Möglichkeit, die Arbeitsplätze Ihrer inländischen Arbeitnehmer zu sichern. Nach Anhörung des Verwaltungsausschusses kam daher auch das Landesarbeitsamt Vorarlberg zur Entscheidung, daß die in Ihrer Berufung angeführten Gründe nicht für eine positive Entscheidung berücksichtigt werden können, da keine Gründe für die Beschäftigung des beantragten Ausländers nach § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorliegen. Daher steht Ihrem Antrag § 4 Abs. 6 AuslBG entgegen."

In ihrer Äußerung vom 3. November 1993 zu dieser Verständigung brachte die - nunmehr anwaltlich vertretene - beschwerdeführende Partei vor, die gesamte Familie des beantragten Ausländers lebe und arbeite in Österreich. In ihre Heimat (diese sei heute serbisch besetzt) könnten V. und seine Familie nicht mehr zurückkehren. V. sei zudem seit mehreren Jahren im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung für das Bundesgebiet (derzeit bis Ende 1994).

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 18. November 1993 gab die belangte Behörde der Berufung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 4 Abs. 6 AuslBG keine Folge. In der Begründung ging die belangte Behörde wie bereits in ihrer Verständigung vom 29. Oktober 1993 davon aus, daß der Bundesminister für Arbeit und Soziales mit Verordnung für das Bundesland Vorarlberg für das Jahr 1993 eine Landeshöchstzahl von 17.000 festgesetzt habe, die mit Stichtag Ende Oktober 1993 laut amtlicher Statistik weit überschritten gewesen sei, weil zu diesem Zeitpunkt die Zahl der auf die Landeshöchstzahl anzurechnenden Ausländer in Vorarlberg 25.157 betragen habe.

Nach Wiedergabe der Rechtslage führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter aus, vom Vorliegen der im § 4 Abs. 6 AuslBG erwähnten besonders wichtigen Gründe für die Beschäftigung eines Ausländers könne nur ausgegangen werden, wenn die Dringlichkeit des Bedarfes über das übliche Interesse eines Dienstgebers, eine Arbeitskraft zu beschäftigen, hinausgehe. Der schon im Verfahren der erster Instanz anzuhörende Vermittlungsausschuß habe aus arbeitsmarktpolitischen und volkswirtschaftlichen Erwägungen keine einhellige Zustimmung zur Ausstellung der Beschäftigungsbewilligung erteilt. Die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG seien nicht gegeben, weil solche wichtigen Gründe, die eine Beschäftigung des beantragten Ausländers trotz Überschreitung der Landeshöchstzahl rechtfertigen könnten, oder öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen, welche die Beschäftigung von Ausländern erforderten, nicht vorlägen. Im Verwaltungsverfahren habe die beschwerdeführende Partei in erster Linie angeführt, V. werde als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer benötigt. Die belangte Behörde könne sich dieser Ansicht nicht anschließen und sehe nicht allein in der Beschäftigung gerade von V. die Möglichkeit, die Arbeitsplätze der inländischen Arbeitnehmer der beschwerdeführenden Partei zu sichern. Außerdem habe die beschwerdeführende Partei die konkrete Gefährdung von Arbeitsplätzen von Inländern nicht genauer ausgeführt und begründet. Die von der beschwerdeführenden Partei - in ihrer Äußerung vom 3. November 1993 - geschilderte persönliche und familiäre Situation von V. stelle keine Voraussetzung für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG dar, ebensowenig wie die Tatsache, daß der beantragte Ausländer eine Aufenthaltsberechtigung habe und angeblich eine Fachkraft sei. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage seien die Einwände der beschwerdeführenden Partei in der Berufung nicht geeignet gewesen, eine andere Entscheidung herbeizuführen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich in den Rechten "auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung, auf ordnungsgemäße Sachverhaltsfeststellung und auf ordnungsgemäße Bescheidbegründung" verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der von der belangten Behörde als einzige rechtliche Grundlage des angefochtenen Bescheides herangezogene § 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle

BGBl. Nr. 450/1990) lautet:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

1.

bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder

2.

die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere

a)

als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder

b)

in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder

c)

als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder

d)

im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder

3.

öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder

4.

die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."

Dazu hat die belangte Behörde festgestellt, daß die Landeshöchstzahl für Vorarlberg für das Jahr 1993 überschritten ist, und daß der Vermittlungsausschuß die Erteilung der von der beschwerdeführenden Partei beantragten Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet hat. Dagegen hat die beschwerdeführende Partei trotz gebotener Gelegenheit im Verwaltungsverfahren nichts vorgebracht. Die erstmals in der Beschwerde enthaltenen Ausführungen zur Feststellung der Überschreitung der Landeshöchstzahl, die auf eine Bestreitung der Anwendungsvoraussetzungen des § 4 Abs. 6 AuslBG hinauslaufen, stellen deshalb im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige Neuerungen dar (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1994, 93/09/0428). Der Verwaltungsgerichtshof geht daher im folgenden auf Grund des von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Sachverhaltes vom Vorliegen dieser beiden Voraussetzungen für die Anwendung des erschwerten Verfahrens gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG aus.

Die Berufungsbehauptung, V. werde als Facharbeiter benötigt, um einige Großaufträge übernehmen zu können, ist nicht geeignet, einen besonders wichtigen Grund für die Beschäftigung gerade dieses Ausländers bei der beschwerdeführenden Partei iSd § 4 Abs. 6 AuslBG darzutun. Das darin zum Ausdruck kommende einzelbetriebliche Interesse der beschwerdeführenden Partei stellt für sich allein keinen solchen wichtigen Grund dar (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1994, 93/09/0409). Durch den bloßen Hinweis auf die infolge des Arbeitskräftemangels drohende Gefährdung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer hat die beschwerdeführende Partei auch nicht dargetan, daß dem V. die Bedeutung einer Schlüsselkraft (iSd § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a AuslBG) zur Erhaltung dieser Arbeitsplätze zukäme (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 1993, 92/09/0302, vom 16. Dezember 1993, 93/09/0273, und vom 23. März 1994, 93/09/0185). Das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei in ihrer Äußerung vom 3. November 1993 hat sich darauf beschränkt, daß die gesamte Familie des beantragten Ausländers in Österreich lebe und arbeite, wobei eine Rückkehr in deren (jetzt serbisch besetzten) Heimat nicht mehr in Betracht komme. Dies wurde von der belangten Behörde zutreffend als für eine der erschwerten Prüfung des § 4 Abs. 6 AuslBG unterliegenden Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung unzureichend beurteilt. Auch der Hinweis auf die für V.

-

derzeit bis Ende 1994 - erteilte Aufenthaltsberechtigung für

das Bundesgebiet stellt noch kein Vorbringen dar, aus welchem sich das Vorliegen der Voraussetzung nach § 4 Abs. 6 AuslBG ableiten ließe. Vielmehr wäre im Falle des Nichtvorliegens einer Berechtigung des V. zum Aufenthalt in Österreich nach dem Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 466/1992, die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung schon nach § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG (idF gemäß BGBl. Nr. 475/1992) zu versagen gewesen.

Das erstmals in der Beschwerde enthaltene Vorbringen, öffentliche oder gesamtwirtschaftlicher Interessen (iSd § 4 Abs. 6 Z. 3 AuslBG) "könnten" die Beschäftigung des V. erfordern (der bosnische Staatsbürger V. sei in Österreich wohnhaft und es könnte daher im öffentlichen Interesse der Republik Österreich liegen, diesen bosnischen Flüchtling lieber zu beschäftigen als ohne Gegenleistung "durchzufüttern"), ist schon als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige Neuerung unbeachtlich. Auch vermag der in der Beschwerde aufgezeigte Umstand, daß in anderen Fällen in Vorarlberg sehr wohl Beschäftigungsbewilligungen ausgestellt hätten werden können oder müssen, in rechtlicher Hinsicht die fehlenden Voraussetzungen für die Erteilung der für V. beantragten Beschäftigungsbewilligung nicht zu ersetzen.

Die Beschwerde zeigt damit keine inhaltliche Rechtswidrigkeit und auch keinen wesentlichen Verfahrensmangel des angefochtenen Bescheides auf und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Abhaltung der von der beschwerdeführenden Partei beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß von der mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war (§ 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG). Zu der in der Beschwerde aufgeworfenen "Verfahrensproblematik" (Entscheidung über die Beschwerdesache durch ein "Tribunal im Sinne des Art. 6 EMRK") genügt es, darauf hinzuweisen, daß der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 2. Juli 1993, G 226/92-7, die Auffassung nicht geteilt hat, daß mit verwaltungsrechtlichen Eingriffen in das Recht, Ausländer zu beschäftigen, "civil rights" verletzt würden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993090469.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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