TE Vwgh Erkenntnis 1994/4/26 90/14/0047

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Veröffentlicht am 26.04.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §245 Abs2;
BAO §276 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, über die Beschwerde der H in P, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 7. Februar 1989, GZ. 144-2/87, betreffend Kosten des Vollstreckungsverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit erstbehördlichem Bescheid vom 16. Februar 1987 wurden gegenüber der Beschwerdeführerin Kosten des abgabenbehördlichen Vollstreckungsverfahrens im Gesamtbetrag von S 4.259,-- festgesetzt.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die Abgabenbehörde erster Instanz mit der am 18. März 1987 zugestellten Berufungsvorentscheidung als unbegründet ab.

Mit Schriftsatz vom 21. April 1987 stellte die Beschwerdeführerin einen "Antrag auf Begründung" der Berufungsvorentscheidung vom 17. März 1987, mit dem sie eine ergänzende Begründung dieser Berufungsvorentscheidung beantragte.

Mit Schreiben vom 5. Mai 1987 kam die Abgabenbehörde erster Instanz diesem Ergänzungsersuchen nach.

Am 7. Mai 1987 stellte die Beschwerdeführerin einen Vorlageantrag betreffend die Berufungsvorentscheidung vom 17. März 1987. Durch den Antrag auf Begründung vom 21. April 1987 sei die Rechtsmittelfrist bis zum heutigen Tage "unterbrochen" worden.

Die belangte Behörde ging in der angefochtenen Entscheidung von der rechtzeitigen Antragstellung auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz aus und wies die Berufung aus meritorischen Gründen als unbegründet ab.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 276 Abs. 1 BAO, in der Fassung des BGBl. Nr. 151/1980, kann die Abgabenbehörde erster Instanz eine Berufung nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen durch Berufungsvorentscheidung erledigen und hiebei den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abändern oder aufheben oder die Berufung als unbegründet abweisen. Gegen einen solchen Bescheid, der wie eine Entscheidung über die Berufung wirkt, kann innerhalb eines Monats der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabebehörde zweiter Instanz gestellt werden. Die Bestimmungen u.a. des § 245 Abs. 3 und 4 sind sinngemäß anzuwenden. Ein verspätet eingebrachter Antrag ist von der Abgabenbehörde erster Instanz durch Bescheid zurückzuweisen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Februar 1992, 91/13/0195).

§ 245 BAO enthält Bestimmungen über die Berufungseinbringung im Abgabenverfahren. Nach § 245 Abs. 1 beträgt die Berufungsfrist grundsätzlich einen Monat. Durch einen Antrag auf Mitteilung der einem Bescheid ganz oder teilweise fehlenden Begründung (§ 93 Abs. 3 lit. a) wird gemäß § 245 Abs. 2 der Lauf der Berufungsfrist gehemmt. § 245 Abs. 3 sieht die Verlängerungsmöglichkeit für die Berufungsfrist vor, wobei ein derartiger Antrag den Lauf der Berufungsfrist ebenfalls hemmt. § 245 Abs. 4 enthält nähere Regelungen über den Beginn und das Ende der Hemmung des Fristenlaufes bei Antragseinbringung nach Abs. 2 oder 3 leg. cit. Ist die Begründung einer Berufungsvorentscheidung mangelhaft, so ist ein Antrag auf Mitteilung der ganz oder teilweise fehlenden Begründung im Gesetz nicht vorgesehen (vgl. Schimetschek, SWK-SH Abgabenberufungsverfahren, 1994, Seite 22). Wird dennoch ein derartiger "Antrag" eingebracht, so hemmt er nicht den Lauf der Frist des § 276 Abs. 1 BAO. Die sinngemäße Anwendung des nur für Berufungsfristen geltenden § 245 Abs. 2 BAO ist im Gesetz nicht vorgesehen und daher unzulässig (vgl. Ritz, Die Berufungsvorentscheidung und der Antrag auf Entscheidung - Neufassung des § 276 BAO durch die BAO-Novelle -, in: ÖStZ 1980, Seite 122, sowie Reeger-Stoll, Kommentar zur BAO, Seite 867).

Im Beschwerdefall ist durch den am letzten Tag (wegen Ostern der 21. April 1987) der einmonatigen Antragsfrist des § 276 Abs. 1 eingebrachten "Antrag auf Begründung" der Berufungsvorentscheidung vom 17. März 1987 keine Hemmung oder "Unterbrechung" dieser Frist eingetreten. Der Vorlageantrag vom 7. Mai 1987 (beim Finanzamt eingelangt am 8. Mai 1987) war somit verspätet, die Berufungsvorentscheidung vom 17. März 1987 mittlerweile in Rechtskraft erwachsen.

Entscheidet die Abgabenbehörde zweiter Instanz über eine Berufung, obwohl eine rechtskräftige Berufungsvorentscheidung vorliegt, so tut sie dies außerhalb ihrer Zuständigkeit. Die dadurch gegebene Unzuständigkeit ist vom Verwaltungsgerichtshof auch dann, wenn sie vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht worden ist, aufzugreifen. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. März 1970, 1661/68, Slg. Nr. 4.048/F, vom 7. Dezember 1988, 88/13/0098, sowie vom 5. August 1992, 92/13/0103).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1990140047.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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