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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des P in S, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 1. Februar 1994, Zl. VwSen-101140/27/Weg/Ri, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 1. Februar 1994 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 9. Mai 1992 (einem Samstag) gegen
21.20 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw an einem näher beschriebenen Ort gelenkt, wobei er auf Höhe eines bestimmten Hauses an einem Verkehrsunfall beteiligt gewesen sei, bei welchem erheblicher Sachschaden entstanden sei - er sei gegen einen vor ihm verkehrsbedingt angehaltenen Pkw gestoßen, wodurch dieser gegen ein davor aus einer Parklücke ausfahrendes Fahrzeug gestoßen worden sei -, und habe es unterlassen, "vom angeführten Verkehrsunfall bzw. von den Beschädigungen" ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen, obwohl er den Geschädigten seinen Namen und seine Anschrift nicht nachgewiesen habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 3 lit. b in Verbindung mit § 4 Abs. 5 StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
In der Begründung kam die belangte Behörde nach Einholung eines diesbezüglichen Gutachtens eines medizinischen Sachverständigen zu dem Schluß, daß die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Unzurechnungsfähigkeit als Folge des Verkehrsunfalles nicht gegeben und er daher im Sinne des § 3 VStG "voll verantwortlich" sei. Im übrigen würde - selbst wenn der behauptete posttraumatische Zustand zwölf Stunden gedauert haben sollte, was nicht als erwiesen angenommen werde -, auch die erst am Montag erstattete Unfallmeldung (wenn diese überhaupt als eine solche zu qualifizieren sei) den Beschwerdeführer nicht exkulpieren, weil er zumindest ab 9.00 Uhr des dem Unfall folgenden Tages der Meldeverpflichtung hätte nachkommen müssen, was jedoch ebenfalls nicht geschehen sei, da ein "privates" Telefongespräch mit der Gendarmerie nicht als eine ordnungsgemäße Meldung angesehen werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben gemäß § 4 Abs. 5 StVO die im Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß ein Identitätsnachweis im Sinne des zweiten Satzes des § 4 Abs. 5 StVO nicht erfolgt ist.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen konnte, daß das am Morgen des dem Unfall folgenden Tages vom Beschwerdeführer mit der Gendarmeriedienststelle geführte Telefongespräch nicht als eine Verständigung im Sinne des § 4 Abs. 5 erster Satz StVO zu werten war. Denn selbst wenn dieses Gespräch eine solche Verständigung dargestellt hätte, wäre für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, da diese Verständigung nicht "ohne unnötigen Aufschub" (vgl. zu diesem Begriff näher das hg. Erkenntnis vom 24. November 1994, Zl. 93/02/0269) erfolgt wäre. Dies deshalb, weil die Annahme der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer - entgegen seinem Vorbringen - auf Grund seiner Verfassung imstande gewesen wäre, der Verständigungspflicht früher nachzukommen, nicht als rechtswidrig zu erkennen ist:
Die belangte Behörde hat nämlich in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die Aussage der Zeugin Z. verwiesen, wonach diese ihren Pkw wegen eines anderen - ausparkenden - Fahrzeuges anhalten hätte müssen. Nach dem Anhalten habe sie einen heftigen Ruck von hinten verspürt und sei nach vorne, nämlich auf das ausparkende Fahrzeug, geschoben worden. Sie sei von einem anderen Pkw-Lenker, nämlich dem Beschwerdeführer, von hinten gerammt worden. Darauf sei sie aus dem Fahrzeug ausgestiegen und sei zum Lenker des auffahrenden Fahrzeuges zurückgegangen. Dieser sei noch im Pkw gesessen, habe etwas vor sich hingemurmelt, beteuert, daß ihm das passiert sei und sei letztlich auch ausgestiegen. Der Beschwerdeführer habe in der Folge zum Ausdruck gebracht, daß die Autos "weggeräumt werden müßten" und angeboten, die Sache in einem benachbarten Gasthaus zu regeln. In diesem Gespräch habe er die Schuld auf sich genommen und, obwohl er etwas aufgeregt gewesen sei, durchaus sinnvolle Antworten gegeben. Ihr - der Zeugin - sei die Sache nicht ganz geheuer gewesen, vor allem wegen der "ständigen Drängerei" des Beschwerdeführers und auch, weil er aus dem Munde nach Alkohol gerochen habe, weshalb sie ihren Vater angerufen habe; ein anderer Bekannter habe die Gendarmerie verständigt. Die Zeugin habe den Beschwerdeführer noch gebeten bzw. sei dies besprochen worden, die Fahrzeuge an Ort und Stelle zu belassen. Der Beschwerdeführer habe allerdings sein Fahrzeug weggefahren und zwar in eine benachbarte Einfahrt beim erwähnten Gasthaus. In der Folge sei der Beschwerdeführer - obwohl ein Nachweis des Namens und der Wohnanschrift nicht erfolgt sei - nicht mehr anzutreffen gewesen, vor allem nicht in dem Gasthaus, bei dem das Fahrzeug abgestellt gewesen sei. Über Befragen durch den medizinischen Sachverständigen, ob sie irgendwelche Verletzungen am Beschwerdeführer habe feststellen können, ob er ein Auge zugekniffen habe oder ob er über Schmerzen geklagt habe, habe die Zeugin ausgeführt, nichts Derartiges wahrgenommen zu haben; im Gegenteil, es sei sogar besprochen worden, daß soweit nichts passiert sei und keine Verletzungen vorlägen. Über Befragen des Rechtsfreundes des Beschwerdeführers habe die Zeugin ausgeführt, daß der Beschwerdeführer ziemlich betroffen gewesen sei, er mit dem Ausdruck "Ich habe Schuld, um Gottes Willen", die Schuld auf sich genommen und in der weiteren Folge immer wieder zum Ausdruck gebracht habe, daß die Fahrzeug möglichst schnell weggebracht werden sollten. Dabei habe der Beschwerdeführer deutlich gesprochen.
Dadurch - so die belangte Behörde - stehe zumindest fest, daß der Beschwerdeführer nach dem Unfall durchaus zielgerichtet und bewußt sein Fahrzeug von der Unfallstelle weggefahren habe und zu dieser Zeit trotz seiner Aufregung durchaus Sinnvolles von sich gegeben habe.
Im Hinblick auf diese unbedenklichen Feststellungen der belangten Behörde gehen sämtliche Ausführungen des Beschwerdeführers in Hinsicht auf die Frage seiner Zurechnungsfähigkeit und die damit im Zusammenhang stehenden Verfahrensrügen ins Leere. Es entspricht nämlich der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 26. Mai 1993, Zl. 92/03/0008), daß es schon auf Grund des situationsbezogenen Verhaltens des Beschwerdeführers an Ort und Stelle entbehrlich war, ein ärztliches Sachverständigengutachten über seine Zurechnungsfähigkeit einzuholen.
Die belangte Behörde war daher allein schon auf Grund dieses Verhaltens des Beschwerdeführers berechtigt, seine Zurechnungsfähigkeit auch dahin zu bejahen, daß er imstande gewesen wäre, zeitgerecht seiner Verpflichtung im Grunde des § 4 Abs. 5 erster Satz StVO nachzukommen. Dem steht beim vorliegenden Sachverhalt auch die vom Beschwerdeführer behauptete Gehirnerschütterung nicht entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 1991, Zl. 90/02/0217).
Schließlich sei vermerkt, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch ein sogenannter Unfallschock nur in besonders gelagerten Fällen und bei GRAVIERENDEN psychischen Ausnahmesituationen das Unterlassen eines pflichtgemäßen Verhaltens entschuldigen; einem dispositionsfähig gebliebenen Unfallbeteiligten ist trotz eines sogenannten "Unfallschrecks" in Verbindung mit einer begreiflichen affektiven Erschütterung pflichtgemäßes Verhalten zumutbar, weil von einem Kraftfahrer, welcher die Risken einer Teilnahme am Straßenverkehr auf sich nimmt, ein solches Maß an Charakter und Willensstärke zu verlangen ist, daß er den Schreck über den Unfall und die etwa drohenden Folgen zu überwinden vermag (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1993, Zl. 92/03/0008).
Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Beweismittel Sachverständigenbeweis Medizinischer Sachverständiger MeldepflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994020108.X00Im RIS seit
21.01.2002